Am Donnerstag sollen die Hamburger Schulen für einen Tag bestreikt werden, um gegen die Flüchtlingspolitik des Senats zu demonstrieren – für die einen eine Lehrstunde in Demokratie, für andere ein Verstoß gegen die politische Neutralität der Schule.
Wenn Politikunterricht praktisch wird: Am Donnerstag wird ein Bündnis aus SchülerInnen von über 30 Schulen für einen Schulstreik die Bücher wegpacken und gegen die Flüchtlingspolitik des Senats demonstrieren. Um zehn Uhr wollen sich die Jugendlichen auf dem Hachmannplatz versammeln und zusammen mit Auszubildenden und Studierenden durch die Innenstadt ziehen. Das Bündnis fordert nicht nur ein Bleiberecht aus humanitären Gründen für die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“. Auch der sofortige Stopp aller Abschiebungen sowie der freie Zugang zu Bildung, Ausbildung und Arbeit unabhängig vom Aufenthaltsstatus und die Abschaffung der Residenzpflicht, gehören zum Forderungskatalog des Schulstreiks. „Während vor Lampedusas Küste tausende Menschen sterben, werden in Hamburg statt Fluchtursachen wie Rüstungsexporte und Kriegseinsätze die Flüchtlinge bekämpft“, sagt Leonie Meliones, Schülerin und Mitorganisatorin der Aktion.
Es ist nicht das erste Mal, dass SchülerInnen sich aktiv in die Politik einmischen: Bereits im vergangenen Jahr hatten Proteste aus dem schulischen Umfeld die Abschiebung der Familie Cruz verhindert. Nach Angaben des Bündnisses ist es in Hamburg keine Ausnahme, dass Minderjährigen ein Bleiberecht verwehrt wird. Das Engagement der SchülerInnen wird von der Lehrergewerkschaft GEW unterstützt: „Wir freuen uns, dass sich die Schülerinnen und Schüler hier engagieren. Die Notwendigkeit, Menschen in Not zu unterstützen, die Flüchtlingsrechte zu stärken sowie, die Asylgesetze zu ändern, zeigt sich nach den jüngsten Flüchtlings-Katastrophen an den EU-Außengrenzen umso mehr“, sagt Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der GEW Hamburg.
Die Junge Union Hamburg kritisiert die Unterstützung des Schulstreiks durch die Gewerkschaft: Die Schule und die LehrerInnen hätten politische Neutralität zu wahren und die Anwesenheitspflicht der SchülerInnen durchzusetzen. „Wir fordern die GEW Hamburg auf, ihren Beschluss umgehend zu revidieren und die SchülerInnen aufzurufen, die geplante Demonstration auf einen unterrichtsfreien Zeitpunkt zu verschieben“, sagt der JU-Landesvorsitzende Carsten Ovens. Die Junge Union fordert weiterhin den Senat auf, die Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ einem Verfahren mit einer aufenthaltsrechtlichen Einzelfallprüfung zuzuführen.
Andere Jugendverbände unterstützen sowohl die Forderungen nach einem Bleiberecht aus humanitären Gründen, als auch den Schulstreik an sich. „Hier wird Demokratie gelebt“, sagt Janina Abts, Sprecherin der Grünen Jugend Hamburg. „Wir freuen uns daher über die Initiative der Hamburger SchülerInnen. Was für ein starkes Zeichen so ein Schulstreik setzen kann, haben wir im Oktober in Frankreich und im letzten Jahr in Hamburg gesehen, als demonstrierende SchülerInnen die Abschiebung einer Mitschülerin verhinderten“, so Abts weiter.
Die Linksjugend betont, dass es sich nicht allein um eine Demonstration für die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ handele. Stattdessen zeigen sich die streikenden SchülerInnen und ihren UnterstützerInnen solidarisch mit allen Menschen, die einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben. Der Streik selbst sei ein weiteres Zeichen dafür, dass der Senat seine Flüchtlingspolitik ändern müsse. „Der Senat ist nach der größten Demonstration seit der Anti-Atomkraft-Bewegung keinen Schritt auf die Gruppe ‚Lampedusa in Hamburg‘ zugegangen. Wir halten es dementsprechend für vollkommen legitim, wenn SchülerInnen die gewöhnliche Schulroutine außer Kraft setzen und an einem Tag streiken gehen um den Druck auf den Senat weiter aufrechtzuerhalten“, teilt die Linksjugend auf Anfrage von Mittendrin mit.
Die Jugendverbände der SPD und FDP haben sich bisher nicht zu den Forderungen der SchülerInnen geäußert.
Titelbild: Demonstration für ein Bleiberecht der Familie Cruz im Dezember 2012 (Foto: Jonas Walzberg)
r
9. Dezember 2013 at 17:30
Die Überschrift stellt die falsche Frage. Sie müsste „wie politisch dürfen Schüler sein?“ lauten. Denn gerade die Schule findet ja nicht statt bzw. der Streik kommt aus den Reihen der Schüler.
Insofern die Antwort: volle Rückendeckung für die Jungdemokraten. Gerne öfters und weiter so.
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