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„Tour le Mietenwahnsinn“ mit Caracho

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Am Freitag nahmen rund 300 Menschen an einer spontanen „Tour le Mietenwahnsinn“ mit der Band Caracho und Aktivisten vom Bündnis Recht auf Stadt in der Sternschanze und auf St. Pauli teil. Die TeilnehmerInnen zogen unter musikalischer Begleitung von Caracho vom Kino 3001 bis zum Molotow in den Esso-Häusern an der Reeperbahn – allesamt gefährdete oder sogar vom Abriss bedrohte Clubs, Bars, Lokale oder Läden. 

Die erste Station der musikalischen Gentrifizierungsreise ist am Freitagabend das 3001 Kino im Schanzenhof. Etwa 300 TeilnehmerInnen haben sich hier spontan zu einer „Fette-(Gewerbe)Mieten-Club-Tour“ zusammengefunden. Mit bunten, glitzernden Masken, Konfetti, Luftballons und der musikalischen Unterstützung der Band Caracho wollen sie die „fetten Mieten wegbassen“.

Nachdem die Stadt das Areal am Schanzenhof 2006 an einen Investor verkaufte wurde es zum Spekulationsobjekt und wechselte mehrfach den Besitzer. Im Frühjahr 2013 kauften die Brüder Maximilian und Moritz Schomartz die Immobilie. Der Kaufpreis soll im zweistelligen Millionenbereich gelegen haben. Während viele andere MieterInnen nach zahlreichen Mietererhöhungen bereits ausgezogen sind, bangen die noch Verbliebenen um ihre Existenz. Dazu gehören das 3001 Kino, die Volkshochschule, das Hotel Schanzenstern, eine Kampfkunstschule und der Verein Palette Hamburg. Einige MieterInnen erreichten nun Mieterhöhungen von mehr als 40 Prozent. Die Mietpreisbindung für das Hotel Schanzenstern endet im Februar 2014, auch hier fürchtet man danach massive Mieterhöhungen. „Das hier ist ein Paradebeispiel für den Mietenwahnsinn im Schanzenviertel“, sagt ein Aktivist. „Heute rocken wir gemeinsam gegen die Kumpanei der Stadt mit den Investoren.“ Zum ersten Mal an diesem Abend schallt der Caracho-Remix „Recht auf Stadt“ aus den mobilen Boxen und bringt die TeilnehmerInnen zum Tanzen.

Im Anschluss setzt sich die Clubtour unter musikalischer Begleitung in Bewegung. Nächster Halt: Der Dschungel in der Schanzenstraße 27. Im März erfuhr der Inhaber vom neuen Eigentümer des Hauses von der Kündigung und einer Mieterhöhung für die verbleibenden Monate. Ende September ist an diesem Standort Schluss. „Die Gentrifizierung drängt uns an den Rand des Schanzenviertels“, sagt Betreiber Stefan Tomfort. Der Kultclub zieht um in die Sternstraße 4. Bereits Anfang Oktober sollen die Abrissarbeiten beginnen. Das Aus nicht nur für den Dschungel sondern auch für das Asia-Restaurant Bok direkt nebenan. Einen Nachmieter gebe es laut Vermieter bereits. Vermutet wird, dass hier eine weitere Kaffee- oder Modekette einzieht. „Klamotten und Kaffee, davon haben wir hier bereits mehr als genug!“, sagt ein Aktivist bevor die Tour le Mietenwahnsinn sich wieder in Bewegung setzt.

Das nächste Ziel ist keine Bar und kein Club, sondern ein Supermarkt – der Schanzen Express auf dem Schulterblatt. Zwischen Tiefkühlspinat, Franzbrötchen und dem wummernden Bass erklären die Aktivisten, was hier schief läuft: „Ende Dezember soll hier Schluss sein, stattdessen soll hier eine Modekette einziehen.“ Auch der Penny-Mark soll seine Pforten schließen. „Vergesst nicht, Jeans kann man nicht essen!“, sagt einer der Teilnehmer. Vor dem Laden drehen Caracho nicht nur ihre Boxen auf, sondern begeistern die TeilnehmerInnen der Tour le Mietenwahnsinn auch mit einer Pyroshow, die das Schulterplatt zu nächtlicher Stunde zeitweise hell erleuchtet. Viele der TeilnehmerInnen halten Schilder hoch: „Alles rein, was keine Miete zahlt“ und „Fette Mieten yeah yeah“, heißt es darauf.

Vom Supermarkt im Schanzenviertel geht es nun weiter nach St. Pauli. Wieder geht es nicht um einen Club. Den nächsten Halt macht die bunte Anti-Gentrifizierungstour vor dem „Backbord“. „Hier gibt es Essen von St. Paulianern für St. Paulianer ohne Profitinteressen!“, erklärt einer der Aktivisten. Doch auch das „Backbord“ ist bedroht. Der Eigentümer hatte angekündigt das Gebäude bei laufendem Betrieb zu sanieren. Stattdessen erhielten die Inhaber im Sommer die Kündigung. „Vorgänge wie diese sind reine Willkür. Gewissenhaftes handeln rückt bei den Vermietern und Investoren in den Hintergrund“, so einer der Redner. Gleichzeit erhöhe sich jedoch auch der Austausch über Mietsteigerungen und Kündigungen in der gesamten Stadt.

Zum Abschluss der Tour verschlägt es die TeilnehmerInnen direkt auf die Reeperbahn. Hier geht es nicht nur um einen einzelnen bedrohten Club, sondern gleich um einen ganzen Gebäudekomplex – die Esso-Häuser. Stellvertretend für die gesamten Esso-Häuser ist das letzte Ziel der Tour le Mietenwahnsinn der Molotow-Club. „Stadt und Bayrische Hausbau erklären mit einem Gutachten, dass Abriss günstiger ist als Sanierung, aber wir fangen einfach selbst an zu sanieren!“, sagt ein Mitglied der Initiative Esso-Häuser. Bis zum Bersten gefüllt ist der Molotow-Club als Caracho zum letzten Mal an diesem Abend ihren Remix „Recht auf Stadt“ anstimmen. „Vergesst nicht, nach der Clubtour ist vor der Demo!“,  schallt es durch den Club. Schon in der kommenden Woche wird in Hamburg wieder gegen Gentrifizierung, Verdrängung und zu hohe Mieten demonstriert, dann jedoch ganz klassisch auf der Straße. Los geht es am 28. September um 14 Uhr am Millerntorplatz. Das Motto der Demonstration: „Keine Profite mit der Miete – Die Stadt gehört allen!“

Nicht zum ersten Mal machte die Hamburger Elektropunkband Caracho mit spontanen Aktionen und Guerillaonzerten auf (kultur-)politische Missstände aufmerksam. 2008 machten Caracho mit einer „Tour le Dispo“ darauf aufmerksam, dass zu wenig öffentlichen Raum für Kunst und Musik gibt. Deutschlandweit spielten sie in den EC-Automaten-Räumen zahlreicher Banken. Mit der „Caracho Tour Le 3-2-1 Die Stadt ist meins“ zeigten Caracho 2010 ihre Solidarität mit der Protestbewegung im Hamburger Gängeviertel.

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