Am Samstagnachmittag haben AktivistInnen die ehemalige Gehörlosenschule am Schultzweg im Münzviertel besetzt. Aus dem leerstehenden Gebäude soll ein „kollektives Zentrum“ werden. Die Besetzung dauerte bis zum späten Samstagabend an.
Das am Samstag gegen 15 Uhr 30 besetzte Gebäude steht bereits seit vergangenem Sommer leer. Wiederholt hatte es aus dem Stadtteil Bestrebungen gegeben, das Gelände für den Stadtteil zu nutzen. Bisher lehnen die Behörden eine Zwischennutzung jedoch ab. Hinter der Aktion steht das Netzwerk „Solidarische Raumnahme„. „Wir nehmen uns diesen Raum für kulturelle, soziale und politische Begegnung“, sagen die AktivistInnen in einer offiziellen Stellungnahme zu der Aktion. Viele Flächen und Gebäude, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden, würden in Hamburg leer stehen – währenddessen behindere und verhindere die Politik den Erhalt und die Schaffung kultureller und sozialer Räume. Sich selbst bezeichnen die BesetzerInnen als „Initiativen und Personen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen und dafür Räume brauchen.“
Gespräche über die Belebung und Zwischennutzung leerstehender Gebäude würden immer wieder scheitern: „Wir als selbstorganisierte Stadtteilzentren, Nachbarschaftstreffs, soziokulturelle Einrichtungen, Wagenplätze, kollektive Gärten und Wohnprojekte fordern eine mietfreie und kostenlose Raumnutzung dieser Flächen und Gebäude“, so die AktivistInnen. Im Münzviertel fehlten derzeit vor allem der Stadtteilinitiative, dem Food-Coop Tante Münze, der Fahrradselbsthilfewerkstatt RadKüche und dem Café Exil Räumlichkeiten. Für Kinder und Jugendliche gebe es keinen Spiel- oder Bolzplatz. „Das Viertel ist grau, eng und laut. Es fehlen hier Grünflächen für Freizeitaktivitäten“, erläutern die AktivistInnen die Gründe für die Besetzung des Geländes mit mehreren Gebäuden, einer Turnhalle sowie einem Spielplatz.
Quartiersbeirat fordert Zwischennutzung
Seit Juli 2013 steht die ehemalige Gehörlosenschule leer. Daraufhin erhielt der Investor Hanseatische Baukontor (HBK) den Auftrag, die Möglichkeiten einer mehrgeschossigen Wohnbebauung zu prüfen. Der Quartiersbeirat Münzviertel fordert seitdem, das Schulgelände zur Zwischennutzung für den Stadtteil zur öffnen. Doch bereits im März kritisierte die Stadtteilinitiative Münzviertel, dass dieses Vorhaben durch die Behörden verhindert werde. Die Initiativen sprechen von einem „undurchsichtigen Prozes der Behörden.“ Dabei entstehe der Eindruck, dass der Verwaltungsablauf bewusst verzögert werde. Es sei unverständlich, warum etwa die Nutzung der Sporthalle vom zuständigen Landesbetrieb für Immobilien und Grundvermögen (LIG) nicht genehmigt werde, während der Schulhof als Parkplatz genutzt werde.
Finanzbehörde: Zwischennutzung nicht möglich
Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde, wies diesen Vorwurf bereits im März zurück: „Es handelt sich nicht um einen undurchsichtigen Prozess der Behörden.“ Auf dem Gelände sollen 450 Wohneinheiten auf einer Fläche von 18.500 Quadratmetern entstehen – davon 50 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum, so Stricker. Das Grundstück solle Ende 2014 durch den LIG verkauft werden. Ein Großteil der Außenflächen sei bereits seit September 2013 zur gewerblichen Nutzung vermietet, heißt es aus einer Stellungnahme der Finanzbehörde aus Januar 2014. Dass die Turnhalle bisher nicht genutzt werde liege an einem Legionellenbefall des Trinkwassers. Der Investor führe zusätzlich vorbereitende Maßnahmen zur Realisierung des Wohnungsbaus, wie etwa Kampfmittelsondierungen durch. „Eine weitere temporäre Öffnung des Schulgeländes für Freizeit- und Bewegungsräume ist aus Gründen der Verkehrssicherungsverpflichtung, aber auch anderweitiger mietvertraglicher Verpflichtungen nicht möglich“, so Stricker.
Kollektives Zentrum statt Leerstand
Die AktivistInnen wollen sich mit dem Leerstand nicht abfinden und wollen die Schule nun eigenmächtig für den Stadtteil öffnen. Ziel der Besetzung des alten Schulgeländes am Samstag sei die Entstehung eines „kollektiven Zentrums“ für kulturelle, soziale und politische Begegnung. Bereits am Samstagnachmittag wurden die Räumlichkeiten der alten Schule auf vielfältige Art und Weise von den BesetzerInnen wiederbelebt. Mit einem eigenen Radioprogramm werden die AktivistInnen informiert, überall auf dem Gelände gibt es Radios. Am späten Nachmittag hat eine Vollversammlung der BesetzerInnen stattgefunden.
Die Finanzbehörde habe unterdessen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt, bestätigt die Polizei am frühen Samstagabend. Die Beamten sperrten daraufhin die Eingänge der Schule ab und ließen niemanden mehr auf das Gelände. Die Polizei stellte den BesetzerInnen ein Ultimatum, die Schule zu verlassen. Dieses ließen die AktivistInnen in der Schule jedoch verstreichen. Unter Einsatz von Pfefferspray räumte die Polizei zunächst den Platz vor der besetzten Schule – etwa 80 AktivistInnen hatten sich zu diesem Zeitpunkt dort noch aufgehalten. Gegen 22 Uhr begann die Polizei mit der Räumung des Schulgebäudes. Nach der Aufnahme der Personalien konnten die AktivistInnen das Gelände verlassen. Die Räumung des Schulgeländes dauerte bis 22 Uhr 45 an.
Laut Pressestelle der Polizei sind am Abend 19 an der Besetzung beteiligte Personen festgenommen worden. Dies gehe aus dem Abschlussbericht des Einsatzes hervor. Vor Ort konnten die 19 Personen nach der Aufnahme ihrer Personalien jedoch das Schulgelände verlassen. Festnahmen nach der Räumung kann unser Redakteur nicht bestätigen. Noch während der Räumung am Abend sprach die Pressestelle der Polizei ebenfalls von Personenkontrollen und konnte keine Festnahmen bestätigen.
stefan
12. Juli 2014 at 20:55
„Egoistische Raumnahme“ wäre ein bessere Name für die Besetzer. Hier wird der in Hamburg dringend benötigte Wohnungsbau von Störenfrieden bewusst behindert! Ich hoffe, die Polizei treibt die Hausbesetzer da entgültig raus. Das ist ungeheuerlich.
Markus
12. Juli 2014 at 22:55
@Stefan. Dein Unwissen macht mich ratlos. Komm – geh ein wenig lesen. Das Richtige.
*kopfschüttelnd*
m.
Georg
12. Juli 2014 at 21:28
Verzögerung durch die Verwaltung, Zwischennutzung nicht gewünscht. Leerstand. Von wegen: „dringend benötigter Wohnungsbau behindert“
Pingback: BBesetzung der Schule im Münzviertel (12.07.2014) | Elbmatsch.de
Theresa Jakob
13. Juli 2014 at 06:45
@stefan – es ging und geht um Zwischennutzung – bevor du die Linksradikalenkeule auspackst informier dich erstmal. Nicht nur an diesem Ort verhindert die Stadt die Zwischennutzung.
Was versteht von Mittendrin unter ….unter Einsatz von Pfefferspray…. das gestern war der Einsatz dieses angeblichen Distanzverteidigungsinstrument als Angriffswaffe – Distanz weniger als 50 cm – Dauerstrahl – in eine stehende Menge – das ist kein Einsatz von … sondern massive Polizeigewalt und Rechtsbruch
Wie immer sind Anzeigen gegen derart pfeffernde Beamte erschwert durch die nicht vorhandenen Kenzeichnung
Ich will den Namen NICHT wissen – mir reicht eine Kombi aus Einsatzhundertschaft und Dienstnummer 53/0000 z.b.- Klar erkenntlich um Demonstrierende und Passanten zu schuetzen
Olaf
13. Juli 2014 at 09:28
Das gleiche möchte ich für Demonstranten / Widerständler. Kennzeichnungspflicht, um Anzeigen zu erleichtern. Dann müssten die Polizisten die entsprechenden Personen nicht immer unter Einsatz von „Polizeigewalt“ – unmittelbarem Zwang – aus der Menge abstrahieren und abführen.
harti
13. Juli 2014 at 12:28
Geh doch woanders den Troll spielen. DIe Demonstranten gestern waren absolut friedlich – die Polizei hat wahllos in die Menge geschlagen und Pfefferspray gesprüht, auch die Sambagruppe wurde brutal umgehauen.
Noch schlimmer als Polizeigewalt sind die Leute, die Polizeigewalt verteidigen. So Leerstand uns so findest du geil, was?
Hamburch
13. Juli 2014 at 09:02
Stadt wird offenbar schlauer. Als würde man zwischennutzende Hausbesetzer am Ende so einfach wieder los werden. Wird auch sicherlich wieder wegen dem Pfeffersprayeinsatz geheult – das Recht gebrochen und sich dann aufs Recht berufen. Typisch Linke
eman
13. Juli 2014 at 11:43
Ich frage mich, welches Recht die Leute, die auf der Straße standen und das Spray abbekommen haben, gebrochen haben sollen. Wohl keines – aber das wird Sie in Ihrer Hetze wohl kaum interessieren.
Und um Ihnen nochmal das Prinzip „Rechtsstaat“ zu erklären: dazu gehört, dass dieser seine eigenen Regeln, vulgo Gesetze, nicht bricht. (Denn wer sollte ihn – anders als den einzelnen Bürger – bestrafen können?)
Genau das ist hier allerdings passiert. Das Vorgehen war eine nicht notwendige Einschränkung der Versammlungsfreiheit und damit gesetzlich nicht gedekt. Wie das Vorhaben umgesetzt wurde ebenso: das vorgeschriebene Gebot der Verhältnismäßigkeit beinhaltet, das niederschwelligste Mittel einzusetzen. Ohne Vorwarnung Pfefferspray und Knüppel anzuwenden, war genau das Gegenteil, da ein Schieben der friedlichen Menschen auch ausgereicht hätte. Zudem gilt selbst bei rechtmäßiger Pfeffersprayanwendung, dass dies aus einigen Metern Sicherheitsabstand zu erfolgen hat, genauso wie Knüppelschläge nicht auf den Kopf erfolgen dürfen.
Was Sie da propagieren, ist so himmelweit vom Boden der Verfassung entfernt, dass man sich wundert, wie Sie sich verhalten würden, wenn Ihnen Unrecht geschieht. Vermutlich das steinzeitliche Faustrecht auspacken oder ähnliches…
horst
13. Juli 2014 at 13:54
“ wegen dem Pfeffersprayeinsatz geheult“
der scheiß kann Blind machen(ich habe mein Zivi beim Blindenverband in Dresden gemacht, ich kenne eins der Opfer(jemand der mit 14 Jahren zum Fussball gehen wollte(und nein kein Hool))
Pfefferspray ist nicht umsonst nur eine Verteidigungswaffe(übrigens genau so wie Tonfer und Knüppel)
in eine Menge mit den scheiß reinzusprayen ist einfach gefährlich, da man nie weiß ob da Leute mit kaputter Netzhaut sind oder Asthmatiker(für die kann der Scheiß sogar tödlich enden(gabs in England bereits und spätfolgen sind gerade für Menschen bei denen z.B. die Augen nicht perfekt sind oder eben eh Atemprobleme haben nie auszuschließen)
und die Leute die um das Gebäude herum gestanden haben, haben ihr Demonstrationsrecht wargenommen(das steht zwischen vielen anderen unsinn wie Menschenwürde und son gedöns im Grundgesetz)
Münzimünz
13. Juli 2014 at 14:46
Ich als Anwohner fände es wirklich schön, wenn die Kinder unseres Viertels hier nicht mehr in der Straße oder auf Parkplätzen spielen müssten. Während direkt daneben hinter einem 3-Meter-Zaun ein erstklassiger Spiel- und Bolzplatz verwaist! Grau und laut ist es echt und dass die Stadt den einzigen einigermaßen ruhigen und grünen Ort erst jahreland vor den Menschen abschottet und ihn dann an einen Investor verschachert, ist traurig. Die Politiker und Behördenmenschen sollten sich mal überlegen, ob sie tatsächlich für uns Bürger da sind. Gewalt ist trotzdem keine Lösung.
mohani
14. Juli 2014 at 10:31
Ich wohne im Münzviertel und habe am Rande die ewigen Diskussionen mitbekommen, die dort mit der LIG und sonstigen Behörden stattgefunden haben. Ein ewiges Hin und Her und Hingehalte. So wie ich das mitbekommen habe wurde so ziemlich alles versucht, über einen legitimen Weg eine Einigung zu erreichen. Da finde ich es schon nachvollziehbar, wenn man irgendwann mal die Nase voll hat. Es ist ja schließlich auch ein öffentliches Gebäude der Stadt und kein Eigentum von irgendwem. Es sollte damit auch für jedermann zur Verfügung stehen.
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