Am Donnerstag äußerten sich die Vertreter der Roten Flora in der Sternschanze zu zahlreichen Themen rund um das alternative Kulturzentrum. Unter anderem sprachen die Aktivisten über Gefahrengebiete, Proteste und die Zukunft des Gebäudes.
Von Annika Lasarzik und Dominik Brück
In den vergangenen vier Wochen ist Hamburg kaum zur Ruhe gekommen: Debatten über gewaltsame Demonstrationen und Zweifel am Vorgehen der Polizei, Gefahrengebiete und die Verkaufsgerüchte rund um die Rote Flora sorgten immer wieder für Diskussionen und Proteste – insbesondere in den Stadtteilen St. Pauli und Sternschanze. Während Innensenator Michael Neumann feststellt, dass es in Hamburg keine politischen Konflikte gebe, sprechen die AktivistInnen der Roten Flora eine andere Sprache: „Der Protest gegen die Gefahrengebiete hat täglich bis zu 1000 Menschen auf die Straße gebracht“, sagt Rechtsanwalt Andreas Beuth, der die Rote Flora vertritt. Der Jurist hatte schon vor zwei Wochen Zweifel an dem Angriff auf die Davidwache geäußert, den die Polizei zum Anlass genommen hatte, auf St. Pauli und in der Sternschanze für mehr als eine Woche ein Gefahrengebiet einzurichten.
„Es handelt sich hier um eine gezielte Desinformation der Polizei“, sagt Beuth. Immer mehr Augenzeugen würden sich nun melden, welche die Vorfälle anderes darstellen würden. Auch die schwere Verletzung eines Polizisten in der Hein-Hoyer-Straße könne aufgrund der Aussagen einem alkoholisierten Einzeltäter zugeschrieben werden. Die Zeugen wollen allerdings anonym blieben. Die Polizei hatte zuletzt Fehler in der Darstellung der Ereignisse einräumen müssen, fordert jedoch alle Zeugen auf, sich auf einem Revier zu melden und zur Aufklärung beizutragen. Das Gefahrengebiet an sich ist in den Augen von Beuth kein Erfolg gewesen. Es seien außer Feuerwerkskörpern kaum gefährliche Gegenstände festgestellt worden. Zudem habe man die Gegenreaktion unterschätzt. „Das Gefahrengebiet konnte die Polizei allein aufgrund des hohen Personaleinsatzes nicht aufrecht erhalten“, sagt Beuth. Nach Angaben der Polizei konnte jedoch durch die Maßnahmen die Ausübung schwerer Straftaten unterbunden werden.
Am Sonnabend soll es erneut eine große Demonstration gegen das Instrument der Gefahrengebiete geben. Das Netzwerk „Recht auf Stadt“ hat dazu aufgerufen. Eine Prognose über mögliche Gewalt während der Versammlung können die AktivistInnen der Flora nicht abgeben. Man habe keine „Militanz-Kristallkugel“, heißt es. „Der Fokus liegt jedoch ganz klar auf den politischen Inhalten“, sagt ein Sprecher der Flora. Hier wünschen sich die AktivistInnen, dass außer den Gefahrengebieten auch andere Konflikte in der Stadt wieder mehr Beachtung finden – so etwa der Umgang mit Flüchtlingen.
In Bezug auf die gewaltsame Demonstration am 21. Dezember kritisiert der Ermittlungsausschuss (EA) insbesondere das Vorgehen der Polizei: Es habe einen massiven Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gegeben. Daher habe es insgesamt mehr als 400 Verletzte DemonstrantInnen gegeben, 63 davon schwer. Die Polizei berichtet von 120 verletzten BeamtInnen. Der EA kritisiert zudem, dass viele Menschen unverhältnismäßig lange festgehalten worden seien. Insgesamt habe es 20 Festnahmen und über 200 Ingewahrsamnahmen gegeben. Anwälten habe man den Zugang zu ihren Mandanten erschwert.
Auch zur Zukunft des Kulturzentrums Rote Flora äußerten sich die AktivistInnen: „Uns ist egal wer Eigentümer des Gebäudes ist, klar ist, dass die Flora als Kulturzentrum erhalten bleibt“, sagt ein Flora-Sprecher. In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Gerüchte über einen möglichen Verkauf der Flora durch Eigentümer Klausmartin Kretschmer gegeben. Die Stadt hatte dem Immobilienbesitzer Anfang der Woche ein Kaufangebot über 1,1 Millionen Euro unterbreitet, das dieser jedoch abgelehnt hat. Kretschmer, der die Flora 2001 für rund 190.000 Euro erworben hatte, sorgte in den vergangenen Wochen immer wieder mit Plänen für ein Konzerthaus auf dem Gelände für Aufregung. Ein Bebauungsplan des Bezirks hatte jedoch im Dezember festgelegt, dass nur ein Kulturzentrum auf der Fläche der Flora möglich ist. Kretschmer hat angekündigt gegen diesen Beschluss zu klagen.
Andreas Beuth traut dem Investor eine Räumungsklage zu: „Die Stadt muss dann mit allen politischen und juristischen Mitteln dagegen vorgehen“, sagt der Anwalt. Der Kaufvertrag zwischen Kretschmer und der Stadt, der Beuth vorliegt, lege ganz klar fest, dass die Stadt ein Rückkaufsrecht habe, wenn es zu Vertragsverstößen, wie einer komerziellen Nutzung oder Baumaßnahmen an dem Gebäude komme. Um dies zu verhindern dürfe die Stadt auch schon im Vorfeld aktiv werden. „Der Vertrag ist da so deutlich, dass ein Jurastudent im ersten Semester das verstehen kann“, sagt Beuth. Diese Klausel sei auch nicht, wie von Kretschmer behauptet, nach zehn Jahren verjährt.
Die Flora-AktivistInnen wollen trotz der aktuellen Debatte in erster Linie in Ruhe gelassen werden und weiter ihre politische und kulturelle Arbeit fortführen. Dabei stellt für sie auch ein Kauf durch die Stadt noch keine Garantie dar, dass dies möglich ist. „Auch die Stadt als Eigentümer bedeutet noch keine Sicherheit für das Projekt Flora. Wir werden aber in jedem Fall weitermachen, egal was passiert“, sagt ein Sprecher des Kulturzentrums.
Foto: By Libertad181 (eigenes Foto) [Public domain], via Wikimedia Commons
Mark
16. Januar 2014 at 15:51
Ganz armes Tennis diese FLORA-PK.
Im Mopo Live-Ticker war folgendes zu lesen:
10.49 Uhr: Erste Frage: „Würdet ihr mit dem Senat verhandelt?“
Klare Antwort: „Nein.“
Frieda
17. Januar 2014 at 03:44
MoPo.. schon klar. Warum nicht gleich die Bildzeitung. man man man
Toller Artikel, Danke Mittendrin!
Peter
17. Januar 2014 at 20:28
Das Gebäude muss nicht nur bleiben, es muss auch auf Vordermann gebracht werden und die Arbeiten müssen von den Nutzer beauftragt und Kontrolliert werden, bezahlt wird es vom Senat.
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