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Opernfundus: Im Boden tickt immer noch eine Zeitbombe

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Donnerstag wurde sowohl in der Bezirksversammlung, als auch im Sanierungsbeirat Reiherstiegviertel über die Verlegung des Fundus der Hamburgischen Staatsoper nach Wilhelmsburg diskutiert. In der Debatte wurde erneut deutlich, dass weder die Mehrheit der BürgerInnen noch der Bezirkspolitik dem Bau des Opernfundus an den Zinnwerken am Veringhof zustimmen. Trotz der Bedenken treibt der Senat das Projekt weiter voran – ohne an die möglichen Risiken zu denken.

Das Thema Opernfundus wird in Wilhelmsburg seit der Entscheidung der Senatskommission, die Werkstätten von Barmbek an den Veringkanal zu verlegen, heftig diskutiert. Am Donnerstag tagte der Sanierungsbeirat Südliches Reiherstiegviertel in einer  Sondersitzung, um eine Empfehlung zu den umstrittenen Bauplänen abgeben zu können.

Die Debatte wurde von zwei Fragen dominiert. Zum einen soll die Behörde begründen, warum sich der Senat nicht für eine der Alternativflächen entschieden hat, die in einer Machbarkeitsstudie als besser geeignet befunden werden. Zum anderen wird die Frage aufgeworfen, ob die Schadstoffbelastung auf dem Gelände der ehemaligen Zinnwerke als Problem gesehen wird. Heike Heuer vom Landesbetrieb Immobilienmanagement begründet die Entscheidung des Senats damit, dass die Alternativflächen nicht verfügbar seien. Die erste Fläche an der Amandus-Stubbe-Straße in Moorfleet sei bereits für einen Gewerbebetrieb vorgesehen. Die zweite Fläche am Pinkertweg in Billbrook  wolle die Stadt für die Ansiedlung von Logistikunternehmen frei halten. „Flächen für die Logistikbranche sind in Hamburg sehr rar. Daher hat man entschieden, diese Fläche nicht unter Wert zu nutzen indem man den Opernfundus hier ansiedelt“, sagt Heuer. Die Machbarkeitsstudie habe die gesamtstädtische Perspektive nicht im Blick.

In Bezug auf die Schadstoffbelastung zeigen sich sowohl Behörde, als auch Eigentümerin Sprinkenhof AG verunsichert, obwohl bereits in der Machbarkeitsstudie auf diese Gefahr hingewiesen wird.  „Dieses Problem wird man im Verlauf der Planungen klären müssen. Wir sind ja noch am Anfang“, sagt Jan Zunke von der Sprinkenhof AG. Tatsächlich sind die Planungen für den Opernfundus bereits fortgeschritten. Den letzten Mietern wurde bereits zum 30. September 2013 gekündigt. Eine europaweite Ausschreibung des Bauprojektes ist bereits vorbereitet und wurde nur aufgrund der aktuellen Diskussionen noch nicht veröffentlicht. Es scheint, als seien Sprinkenhof AG und Behörden ohne Wissen über das Ausmaß der Gefahren im Boden unter den ehemaligen Zinnwerken, oder würden diese ignorieren.

Bereits 1991 waren bei Strassenbauarbeiten am Veringhof Schadstoffmessungen vorgenommen worden. Die Ergebnisse waren derart bedenklich, dass das Hamburger Abendblatt am 12. April 1991 titelte: „Im Boden tickt eine Zeitbombe“. Das Gelände sei hochgradig mit Giften wie Arsen, Blei und Cadmium verseucht, schreibt das Abendblatt. Direkt unter der Oberfläche sei im Mittelwert ein Gehalt von 250 Milligramm Arsen pro Kilogramm Boden festgestellt worden. An einigen Stellen seien Höchstwerte von 2200 Milligramm gemessen worden. Bereits 100 Milligramm Arsen pro Kilogramm Boden gilt als bedenklich für die menschliche Gesundheit. Auch bei Metallen wie Zinn, Kupfer und Zink habe man Höchstwerte ermittelt, die als gefährlich eingestuft werden. Die Umweltbehörde stellte damals fest, dass eine Bodenwaschung wahrscheinlich nicht ausreichen würde, sondern eine volle Sanierung des Geländes nötig sei. Bis heute hat sich am Zustand der Fläche nichts geändert. Für den Bau eines 18 Meter hohen Opernfundus müsste in unmittelbarer Nähe des Veringkanal wahrscheinlich sehr viel belastetes Erdreich bewegt werden.

Paralell zur Sitzung des Sanierungsbeirates wurde das Thema Opernfundus in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gleich in zwei Anträgen behandelt. Ein Antrag von SPD und FDP fordert dabei die Möglichkeit andere Standorte in Betracht zu ziehen erneut zu prüfen. Weiterhin sei eine Beteiligung der BürgerInnen sowie der Bezirkspolitik anzustreben und eine angemessene Alternative für Kreative und Gewerbetreibende am Veringhof zu finden. Die ausgesprochenen Kündigungen seien bis dahin auszusetzen. Ein Antrag der Grünen und der CDU fordert hingegen, den Bau des Opernfundus in Wilhelmsburg strikt abzulehnen. „Der Bau ist in Wilhelmsburg von niemandem gewollt“, sagt Jutta Kodrzynksi, Bezirksabgeordnete der Grünen. CDU und Piraten kritisieren den Antrag der SPD als zu weich. „Die SPD spielt mit dem Vertrauen der Bürger. Bei diesem Verfahren ist es kein Wunder, dass die Bürger keines mehr haben“, sagt Jörn Frommann, Fraktionsvorsitzender der CDU. Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) verteidigte hingegen den Antrag der Sozialdemokraten. „Andere Standorte sind nicht mehr verfügbar. Eine vollständige Ablehnung macht eine zukünftige Beteiligung unmöglich“, sagt Grote. Zudem sei der Opernfundus nicht negativ für Wilhelmsburg. Hier sei eine gemeinsame Nutzung der Flächen als Kreativquartier möglich. Die Nachbarn der Kreativwirtschaft am Veringhof, wie der Autoteilehandel oder die Lackiererei,  finden in der Bezirksversammlung erneut nur am Rande Erwähnung. Die Bezirksversammlung stimmt schließlich mit der Mehrheit von SPD und FDP für den Antrag der Sozialdemokraten und lehnt die Forderung der Grünen ab.

Der Sanierungsbeirat Südliches Reiherstiegviertel entscheidet anders. In einer Empfehlung an den Bezirk fordert der Beirat die Rücknahme der Kündigungen sowie eine rechtzeitige, angemessene und ergebnisoffene Beteiligung bei zukünftigen Projekten. Den Bau des Opernfundus am Veringhof lehnt der Beirat vollständig ab. „Wir sind entsetzt über die Art des Verfahrens. Diese Entscheidung stellt alles in Frage was bisher in Wilhelmsburg bewegt wurde“, sagt ein Beiratsmitglied. Am kommenden Dienstag wird sich der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel erneut mit dem Thema Opernfundus beschäftigen. Auch hier werden Behörden wieder ihre Entscheidungen begründen und über Risiken aufklären müssen. Es bleibt abzuwarten, ob dann weitere Informationen über die Risiken einer Großbaustelle am Veringkanal offen gelegt werden.

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2 Kommentare

  1. Birte

    24. Mai 2013 at 18:05

    Mal abgesehen davon, das ich es schon lustig finde, wenn ausgerechnet jemand von der CDU dem Senat vorwirft, Vertrauen zu verspielen, ist mir die Haltung von SPD und FDP auch zu schwammig. Was hat Frau Suding doch so rumgetönt…. davon ist jetzt nix mehr zu hören. Das Geeier gestern von SpriAG und Behörde in Sachen Bodenbelastung (wir buddeln ja nicht so tief…. O-Ton SpriAG) war nur peinlich. Das Votum der Bürger hier war klar und eindeutig. Schade, das unsere Volksvertreter das kaum zur Kenntnis nehmen. Mal wieder vergessen, wer ihre Gehälter bezahlt und wessen Interessen sie vertreten sollen. Und nein, mir fehlt nicht der Gesamtblick. Ich habe selber lange genug Politik gemacht um zu wissen, wie der Hase läuft.

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