Kultur

Filmfest Hamburg: Würdiger Abschluss eines unbequemen Programms

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Mit einem bewegenden Drama ging am Sonnabend das Hamburger Filmfest 2014 zu Ende. Mit dem Abschlussfilm gelang es den Veranstaltern einmal mehr zu verdeutlichen, dass das Filmfest nicht nur unterhält, sondern auch unbequeme Fragen aufwirft.

Selten ist es einem Film gelungen mit einer solch sanften Brutalität verschiedene Facetten des islamischen Extremismus zu erforschen. Der Abschlussfilm des Hamburger Filmfestes 2014, „Timbuktu“ von Abderrahmane Sissako aus Mauretanien, schafft es dem Publikum die Schrecken nahe zu bringen, die aus religiösem Fanatismus entstehen können. Dabei klagen die Filmemacher jedoch nicht an, sondern versuchen hinter die Maske des „bösen“ Dschihadisten zu schauen – in Zeiten des allgegenwärtigen IS-Terrors in den Nachrichten ein merkwürdig versöhnlicher Blick, der den Zuschauern jedoch mehr und mehr vertraut wird.

Ein würdiger Abschluss

Sissako schafft es den Dschihadisten wieder ein menschliches Gesicht zu geben, ohne jedoch aus dem Blick zu verlieren, welchen brutalen Terror insbesondere Frauen unter der Herrschaft einer Dschihadisten-Miliz ertragen müssen. Der plötzliche Wechsel zwischen friedlichem Miteinander und brutalen Steinigungsszenen schafft ein beklemmendes Gefühl der Hilflosigkeit, dass sich auf den Zuschauer überträgt. Nicht zuletzt gelingt es dem Film aber zu verdeutlichen, dass es falsch wäre im Angesicht der mittelalterlich anmutenden Rechtsauffassung der Milizionäre von dem Islam zu sprechen. Geschickt in die Geschichte eingeflochten findet sich die Kritik an Terror und Gewalt, die aus der Religion selbst erwächst, welche sich die Dschihadisten als Rechtfertigung für ihre Taten gewählt haben. „Timbuktu“ ist ein sehenswerter, wenn auch teilweise verstörender Film, der einen würdigen Abschluss des Hamburger Filmfestes 2014 darstellt.

Unbequem und politisch

Insgesamt 143 Filme aus 49 Ländern wurden in den zehn Tagen des diesjährigen Filmfestes gezeigt. Dabei hatten die Veranstalter stets das Ziel vor Augen, neben einem unterhaltsamen Programm auch aktuelle gesellschaftliche Konflikte zu bearbeiten. „Timbuktu“ mit seinem schonungslosen Blick auf den Terror ist daher ein passendes Ende für ein Filmfest, das mit dem Eröffnungsfilm „Pride“ den Kampf von Homosexuellen um Gleichberechtigung in den Blick genommen hat. „Das Hamburger Filmfest ist in der Auswahl seiner Filme einfach unbequemer und politischer als München oder Leipzig“, hieß es von der Laudatorin der Friedrich-Ebert-Stiftung bei der Preisvergabe im Rahmen des Abschlussfilms.

Daher ist es umso passender, dass der Preis für den politischen Film, der alljährlich durch die Stiftung verliehen wird, in diesem Jahr an den Film „Children 404“ von Askold Kurov und Pavel Loparev aus Russland ging. In der Begründung der Jury heißt es: „Children 404 konfrontiert uns mit den Fragen nach gesellschaftlicher Norm und nach der Konstruktion so genannter „Randgruppen“. Aber der Film bleibt nicht bei der Dokumentation der Verhältnisse, sondern er zeigt die Möglichkeiten, sich zu befreien, widerständig zu bleiben.“ Im Film wird die wahre Geschichte von Schwulen und Lesben erzählt, die sich gegen die diskriminierende Gesetzgebung in Russland wehren. Bemerkenswert: Die Filmemacher haben ihr Werk gleich nach der Premiere kostenfrei ins Internet gestellt. Auf diesem Weg wollen sie den Kampf des Lesben und Schwulen in Russland für mehr Gleichberechtigung unterstützen und die Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung der Regierung kritisieren.

Ein weiterer der insgesamt acht Preise, die während des Filmfestes vergeben wurden, verdeutlich ebenfalls das Engagement der Filmemachern in aktuellen gesellschaftlichen Debatten mit dem Fokus auf das Schicksal von Flüchtlingen an den Grenzen Europas. Dafür hat der Film „Hope“ von Boris Lojkine den Preis der Hamburger Filmkritik erhalten. Die Nachrichtenmagazine „Der Spiegel“ und „Stern“, die Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Radiosender „NDR 90,3“ vergeben diesen Preis an einen Film, der sich durch einen originellen Blick auf die Gegenwart auszeichnet. Die Jury begründet ihre Entscheidung wie folgt: “Boris Lojkines Spielfilmdebüt spiegelt eindringlich Not und Gewalt im postkolonialen Afrika im Einzeldrama zweier Flüchtlinge. Das Leid der beiden rückt uns auch durch das Spiel der hervorragenden Hauptdarsteller Endurance Newton und Justin Wang beklemmend nah.

Neuer Publikumsrekord

Das Programm wurde von den Zuschauern mit einem neuen Publikumsrekord gewürdigt. Bereits am Sonnabend konnten die Veranstalter vermelden, dass die Besucherzahlen aus dem Vorjahr überschritten waren. Festivalleiter Albert Wiederspiel zeigte sich daher auch sehr zufrieden: „Trotz geradezu sommerlichen Temperaturen war das Hamburger Publikum voll dabei – die vielen ausverkauften Vorstellungen sind der Beweis.“ Im kommenden Jahr will Wiederspiel an diesen Erfolg anknüpfen, hat jedoch zuvor noch einige Hürden zu überwinden. „Wir hoffen, dass sich unsere wackelige Finanzsituation bis zum nächsten Festival mit Hilfe der Freien und Hansestadt Hamburg stabilisieren wird – und so einer weiteren Entwicklung vom Filmfest nichts im Wege steht“, sagt Wiederspiel. Im Sinne eines begeisterten Publikums bleibt zu hoffen, dass den Veranstaltern dies gelingt und das Filmfest auch im nächsten Jahr nichts von seinem gesellschaftskritischen Anspruch verliert.

Foto: Les Films  du Worso

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