Politik

Verfassungsgericht kippt Drei-Prozent-Hürde bei Bezirkswahlen

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Das Hamburgische Verfassungsgericht gab am vergangenen Dienstag bekannt, dass die Drei-Prozent- Hürde bei Wahlen zu Bezirksversammlungen nicht weiter Bestand haben darf. Der Entscheidung war eine Wahlbeschwerde eines Mitgliedes der  Piratenpartei in Eimsbüttel voraus gegangen. Durch die neue Regelung könnten bei den nächsten Wahlen weitere Parteien in die Bezirksversammlung einziehen.

Der Einzug der Piraten in die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte bei den Wahlen 2011 könnte nur ein Vorgeschmack auf ein wesentlich bunter gemischtes Parlament gewesen sein. Derzeit besteht die Bezirksversammlung mit ihren 51 Sitzen aus insgesamt sechs Fraktionen. Durch die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichtes am Dienstag könnte diese Zahl bald wachsen. Das Gericht gab am Morgen bekannt, dass die bisher geltende Drei-Prozent-Hürde nicht länger gültig ist. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit der Unvereinbarkeit der Sperrklausel mit dem Grundsatz der Stimm- und Chancengleichheit. In Zukunft zieht eine Partei somit in die Bezirksversammlung ein, wenn sie nach dem Wahlergebnis Anspruch auf einen Sitz hat. Aktuell müsste eine Partei etwas weniger als zwei Prozent der Stimmen erhalten, um in dem Kommunalparlament vertreten zu sein.

Die SPD sieht den möglichen Zuwachs in der Bezirksversammlung nicht als problematisch an. „Wir finden es gut, dass das Bezirksparlament möglicherweise um neue Ideen bereichert wird und freuen uns auf den politischen Wettstreit“, sagt Falko Droßmann, Fraktionsvorsitzender der SPD. Auch Michael Büker, Abgeordneter der Piraten in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, zeigt sich erfreut über das Urteil: „In anderen Bundesländern sind Sperrklauseln bei Kommunalwahlen schon länger abgeschafft. Hamburg hat heute einen großen Schritt getan, um die demokratische Bedeutung von kommunalen Vertretungen anzuerkennen.“ In Berlin wird derzeit ebenfalls die Zulässigkeit der dort bestehenden Drei-Prozent-Hürde durch das Verfassungsgericht geprüft. Ob das Hamburger Urteil auf diese Entscheidung Einfluss haben wird, ist unklar.

Die Gefahr einer Zersplitterung der Bezirksversammlung sieht das Hamburgische Verfassungsgericht nicht. Durch weitere Fraktionen in dem Parlament sei die Funktionsfähigkeit auf der kommunalen Ebene nicht beeinträchtigt. Da die Bezirke in Hamburg Teil der Verwaltung sind, werden diese nicht als Gesetzgeber tätig. Aus diesem Grund sind nach Ansicht des Gerichtes stabile Mehrheiten nicht in dem Maße notwendig, wie dies in der Bürgerschaft der Fall ist. Funktionsbeeinträchtigungen könne durch Beschlüsse der Bürgerschaft bzw. Richtlinien der Verwaltung entgegen gewirkt werden.  „Von der Entscheidung profitieren vor allem Wähler, die ihre fünf Stimmen auf mehrere Parteien verteilen möchten. Denn das Risiko, eigene Stimmen an Bewerber mit geringen Erfolgsaussichten zu verschenken, nimmt ohne Sperrklausel deutlich ab“, kommentiert Thomas Michel, Landesvorsitzender der Piratenpartei Hamburg, das Urteil. Die FDP betrachtet das Urteil als Folge einer verfehlten Politik von Bürgerschaft und Senat seit 2009: „Jetzt rächt sich, dass es in der jüngsten Vergangenheit politisch nicht dafür gereicht hat, den Bezirksversammlungen den Status eines echten Parlaments zu geben. Die Demokratie muss auch und gerade auf kommunaler Ebene handlungsfähig sein“, sagt Bernd Ohde, Fraktionsvorsitzender der FDP. Auch die Linke spricht sich für eine Stärkung der Bezirksversammlung aus. In einer Stellungnahme gab die Bezirksfraktion bekannt, dass die Bezirksversammlungen mit eigenem Etat zu echten Volksvertretungen gemacht werden sollten.

Auf die aktuelle Zusammensetzung der Bezirksversammlung hat die Entscheidung keinen Einfluss, da die neue Regelung nicht rückwirkend angewendet wird. Daher wird Mitte 2014 erstmalig ohne Sperrklausel gewählt. „Das Urteil ist eine Katastrophe. Ab 2014 werden wir so wahrscheinlich nur noch Große Koalitionen in Hamburg-Mitte erleben“, sagt Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen. „Außerdem sehe ich hier die große Gefahr, dass rechte Parteien jetzt Gelegenheit erhalten den Bezirk als Bühne zu nutzen“, so Osterburg weiter. Auch Jörn Frommann, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht die Entscheidung kritisch: „Eine Politik für den Bürger wird mit zusätzlichen Fraktionen immer schwieriger.  Die Politik in den Bezirken wird noch undurchschaubarer und es wird zu einer Entfremdung mit diesem lokalen Parlament kommen“. Frommann betont ebenfalls, dass links- und rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen nun die Möglichkeit hätten in die Bezirksversammlung einzuziehen. Nach den Ergebnissen der letzten Bezirkswahl hätte die NPD ohne Drei-Prozent-Hürde  einen Abgeordneten in die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte entsenden dürfen. Die SPD ist hier optimistischer. „Ich bin fest davon Überzeugt, dass die Hamburgerinnen und Hamburger durch ihre Wahlentscheidungen verhindern werden, dass extremistische Parteien eine starke Stellung in den Bezirken bekommen können“, sagt Falko Droßmann.

Kommentar zum Bericht

Foto: Mathias Birsens

Kommentare anzeigen (6)

6 Kommentare

  1. Eike

    15. Januar 2013 at 12:50

    Soso „stabile Mehrheiten“ sind also nicht so wichtig weil die BVen nur „Teil der Verwaltung sind“. Wäre es nicht so traurig würde ich laut lachen. Oh. Mann.

  2. Pingback: Hamburg: 3%-Hürde bei Bezirkswahlen gekippt | piraten-wirken.de

  3. Pingback: Kommentar: Verfassungsänderung? Ja, bitte! | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

  4. Pingback: Bürgerschaft: Fahrplan für Verfassungsänderung steht fest | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

  5. Pingback: Bezirksversammlung: Mitte wählt mit Sperrklausel | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

  6. FranKee 【Ƿ】

    1. Juni 2015 at 17:33

    Keine Sorge: Schwarze, rote und grüne Postdemokraten haben mittlerweile die Verfassung nach ihrem Geschmack geändert, um sich die Konkurrenz wieder vom Hals und unbequeme Frager aus den Parlamenten zu schaffen:

    http://piraten-hh.de/2013/11/28/piraten-beteiligen-sich-am-buendnis-gegen-wiedereinfuehrung-der-drei-prozent-huerde-bei-wahlen-zur-bezirksversammlung/

    Und die Anti-Demokraten von SPD, CDU und Grüne in NRW…
    http://www.piratenpartei-nrw.de/2015/06/01/sperrklausel-von-spd-cdu-und-gruenen-geplant-finde-den-fehler/

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