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Gefahrengebiet: Das Unbehagen bleibt

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Mittwoch zog die Polizei im Stadtteilbeirat Sternschanze eine erste Bilanz über das Gefahrengebiet im Viertel. Auch zwei Monate nach Einrichtung des Gefahrengebietes wird das Vorgehen der Polizei kritisiert. Neben dem Verhalten der Beamten werden auch die Erfolgsaussichten und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in Frage gestellt.

Seit dem 01. Juni 2013 ist das Gebiet zwischen Stresemannstraße, Schanzen- und Lagerstraße, Schröderstiftstraße, Kleinem Schäferkamp und Altonaer Straße offiziell Gefahrengebiet. Zwischen 13 Uhr und vier Uhr morgens dürfen Polizeibeamte hier verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Bei Verstößen dürfen die Beamten neben Platzverweisen auch ein Aufenthaltsverbot für das Gebiet aussprechen. Mit der Maßnahme soll der Drogenhandel in und um den Florapark zurückgedrängt werden. „Wir haben viele Beschwerden von AnwohnerInnen über Drogenhandel- und Konsum erhalten, daher haben wir uns nach einer Einschätzung der Lage entschlossen das Gefahrengebiet einzurichten“, sagt der Leiter des Polizeikommisariats 16, Lewandowski.

Nach Angaben der Polizei ist die Zahl der Betäubungsmitteldelikte in der Sternschanze seit 2011 stark angestiegen. Wurden zum damaligen Zeitpunkt 52 Vorfälle gezählt, waren es 2012 bereits 147. Für das erste Halbjahr 2013 konnte die Polizei dann einen Anstieg auf insgesamt 288 Betäubungsmitteldelikte verzeichnen. „Es ist klar, dass die Summe der bekanntgewordenen Fälle höher ist, da wir seit 2011 mehr Beamten im Einsatz haben, dennoch sind diese Zahlen nicht unerheblich“, sagt Lewandowski. Die Drogenszene habe sich schnell auf die Taktik der Polizei eingestellt und es den Beamten schwer gemacht die Dealer auf frischer Tat zu ertappen. Ein Gefahrengebiet, mit dem es seit Jahren in anderen Stadtteilen gute Erfahrungen gebe, sei daher als geeignete Maßnahme betrachtet worden.

Von den AnwohnerInnen wird das Gefahrengebiet mit gemischten Gefühlen aufgenommen. „Im Viertel gibt es ein großes Unbehagen gegen dieses Vorgehen“, sagt ein Mitglied des Stadtteilbeirats. Es gebe zwar Beschwerden über Belästigungen durch Dealer und Drogenkonsumenten, dies rechtfertige jedoch nicht den Generalverdacht, unter den jede BesucherInn und AnwohnerInn des Stadtteils nun gestellt werde. Dies sei besonders der Fall, da es in der Regel um den Handel mit Cannabis gehe. „Wir haben bisher keine Feststellungen, dass hier harte Drogen gehandelt werden“, muss der Leiter des PK 16 einräumen. Auch Belästigungen durch die zahlreichen Alkoholkonsumenten sind aus Sicht des Beirates eine große Belastung für den Stadtteil. „Das hier ist Disneyland geworden“, bemerkt einer der anwesenden Gäste. „Ob allerdings jetzt Drogenkonsumenten oder die saufenden Horden als größeres Problem im Viertel wahrgenommen werden weiß ich nicht“, bemerkt ein anderer Gast. Gegen diese könne auch ein Gefahrengebiet nichts ausrichten. Zudem sei es nicht akzeptabel, dass die AnwohnerInnen erst aus der Zeitung erfahren hätten, dass ihre Nachbarschaft jetzt ein Gefahrengebiet ist.

Die Polizei betrachtet die Maßnahme dennoch als Erfolg. „Wir beurteilen ständig ob das Gefahrengebiet weiterhin sinnvoll ist. Für eine unsinnige Maßnahme schicke ich meine Leute nicht auf die Straße“, sagt Lewandowski. Seit Juni habe es insgesamt 560 Überprüfungen gegeben, dabei seien 147 Straftaten aufgedeckt und 350 Platzverweise oder Aufenthaltsverbote erteilt worden. Im Beirat wird das nicht als Beleg für den Erfolg der Polizei gesehen. „Die Dealer gehen einfach woanders hin. Ich kann hier keine Veränderung sehen“, sagt ein Beiratsmitglied. In Bezug auf andere Probleme des Stadtteils sei das Vorgehen der Polizei auch wirkungslos. „Das Gefahrengebiet ist Aktionismus am Problem vorbei“, so das Beiratsmitglied weiter.

Für die Piratenpartei, die seit Monaten gegen das Gefahrengebiet mobil macht, sind die Zahlen der Polizei sogar ein Beleg für die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. „Die Zahl der Kontrollen steht in keinem Verhältnis zu den aufgeklärten Straftaten. Damit ist ein derartiger Eingriff in die Bürgerrechte nicht zu begründen“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten in Hamburg-Mitte. Es gebe weiterhin Berichte von dunkelhäutigen Menschen, die nicht mehr in die Sternschanze gehen würden, da sie dort immer wieder Überprüfungen ausgesetzt seien. „Wir haben ein massives Problem mit Marihuanahandel von schwarzafrikanischen Dealern. Es darf jedoch keinen Generalverdacht gegen dunkelhäutige Menschen geben“, sagt der Leiter des PK 16. Die Beamten seien angewiesen nur Personen zu überprüfen, die ein szenetypisches Verhalten zeigen. „Wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlt, biete ich an in zivil an einem Ort seiner Wahl mit ihm über die Vorwürfe zu sprechen“, so Lewandowski weiter.

Eine Prognose über die Dauer des Gefahrengebietes will die Polizei derzeit nicht abgeben. „Die Maßnahme bleibt in Kraft solange die Lage dies erfordert“, sagt Lewandowski. Im Winter könne das Gefahrengebiet eventuell ausgesetzt werden, da der Drogenhandel witterungsbedingt zurückgehe. Ob im Frühjahr 2014 dann erneut ein Gefahrengebiet erklärt wird, müsse dann entschieden werden.

Foto: Thomas Wojcik from München [CC-BY-SA-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

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