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Sternschanze: Kampf um die Rote Flora

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Nach einem langen Waffenstillstand scheint der Bestand der Roten Flora in der bisherigen Form erneut in Gefahr zu sein. Investor Klausmartin Kretschmer kündigte an aus dem besetzten Gebäude in der Sternschanze ein Konzerthaus für bis zu 2500 BesucherInnen machen zu wollen. Ob dieser Plan gelingt steht allerdings in den Sternen. Sowohl aus dem Stadtteil, als auch aus der Bezirkspolitik gibt es Widerstand. Mittendrin erklärt die Hintergründe rund um die Zukunft des wohl berühmtesten besetzten Hauses der Stadt. 

Von Janina Marie Krupop, Annika Lasarzik, Anja-Katharina Riesterer, Jonas Walzberg und Dominik Brück

Das Rad der Geschichte lässt sich bekanntlich nicht zurückdrehen, aber es wiederholt sich. Das zumindest zeigen die neusten Entwicklungen in der Sternschanze, denn die Gerüchte um einen bevorstehenden Verkauf der Roten Flora werden nicht leiser. An Stelle des jetzigen Kulturzentrums soll eine Konzerthalle entstehen. Vor fast genau 25 Jahren war ein ähnliches Projekt mit der Flora geplant gewesen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit fanden Gespräche der Stadt Hamburg mit dem Musicalproduzenten Friedrich Kurz statt. Geplant war aus dem Flora-Haus ein 7-stöckiges Theater mit Platz für 2.000 BesucherInnen zu schaffen.

BewohnerInnen der Schanze und lokale Gewerbebetreiber befürchteten, dass mit dem Musicaltheater auch die Mieten für Gewerbe und Wohnraum in die Höhe schnellen würden. 1988 waren die Mieten am Schulterblatt noch sehr günstig. Die Stadt Hamburg und der damalige Kultursenator Ingo von Münch (FDP) erhofften sich davon eine Aufwertung des Stadtteils. Doch weder der Senat noch Friedrich Kurz hatten mit dem starken Protest der AnwohnerInnen gerechnet. Über 10.000 Unterschriften wurden gegen den Bau gesammelt. Aufgrund einiger Anschläge gegen die Baustelle wurde das gesamte Gelände ständig polizeiüberwacht. Die Investoren gaben ihre Pläne im September 1988 auf und im August 1989 bot die Stadt einen Nutzungsvertrag für die Flora an. Dieser Vertrag war jedoch auf nur 6 Wochen befristet, als er im September 1989 auslief, wurde die Rote Flora daher für besetzt erklärt und sie blieb es bis zum Jahr 2001. Als die Stadt für 370.000 DM das Gebäude an den Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer verkaufte.

Nun befand sich die Flora in Privateigentum. Die bisher illegale Hausbesetzung wurde schlagartig legal, denn Kretschmer erlaubte die Nutzung des Gebäudes. Im Kaufvertrag mit der Stadt war zudem ein Rückkaufsrecht vereinbart, befristet auf 10 Jahre. Als dieses 2011 auslief, begannen die Spekulationen um einen bevorstehenden Verkauf der Flora erneut.

Kretschmar steht es frei die Rote Flora zu verkaufen. Weniger frei sind Investoren jedoch mit ihren Plänen für die Flora. Das Bezirksamt Altona sieht in seinem Bebauungsplan für die Schanze den Erhalt als Kulturzentrum vor. Das heißt aber nicht, dass es keine Mittel und Wege für Kretschmar oder einen neuen Besitzer gibt, dennoch zu bauen. Ein solcher Plan ist rechtlich eine Satzung, eine Norm, die die Stadt selbst aufstellt. Die Stadt kann darin regeln, wie ein Grundstück genutzt werden soll. Ob zum Beispiel der Bau überhaupt möglich ist, wie hoch ein neues Gebäude sein darf und wie viel Grünfläche es haben soll. Dabei ist sie jedoch nicht völlig frei, sondern an das Baugesetz gebunden. Kretschmar kann sich deswegen an das Verwaltungsgericht wenden und beantragen, dass der Plan überprüft wird. Hat die Stadt zum Beispiel einen Fehler im Verfahren gemacht oder ist der Plan insgesamt nicht mit dem Baugesetz vereinbar, dann wird das Gericht ihn als ungültig erklären und einem Umbau der Flora stände nichts mehr im Wege. Das will die Stadt vermeiden, um die Rote Flora als Kulturzentrum zu erhalten und überprüft ihren Plan aktuell.

Für den Bezirk stellt dieses Verfahren eine Premiere dar. Zum ersten Mal seit dem Erwerb der Flora hat Kretschmer einen Vorbescheidsantrag für die Bebauung des Geländes gestellt. Dennoch sind Bezirkspolitiker überzeugt, dass der neue Bebauungsplan den geplanten Bau des Investors verhindern wird. „Der Vorbescheidsantrag wird abgelehnt werden. Alles andere ist nur Säbelrasseln, der Bebauungsplan wird noch in diesem Jahr in Kraft treten“, sagt Mark Classen, baupolitischer Sprecher der SPD in der Bezirksversammlung Altona. Am 24. Oktober will die Bezirksversammlung den entsprechenden Bebauungsplan beschließen. Damit sei auch gewährleistet, dass die von der Stadt festgelegten Sanierungsziele für das Quartier nicht gefährdet werden. „Schon 1995 war es das Ziel des Senats das Grundstück der Flora für den Gemeinbedarf zu nutzen“, erläutert Heinz Evers vom Bezirksamt Altona die Pläne der Stadt für das Flora-Gelände. Das Bezirksamt ist daher überzeugt, dass die Stadt die Flora nach der Festsetzung des Bebauungsplans zurückkaufen wird. Ein Übernahmeanspruch ist bereits beim Kauf des Grundstücks durch Klausmartin Kretschmer festgeschrieben worden. Nach Ansicht von Bezirksamt und Bezirkspolitik sind die von Kretschmer veröffentlichten Pläne nur ein Mittel, um den Preis der Flora in die Höhe zu treiben. „Wenn Kretschmer um den Preis pokern will, sollte er wissen, dass wir ein Blatt mit vier Assen haben“, sagt Mark Classen. Kretschmer sei in 12 Jahren nie mit einer eigenen Idee für die Flora an den Bezirk herangetreten, daher sei es jetzt die Verantwortung der Stadt zu handeln. Auch der Stadtteilbeirat Sternschanze unterstützt den Bezirk bei der Umsetzung des neuen Bebauungsplans. Der Antrag von Investor Kretschmer sei laut Beschluss der Beiratsmitglieder abzulehnen. „Besonders das Ensemble aus Roter Flora, Florapark und Bunker mit den derzeitigen Nutzungen ist für den Stadtteil prägend und unbedingt erhaltenswert“, heißt es in der Stellungnahme des Beirates. Auf die Gestaltung dieses Ensembles will die Stadt nach Verabschiedung des Bebauungsplans jedoch keinen Einfluss nehmen. „Die Politik kann nicht vorgeben, was letztlich mit der Flora passiert. Das Nutzungskonzept kann nur aus dem Stadtteil und von den BewohnerInnen kommen. Die Politik wird hier nichts vorschreiben“, sagt Classen.

Auch die BewohnerInnen der Flora bereiten sich auf die zukünftige Gestaltung des Gebäudes vor. Am 10. Oktober wurde auf einer Vollversammlung in der Roten Flora die Forderung nach mehr Engagement von Seiten der BewohnerInnen bei Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten laut. Neben den kurzfristigen Protesten, so die Flora-Aktivisten, sei auch eine kontinuierliche Mitarbeit nötig. Die Vollversammlung zeigte zudem die Bedeutung des Themas für den Stadtteil. Viele BesucherInnen betonten die hohe Teilnehmerzahl. Für den  21. Dezember ist eine bundesweite Demonstration geplant, mit der gezeigt werden soll, dass sich erheblicher Widerstand gegen das Verkaufsprojekt nicht nur in Hamburg regt.  Für den November dieses Jahres ist zudem eine Feier zum 24-jährigen Bestehen der Besetzerkultur geplant.

Die Proteste der Flora-BewohnerInnen und des Stadtteils sind wichtig, um dem Bezirk und der Stadt den Rücken zu stärken. Nicht alle sind so zuversichtlich, wie Mark Classen und glauben, dass der Flora weiterhin eine ernsthafte Gefahr droht. „Ob das alles völlig sicher ist weiß ich nicht“, sagt der Rechtsanwalt Marc Meyer. „Kretschmer will mit der Flora Geld machen, dass er sich zuvor geliehen hat. Das macht mir Sorgen“, so Meyer weiter. Ob die Pläne des Bezirks letzlich wasserdicht sind, wird im Zweifel nur ein Gericht entscheiden können. Fest steht, dass bei einem Erfolg von Investor Kretschmer die Flora nicht kampflos übergeben werden wird. Es ist mit Widerstand der BewohnerInnen, des Stadtteils und Menschen aus ganz Hamburg und darüber hinaus zu rechnen. Um es nicht soweit kommen zu lassen werden Stadt und Bezirk ihr ganzen Gewicht in die Waagschale werfen. Ob das reicht wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

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