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Flüchtlingsschicksal: Das Ende einer Erfolgsgeschichte

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Die Situation von Flüchtlingen wird seit dem Beginn der Proteste um „Lampedusa in Hamburg“ so intensiv diskutiert wie noch nie zuvor. Dabei sind die Männer der Gruppe nicht die einzigen, die durch die derzeitige Flüchtlingspolitik in eine schwere Lage gebracht werden – wie das Schicksal von Liridon und seiner Mutter zeigt.

Der Protest für ein Bleiberecht der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ bringt seit Monaten Tausende auf die Straße. Für Liridon Rogova und seine Mutter Zoja hat bisher noch niemand demonstriert. Dabei droht Zoja das gleiche Schicksal wie den Lampedusa-Flüchtlingen: Ohne Duldung oder Aufenthaltserlaubnis soll sie Deutschland verlassen – das Land, in dem sie und ihr Sohn bisher eigentlich eine Erfolgsgeschichte geschrieben haben. Ihre letzte Hoffnung bleibt die Entscheidung der Härtefallkommission, die am Donnerstag auf der Tagesordnung der Bürgerschaft steht.

In Deutschland zuhause

2009 fliehen der damals 17-jährige Liridon und seine Mutter aus dem Kosovo nach Hamburg. Obwohl der Krieg dort als beendet gilt, ist das Leben in dem Land gefährlich. Das hat sich bis heute nicht geändert. „Wir werden im Kosovo als Minderheit noch immer diskriminiert. Ich hatte dort Angst meine Mutter alleine zu lassen“, erzählt Liridon. Übergriffe von Serben auf die albanische Bevölkerung, der er und seine Mutter angehören, seien an der Tagesordnung.

In Deutschland kommen die beiden zunächst in der Flüchtlingsunterkunft am Mattkamp in Billstedt unter. „Wir haben dort schnell versucht die Sprache zu lernen, weil man sonst keine Ausbildung und keine Arbeit bekommt“, sagt Liridon. Die Mühe zahlt sich aus: Liridon macht einen guten Realschulabschluss und bekommt einen Ausbildungsplatz als Fachkraft für Lagerlogistik am Hamburger Flughafen. Gemeinsam mit seiner Mutter zieht er in eine Wohnung in Fuhlsbüttel. Die Familie hat sich ein neues Zuhause geschaffen – trotz schwieriger Umstände. „Hier fühlen wir uns zuhause und sicher“, sagt Liridon.

Der Krieg ist nie vergessen

Dabei haben er und seine Mutter einen schweren Weg hinter sich. Zoja ist durch die schrecklichen Erlebnisse des Krieges schwer traumatisiert. Neben Schule und Ausbildung muss sich Liridon um sie kümmern. Hinzu kommt die ständige Angst wieder zurück in das vom Krieg zerrissene Land zu müssen. „Seit wir hier sind, stehen wir unter großem Druck“, erzählt Liridon. Alle drei bis sechs Monate müssen sie sich bei der Behörde melden, um ihre Duldung zu verlängern – jedes Mal geht die Angst nicht mehr erwünscht zu sein mit in die Amtsstube.

Er kann bleiben, seine Mutter soll gehen

Das, was beide immer befürchtet haben, bricht vor ein paar Wochen wie ein Sturm über sie herein – die Duldung von Zoja wird nicht verlängert. Sie soll zurück in den Kosovo. Liridon bekommt eine mündliche Zusicherung, dass er seine Ausbildung beenden darf. Danach soll er einen dauerhaften Aufenthaltsstatus bekommen. „Im Kosovo gibt es aber niemanden, der für meine Mutter da ist. Ich muss mich doch hier um sie kümmern“, sagt Liridon. Für die Innenbehörde nur ein Fall von vielen: „Die Ausreisepflicht ergibt sich aus der Ablehnung des Antrages auf Asyl“, teilt die Behörde auf Nachfrage von Mittendrin mit. Weiter Auskünfte könne man aus Gründen des Datenschutz nicht geben. Auch das Trauma von Zoja und die daraus resultierende psychische Erkrankung spielen für die Entscheidung keine Rolle. „Grundsätzlich wird bei jeder vollziehbarausreisepflichtigen Person versucht die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zu fördern“, schreibt die Innenbehörde. Bei kranken Personen werde geprüft ob eine Transportfähigkeit vorliegt und ob bei der Ausreise weitere Vorkehrungen getroffen werden müssen – verhindert werden kann die Ausreise durch eine Erkrankung nicht. Bis Ende der Woche galt Zoja durch einen Krankenhausaufenthalt als nicht transportfähig. Ein stressbedingtes Magengeschwür war der Grund. Jetzt ist sie wieder Zuhause und könnte jederzeit aufgefordert werden zu gehen.

Entscheidung der Härtefallkommission steht noch aus

Liridon und seine Mutter haben sich bereits an den Eingabeausschuss der Bürgerschaft gewandt. Dieser hat die Entscheidung an die Härtefallkommission weitergeleitet, die in diesen Fällen zuständig ist. Das Ersuchen der Familie Rogova wird jedoch abgelehnt – nur wenn alle Mitglieder der Kommission zustimmen, kann Zoja in Hamburg bleiben. Die Anwältin der beiden wendet sich erneut an die Behörden. Aufgrund des gesundheitlichen Zustandes von Zoja habe sich eine neue Situation ergeben. Eine erneute Entscheidung der Härtefallkommission steht noch aus und soll am Donnerstag in der Bürgerschaft berichtet werden.

Für Liridon und seine Mutter Zoja bedeutet das weiter warten und hoffen. Seine Mutter weine jede Nacht und habe in den letzten Wochen sieben Kilo abgenommen, erzählt Liridon. „So etwas darf es doch im 21. Jahrhundert nicht mehr geben“, sagt er. Eigentlich müsste sich der Auszubildende auf seine Abschlussprüfung vorbereiten –  dafür fehlt im derzeit aber die Konzentration. „Ich mache mir Sorgen um meinen guten Abschluss und dass ich dann keine Arbeit finde“, sagt Liridon.

Bisher nur wenige Unterstützer

Das Schicksal von Liridon und Zoja ist kein Einzelfall. Täglich müssen in Hamburg Flüchtlinge mit den Widrigkeiten des Systems kämpfen. Doch immer wieder haben die HamburgerInnen gezeigt, dass sie diese Politik nicht akzeptieren. Ende letzten Jahres demonstrierten Tausende für eine positive Entscheidung der Härtefallkommission im Fall der Familie Cruz. Auch die Proteste um die Lampedusa-Flüchtlinge rufen regelmäßig eine Vielzahl von DemonstrantInnen auf die Straße. Für Liridon und seine Mutter hat jedoch bisher niemand demonstriert. „Es ist schwierig auf solche Schicksale aufmerksam zu machen, da die wichtige Diskussion über Lampedusa in Hamburg derzeit im Vordergrund steht“, sagt ein Freund der Familie.

Es gibt jedoch Versuche Widerstand zu organisieren: Im Rahmen des Schulstreiks am Donnerstag soll auf die Lage der Familie Rogova aufmerksam gemacht werden. Ob es am Mittwoch um das Rathaus Proteste geben wird, ist derzeit nicht sicher. Liridon und seine Mutter hoffen weiter auf ein glückliches Ende – und auf eine gemeinsame Zukunft in ihrer neuen Heimat.

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