Die Emotionen kochen am Donnerstag in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hoch. Zahlreiche BewohnerInnen der Esso-Häuser sind zur Sitzung erschienen und erheben schwere Vorwürfe gegen den Bezirk und den Eigentümer, die Bayerische Hausbau. Mittendrin fasst die hitzige Debatte zusammen.
Zum letzten Mal in diesem Jahr tagt am Donnerstag die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Das große Thema der Sitzung ist die Evakuierung der Essohäuser auf St. Pauli am vergangenen Wochenende. Zahlreiche BewohnerInnen und Mitglieder der „Initiative Esso-Häuser“ sind gekommen, um ihrem Ärger über den Bezirk und der Bayerischen Hausbau, die Eigentümer der Gebäude ist, Luft zu machen. Außerdem werden von Seite der Initiative erneut Forderungen erhoben, in einem Ersatzneubau zu 100 Prozent Sozialwohnungen einzurichten.
Die Sitzung beginnt mit einer Erklärung von Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD). Dieser unterrichtet die Abgeordneten zunächst über den Verlauf der nächtlichen Evakuierung und erklärt das Ergebnis der Überprüfung eines Statikers. Man habe in der Tiefgarage an einem Pfeiler neue Haarrisse entdeckt. Die Gebäude seien in einem schlechteren Zustand als bisher angenommen, daher sei es unverantwortlich die BewohnerInnen in ihre Wohnungen zurückkehren zu lassen. „Das ist natürlich für alle BewohnerInnen ein Schock“, erklärt Grote. Vermieter und Bezirk seien jedoch bemüht, den Menschen mit vielfältigen Leistungen ihrer schwierigen Lage zu helfen. Besonders die Unterbringung in Ersatzwohnungen stehe dabei im Vordergrund – dies habe auch vor einer politischen Aufarbeitung der Hintergründe Vorrang. „Hätten wir nicht so lange über einen möglichen Erhalt der Häuser diskutiert, wären wir jetzt auch nicht in dieser Situation“, sagt der Bezirksamtsleiter nach kritischen Äußerungen aus dem Publikum. Der Kritik an der Initiative und dem Kampf für einen Erhalt schlagen laute Protestrufe aus dem Zuschauerraum entgegen.
Die im Anschluss folgende Bürgerfragestunde ist geprägt von einer sehr emotionalen Debatte: Die BewohnerInnen fragen nach den Gründen für den schlechten Zustand der Gebäude und fordern eine Haftung der Bayerischen Hausbau. „Wie kann einem Investor, der so mit Menschen umgeht, gestattet werden Häuser zu besitzen?“, fragt eine Bürgerin. Steffen Jörg von der GWA St. Pauli kritisiert den Eigentümer ebenfalls. Alle Zugeständnisse im Rahmen der Evakuierung seien nicht durch den guten Willen der Bayerischen Hausbau gemacht worden, sondern nur durch den Druck und die Arbeit der Initiative ermöglicht worden. Auch einige Politiker greifen den Investor scharf an: „Die Bayerische Hausbau müsste sich bei den BewohnerInnen für das, was sie durchmachen, entschuldigen“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten. Die Emotionen der BewohnerInnen kochen während der Antworten der Abgeordneten hoch. Weitere schwere Vorwürfe gegen Bezirk und Eigentümer werden laut. „Enteignung, Enteignung, Enteignung“, schallt es aus dem Zuschauerraum. „Herr Grote, sie haben heute noch keine Kritik an der Bayerischen Hausbau geäußert, das Gegenteil ist der Fall“, kritisiert Christine Detamble-Voss den Bezirksamtsleiter. Grote sagt zu sich den Beschwerden der BewohnerInnen annehmen zu wollen. Es werde weitere Gespräche mit der Bayerischen Hausbau geben. Einen Abriss bereits im Januar hält Grote für möglich, da die Gebäude defintiv nicht länger bewohnbar seien.
Auch zwei Anträge zum Thema der Essohäuser werden in dieser Sitzung beraten und abgestimmt. Ein Antrag der SPD, Gelder für eine Weihnachtsfeier der BewohnerInnen bereitzustellen, stößt bei diesen auf Ablehnung. Das Geld solle lieber für andere Hilfen ausgegeben werden. Falko Droßmann, Fraktionsvorsitzender der SPD, erklärt daraufhin man wolle es nicht bei einer Weihnachtsfeier belassen, sondern die BewohnerInnen auch weiterhin unterstützen. Die Feier sei nur ein Teil des Antrages. Darüber hinaus fordern die Sozialdemokraten schnell Ersatzwohnungen bereit zu stellen und ein enges Hilfenetzwerk für die BewohnerInnen bereit zu stellen. Der Antrag wird angenommen. Abgelehnt wird ein Antrag der Linken, der im wesentlichen die Forderungen der „Initiative Esso-Häuser“ wiedergibt. „Wir halten es für notwendig in diesem Fall quasi bei der Initiative abzuschreiben, da diese nicht die Möglichkeit hat ihre wichtigen Forderungen in die Bezirksversammlung einzubringen“, sagt Bernhard Stietz-Leipnitz, Fraktionsvorsitzender der Linken. Zu den Forderungen zählen unter anderem ein Anteil von 100 Prozent sozialem Wohnungsbau in einem Ersatzneubau und eine Kostenübernahme durch die Bayerische Hausbau für alle Folgen der Evakuierung. Zudem solle der Bezirk zunächst darauf verzichten einen Bebauungsplan zu erstellen. Das kritisiert die SPD scharf: „Ein Bebauungsplan ist die einzige Möglichkeit Einfluss auf den Investor zu nehmen“, sagt Falko Droßmann. Verzichte man auf einen Bebauungsplan sei es dem Investor theoretisch möglich abzureißen und ausschließlich Eigentumswohnungen zu errichten. Der Antrag wird von SPD und FDP abgelehnt.
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