Am Samstag feiert das Theaterstück „Die Neger“ Premier im Deutschen Schauspielhaus. Die Aufführung ist umstritten. Einige Stimmen fordern sogar die Absetzung des Stückes.
Am Samstag wird das umstrittene Theaterstück „Die Neger“ erstmals im Deutschen Schauspielhaus aufgeführt. Ursprünglich sollte die Premiere bereits im Juni stattfinden. Nachdem sich einer der Schauspieler verletzt hatte, wurde der Termin jedoch kurzfristig abgesagt und die Premiere auf den 4. Oktober verlegt.
Bereits im Juni übte die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Kritik an dem Theaterstück. Es gab Proteste gegen den diskriminierenden Titel und das in der Werbung praktizierte „Blackfacing“ der ausschließlich weißen SchauspielerInnen. Insbesondere das Fehlen einer Kontextualisierung von Werk und Titel war der Anlass für einen offenen Brief diverser Schwarzer Organisationen aus Österreich und Deutschland, der die Absetzung des Stückes forderte.
Historischen Rassismus thematisieren
Das Schauspiel unter der Leitung des Regisseurs Johan Simons beruht auf dem Werk des französischen Schriftstellers Jean Genet von 1958. „ Es ist eigentlich verblüffend: Es gibt nur ganz wenige Stücke im europäischen Theater, die die kolonialen Verbrechen Europas der vergangenen Jahrhunderte zum Thema machen“, sagt Rita Thiele, stellvertretende Intendantin des Deutschen Schauspielhauses. In der literarischen Rezeption sei nur dieses Stück von Genet bekannt, das seit dreißig Jahren von den deutschen Spielplänen verschwunden sei. Deshalb wolle das Schauspielhaus einladen, das Drama neu zu entdecken.
„Genet sagt, er habe dieses Stück nicht für die Schwarzen, sondern gegen die Weißen geschrieben. Er konfrontiert ein weißes, europäisches Publikum mit den rassistischen Klischees, die Europäer erfunden haben, um Schwarze auszubeuten und zu demütigen“, sagt Thiele, die auch als Dramaturgin an der Produktion mitgewirkt hat. Aus diesem historischen Rassismus würden sich noch heute rassistische Ressentiments speisen. „Diesen „Dreck“ greift Genet wörtlich auf, indem er sein Stück „Les nègres“ genannt hat“, so Thiele weiter. Der deutsche Titel von Peter Stein sei rechtlich bindend, entspreche aber auch den Intentionen des Autors Genet, der schon mit dem Titel das Thema des Stückes aufgreife.
Auch die Kritik an der Werbekampagne zu dem Theaterstück weist das Schauspielhaus von sich: Das erste Ankündigungsfoto zeige mehrfarbige Gesichter, rote, grüne, blaue, gelbe und sei immer im Zusammenhang mit einem Zitat von Genet veröffentlicht worden, in dem er die Hautfarbe als Basis der Charakterisierung von Menschen ironisch hinterfragt: ‚Aber, was ist denn eigentlich ein Schwarzer? Und vor allem: was für eine Farbe hat er?‘ „In diesem Sinne fanden wir das Ankündigungsfoto unmissverständlich. Für die Aufführung hat die Kostümbildnerin Greta Goiris sehr abstrakte schwarze und weiße Masken erfunden, ohne physiognomische Kennzeichnungen, die mit dem Thema „Blackfacing“ sehr sensibel umgehen“, erklärt Thiele.
„Das Schauspielhaus macht Rassismus salonfähig“
Ganz anders sieht das Sidonie Fernau, Bundesvorstandsmitglied im Verband binationaler Familien und Partnerschaften: „Bei dem N-Wort handelt es sich um eine abwertende Fremdbezeichnung für schwarze Menschen, die aus der Kolonialzeit stammt und dessen Gebrauch eine Beleidigung darstellt. Mit dem N-Wort – das weder damals, noch heute neutral war oder ist – geht ein bestimmtes Bild von schwarzen Menschen einher: primitiv, animalisch und minder intelligent.“
Der Titel des Theaterstücks, die Werbekampagne und die Inszenierung würden eben diese Vorurteile und Stereotypen reproduzieren. Um auf bis heute andauernde Zerrbilder von Schwarzen Menschen und dem afrikanischen Kontinent hinzuweisen, gebe es geeignetere Wege: „Beispielsweise schwarze Menschen zu Wort kommen zu lassen, denn sie sind die ExpertInnen für ihre eigene Lebensrealität. Wenn das Schauspielhaus in dieser Art und Weise Rassismus reproduziert und das öffentlich rechtfertigt, muss es sich darüber bewusst sein, diesen Rassismus damit salonfähig zu machen.“
Es gehe bei dieser Auseinandersetzung keineswegs um Political Correctness, Zensur oder eine Beschneidung von kulturellem Erbe. „Es geht um die Frage, wie das Schauspielhaus mit Vielfalt und Differenz umgeht und ob es bereit ist, sich klar zu menschenfeindlichen Äußerungen zu positionieren und deutlich zu machen, dass jede Form von Diskriminierung und Rassismus in unserer Gesellschaft keinen Platz hat“, macht Fernau deutlich.
Das Schauspielhaus selbst will die Diskussion um den Titel und die Werbekampagne in einer Publikums- und Podiumsdiskussion im Anschluss an die zweite Vorstellung am 10. Oktober vertiefen.
Foto: Henry Lührs
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Kurt
5. Oktober 2014 at 17:33
Wenn das Schauspielhaus die Anweisung des Autoren Jean Genet, das Stück ausschließlich mit Schwarzen Schauspieler/-innen zu besetzen, ignoriert, worüber will man dann noch am Podium diskutieren?