Politik

Opernfundus bedroht ein Stück Wilhelmsburg

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Foto: Jonas Walzberg VeringhofViel ist nicht mehr übrig vom alten Wilhelmsburg. Nun soll es auch den roten Backsteinbauten am Veringkanal an den Kragen gehen. Der Senat will das alte Zinnwerk abreißen, um Platz für den neuen Fundus der Hamburgischen Staatsoper zu machen. Für den Opernfundus soll hier ein 18 Meter hoher Neubau entstehen.

Das ehemalige Zinnwerk hat sich seit 2011 vor allem zu einem Schmelztiegel für die Wilhelmsburger Kreativszene entwickelt. Insgesamt 24 KünstlerInnen sind hier heute angesiedelt. „Was hier entstanden ist, stellt doch eigentlich den Traum eines jeden Stadtplaners dar“, sagt Marco Antonio Reyes Loredo, der mit seiner Hirn und Wanst GmbH die Show „Konspirative Küchenkonzerte“ produziert. Die Sendung war bereits zwei Mal für den Grimme Preis nominiert. Die KünstlerInnen sehen sich als eine kleine Familie und sind eng mit dem Standort verbunden. Auch Christin Hinrichs ist Teil der Familie am Veringkanal. Die Kinder der Online-Projektmanagerin können unbeschwert in den Räumen der Zinnfabrik spielen. Es gibt sogar eine kleine Spielecke, falls die Kinder einmal nicht in die Kita um die Ecke können. „Für mich ist es ideal, hier selbstständig arbeiten zu können“, sagt Hinrichs, die sich ein Büro mit Jörg Ehrnsberger teilt. „Für mich ist es wichtig, hier im Stadtteil zu sein und den Alltag der SchülerInnen zu erleben“, sagt Ehrnsberger, der für die gemeinnützige Bildungsorganisation Teach First verschiedene Schulen in Wilhelmsburg betreut. Auch die SchülerInnen profitieren von der Nähe zu den KünstlerInnen in der Zinnfabrik. „Es ist eine einzigartige Bereicherung für viele Projekte. Man darf das nicht auf verschiedene Flächen aufteilen“, sagt Ehrnsberger. Auch Antje Truelsen schätzt die Zusammenarbeit in der Zinnfabrik. Die Bildhauerin musste bereits ihr Atelier in St. Pauli aufgeben. „Ich hatte das Gefühl hier angekommen zu sein und bleiben zu können“, sagt Truelsen.

Warum der Opernfundus ausgerechnet nach Wilhelmsburg kommen soll, ist den KüntlerInnen unverständlich. Aus einer kleinen Anfrage der Grünen in der Bürgerschaft geht hervor, dass es Alternativen in Billbrook oder Moorfleet gibt. „Es ist unbegreiflich, warum eine gewachsene Kultur- und Kreativszene in Wilhelmsburg mit einem Schlag zerstört werden soll“, sagt Christa Goetsch, Kulturpolitische Sprecherin der Grünen in der Bürgerschaft. „Leider ist die Politik des Senats sehr intransparent“, sagt Marco Antonio Reyes Loredo. Für die Bedürfnisse des Opernfundus hat er trotzdem Verständnis. „Ich wünsche mir einen schönen Ort für den Opernfundus, aber nicht auf einer Fläche, die noch so viel Potential hat wie diese“, sagt Loredo. Die Bezirkspolitik sucht derzeit nach Ausweichmöglichkeiten für die Kreativen und KünstlerInnen. Für das Kleingewerbe am Veringkanal wird es jedoch kaum Alternativen geben.

Getränkehändler Klaus Meerkötter war einer der Ersten, der die Kündigung der Sprinkenhof AG in den Händen hielt. Der Laden, den er gemeinsam mit seiner Frau Renate betreibt, steht vor dem Aus. Dabei ist der letzte Umzug noch nicht lange her. Bereits 2011 musste das Traditionsgeschäft den Standort wechseln, um Platz für den Energiebunker der Internationalen Bauausstellung (IBA) zu machen. Sein Vater hatte den Getränkehandel 1954 gegründet. „Wir sind ein Stück vom Stadtteil. Nächstes Jahr hätten wir 60-jähriges Betriebsjubiläum, aber einen weiteren Umzug werde ich nicht schaffen“, sagt Klaus Meerkötter. Nach dem letzten Umzug hatte Klaus Meerkötter hier auf eigene Kosten alles renoviert. Schon im Juni muss der Laden schließen. Die Nähe zu seinen KundInnen ist für Klaus Meerkötter wichtig. Es ist für ihn selbstverständlich, älteren KundInnen die Wasserkiste bis in die Wohnung zu tragen. „Wir haben durch den letzten Umzug bereits Kunden verloren. Die Kündigung nimmt uns alle Perspektiven“, sagt Renate Meerkötter. Auf dem Nachbargrundstück sind auch der Reifenhandel von Oktay Akkaya und die Lackiererei von Naim Elezaj in ihrer Existenz bedroht. Akkaya hatte 1997 das Gelände für sein Unternehmen erst bebaubar gemacht. 40 LKW Ladungen Kies waren nötig um die brachliegende Fläche herzurichten. Auch Elezaj hat in seine Lackiererei viel investiert. Seit 32 Jahren besteht der Betrieb in Wilhelmsburg. „Gerne würde ich noch weitere Arbeitsplätze schaffen, aber durch die Kündigung müssen wir jetzt wohl dicht machen“, sagt Elezaj.

Am Veringhof hoffen alle weiter auf ein gutes Ende. Schon lange ist das Sommerfest der Hamburger Kreativgesellschaft auf dem Gelände der Zinnfabrik geplant. Alle hier, vom Getränkehändler bis zur Bildhauerin, würden zu dieser Gelegenheit gerne mit Senatoren und dem Opernfundus auf die Zukunft der Zinnfabrik anstoßen. „Jeder ist hier willkommen, nur keine Abrissbagger“, sagt Loredo.

In geänderter Fassung erschienen in der taz Hamburg am 30. März 2013.

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1 Kommentar

  1. Olaf Habedank

    12. Mai 2013 at 15:40

    Sollte der Senat das Projekt Opernfundus am Veringkanal wirklich realisieren, sind nicht nur die Existenzen der Kreativen der Wilhelmsburger Zinnwerke gefährdet. Auch das IBA Projekt Künstlercommunity, ebenfalls am Veringkanal, ist gefährdet und damit zusätzliche 50 Existenzen.

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