Kollektives Zentrum: „Ein Angriff auf alle selbstverwalteten Zentren“

Politik
Henry Lührs
@henrycalrs

E-Mail: luehrs@hh-mittendrin.de

Während die Stadt den Polizeieinsatz am „KoZe“ am Mittwoch mit dem Absichern von Bauarbeiten begründet, fürchten Aktivisten eine Räumung des selbstverwalteten Kulturzentrums. Auch in der Bürgerschaft sorgt der Umgang mit dem Zentrum am Donnerstag für Diskussionen. 

Ein großes Polizeiaufgebot am Kollektiven Zentrum, dem sogenannten „KoZe“, sorgte am Mittwochmorgen für Aufruhr. Offiziell sollten die Beamten die Bauarbeiten am KoZe zu sichern. Unter den Aktivisten in dem selbstverwalteten Zentrum ist man sich hingegen sicher, dass dies schon ein Anfang der geplanten Räumung ist. Die leerstehende Schule soll zu einem Teil abgerissen werden und Mikroappartements sollen entstehen.

Mit den Bauarbeiten wurde unter Polizeischutz unmittelbar begonnen. Bäume wurden gefällt, sowie alles andere, was Aktivisten in der letzten Zeit und über den Sommer aufgebaut und angepflanzt hatten, abgerissen und entsorgt.

Zentrum auf Zeit

„Wir haben immer gesagt, dass wir nach der Schadstoffsanierung mit dem Abriss beginnen werden. Dafür benötigen wir den gesamten Hof“, sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Die ehemalige KiTa, die den Kern des Zentrums ausmacht, sei nicht angerührt worden. Die Aktivisten teilen jedoch mit, dass auch der vom KoZe angemieteter Hof komplett abgesperrt sei. Der Zaun, der das Zentrum von den Bauarbeiten ausschließt, steht nun wenige Meter von der Hauswand entfernt.

Im Kollektiven Zentrum treffen sich Jugendliche um gemeinsam Sport zu treiben, Freunde zum Kochen und gemeinsamen Abhängen, Aktivisten zum Planen von Aktionen oder sozialen Projekten und viele Kinder im Viertel haben den Schulhof zum Spielen und Klettern benutzt. Der Vorwurf der KoZe-Aktivisten an Polizei und Stadt: Es wurden nicht nur Bäume, Vorrichtungen und der Boden des Hofes ausgerissen, sondern auch der letzte in dem Viertel existierende Spielplatz.

„Ein schlechter Treppenwitz“

Sechs bis acht Wochen sollen die ersten Abrissarbeiten dauern. Die Stadt möchte auf dem Gelände Container für das Winternotprogramm bereitstellen, in denen 400 Schlafplätze beherbergt werden sollen. Für Begeisterung sorgte diese Nachricht allerdings weder unter den KoZe-Aktivisten, welche sich in ihrem Zentrum ebenfalls gegen Wohnungsnot, Obdachlosigkeit und für Flüchtlinge engagieren, noch bei anderen Initiativen. Das KoZe ist mittlerweile zum festen Bestandteil des Viertels und ein geschätztes Kulturzentrum der linken Szene geworden.

Dass nach Abriss des ehemaligen Schulgebäudes ein Teil des Winternotprogramms für Wohnungslose dort installiert werden soll, nennen die Aktivisten in einer Stellungnahme „nicht mehr als einen schlechten Treppenwitz“. Sie werfen der Finanzbehörde vor, zu versuchen, Wohnungslose und Aktivisten gegeneinander auszuspielen.

Solidarität für das Kollektive Zentrum

Nicht lange dauerte es am Mittwoch, bis sich die Nachricht über diverse Medien und soziale Netzwerke verbreitet hatte. Über alle Kanäle riefen die KoZe-Besetzer zu einer spontanen Demonstration am selben Abend auf, um ihren Unmut und ihre Wut und Empörung auf die Straße zu tragen. Die Reaktionen auf diesen unangekündigten Polizeieinsatz fielen unterschiedlich aus. Gegenüber des KoZe hingen Nachbarn ein riesiges Banner auf, um sich zu solidarisieren. Der errichtete Holzzaun wurde in kurzer Zeit mit Bannern behängt. Und wenn man von der Baustelle auf das Zentrum blickt, sieht man ein riesiges Transparent mit der Aufschrift: „ Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“, an der Hausfassade prangen.

Bis zu 1.000 Menschen versammelten sich laut Veranstalter in den Abendstunden, um gemeinsam vom Kollektiven Zentrum bis zum Millerntorplatz zu demonstrieren. Viele haben Banner, Fahnen und Schilder mitgebracht auf denen zum Beispiel „KoZe bleibt unerzogen“ oder auch „Unsere KoZe gegen eure Scheiße“ stand. „Kein Tag ohne Kollektives Zentrum“ war der Dauerruf der Demonstranten.

„Das ist ein Angriff auf alle Leute, die Lust haben anders zu leben“ ruft eine Aktivistin vom Lautsprecherwagen. Viele Initiativen, Projekte und Gruppen teilten diese Empörung der Aktivisten und leiteten ihren Aufruf weiter. So kam eine bunte Menge an Menschen zusammen, die ihren Protest lautstark durch die Innenstadt bis nach St. Pauli trugen. Vor dem Bürogebäude des Investors HBK am Gänsemarkt kam es zu einer Kundgebung. Die Stadt hat das 8.500 Quadratmeter große Grundstück an den Investor verkauft, der dort 400 Wohnungen bauen will. Die Stimmung war aufgeheizt, es blieb aber friedlich.

Von der Straße in die Bürgerschaft

Die Fraktion der Linken hat den Senat in der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am Donnerstag aufgefordert, im Konflikt um das Kollektive Zentrum zu deeskalieren. Die Polizei solle zu einer „zivilgesellschaftlich tragbaren Verkehrsform“ zurückkehren. „Kommen Sie runter von ihrem absolutistischen Ross und nehmen sie endlich das Gespräch auf“ rief Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin, dem Finanzsenator Peter Tschentscher zu. Sie verweist darüber hinaus auf die legitimen Interessen der Bewohner des Münzviertels. Dass die Finanzbehörde das Gespräch verweigere und mit polizeilichen Mitteln so hart nach dem „Basta-Prinzip“ durchgreife, bezeichnet Schneider als undemokratisch.

Auch die Fraktion die Grünen äußerten sich solidarisch. Wenn schon ein Abriss stattfindet, dann solle es immerhin Räumlichkeiten für das Kollektive Zentrum im neuen Gebäude geben. Ganz anders die CDU: Die Zwischennutzung zu gestatten sei von Anfang an ein Fehler gewesen. „Diese Blauäugigkeit, diese Realitätsferne ist ja nur noch davon zu übertreffen, dass sich genau in diesem Bereich des ‚KoZe‘ eine zweite Rote Flora etabliert“, sagt Joachim Lenders (CDU).

Auch dies widerspricht jedoch ganz grundsätzlich den Vorstellungen der Aktivisten. Diese möchten einen Abriss mit allen Mitteln verhindern und das intakte Gebäude erhalten. Den geplanten Mikroappartements wolle man sich mit allen Mitteln in den Weg stellen. Stadtteilinitiativen aus dem Münzviertel würden schon seit vielen Jahren fordern, dass im Viertel alternative Projekte anstelle von Hotels und Bürokomplexen mehr Platz bekommen sollen, gibt das KoZe auf seiner Website bekannt. „Wer das KoZe angreift, greift alle selbstverwalteten Zentren und Strukturen in Hamburg und darüber hinaus an!“ heißt es dort weiter.

Fotos: Henry Lührs
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