„Geniale Dilletanten“: Experimente zwischen Lärm und Klang

Kultur
Judith Behnk

Kulturredakteurin / M.A. Kunstgeschichte und Religionswissenschaften / Kontakt: behnk@hh-mittendrin.de

Subkultur statt Mainstream: Das Museum für Kunst und Gewerbe widmet der Kunst und Musik der „Genialen Dilletanten“ eine ganze Ausstellung. 

Sie sind laut, provokativ und stellten Hör-und Sehgewohnheiten auf die Probe: Deutschland ist in den frühen 1980er Jahren das Zentrum der „Genialen Dilletanten“, einer avantgardistischen Subkultur, die eigene Plattenlabel gründen und sich dem Mainstream entziehen. Jetzt zeigt eine Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe einen Überblick über die künstlerische und musikalische Subkultur.

Synonym einer Epoche kreativer Freiheit

Im Deutschland der frühen 1980er Jahre entwickelt sich eine radikale und provokative künstlerische Alternativszene, die „Genialen Dilletanten“. Der bewusst falsch geschriebene Titel bezieht sich auf ein Konzert, dass damals im Berliner Tempodrom stattfand und zum Synonym dieser  Epoche wurde. Den Künstlern und Musikern geht es vor allem darum, ihre kreative Freiheit zu behalten und neue künstlerische Ansätze zu verfolgen. Sie wollen Erwartungen zerstören und damit das Gewohnte durchbrechen. Im Zuge dessen, gründen sie eigene Plattenlabel, Galerien, Magazine und Clubs. Diese Unabhängigkeit erlaubt es ihnen Platten und Kassetten zu produzieren, ohne dem Mainstream der damaligen Zeit zu folgen.

Bands wie: „Die Tödliche Doris“, „Deutsch Amerikanische Freundschaft (D.A.F.)“, „Palais Schaumburg“, „Freiwillige Selbstkontrolle (F.S.K.)“ und die „Einstürzenden Neubauten“, bilden das Zentrum dieser kreativen Entwicklung in Deutschland. Nicht nur der Gebrauch der Deutschen Sprache für die Songtexte, sondern auch das Experimentieren zwischen Lärm und Klang, machen diese Bands so avantgardistisch. Und manch aussergewöhnliche Idee wird aus der Not heraus geboren. „Die Einstürzenden Neubauten“ sind das beste Beispiel dafür. Mangels finanzieller Mittel, entwickeln sie Instrumentarien aus Schrott, gemeinsam mit einer verstimmten E-Gitarre wird dies bestimmend für ihren Sound, der mit einer radikalen Geräuschästhetik die Hörgewohnheiten herausfordert.

Anarchistisch und verschmitzt auch noch mit Gehstock

Die Bands dieser neuen Subkultur in Deutschland schwanken zwischen Punk, Wave und Elektro. Sie vereint nichts weniger als der Bruch mit Konventionen. Bei der Eröffnung der Ausstellung sagt Wolfgang Müller, der Gründer der Berliner Künstlergruppe „Tödliche Doris“, dass es ihm nie darum ging mit der Kunst Geld zu verdienen oder bekannt zu werden.

„Vor allem aber wollte ich nicht mit Leuten zutun haben, die ich nicht leiden kann“, sagt er lächelnd. Und auch heute wirkt er trotz Gehstock und leicht ergrautem Haar immer noch irgendwie anarchistisch und verschmitzt. Für diese Freiheit, nahm er damals gerne nur eine winzige Wohnung mit Ofenheizung und Außentoilette auf dem Gang in Kauf. „Auch wenn ich kein ausgesprochener Freund von Toiletten auf dem Gang bin – muss man sich entscheiden. Mir war die Freiheit immer wichtiger!“, betont er. Selbstbestimmung statt Abhängigkeit von Plattenproduzenten und Galeristen.

Auch Hamburg hat damals eine ausgeprägte künstlerische Subkultur. Schnittstelle zwischen den Künstlern und Musikern war u.a. der Plattenladen Rip Off von Klaus Maeck. Hier konnte man sich nicht nur subversive Platten anhören und kaufen, sondern auch ausleihen, um sich zuhause ein Mixtape zu erstellen.

Noch bis zum 30. April kann man sich anhand von 250 Exponaten, darunter Gemälde, Fotografien, Plattencover, Bandvideos und Soundstationen, einen Einblick in die damalige Zeit verschaffen. Ausstellungsbegleitend werden Filme und Konzerte im Metropolis und auf Kampnagel stattfinden.

Fotos: Judith Behnk

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