Über vier Monate wurden in der PlanBude Ideen für das Essohäuser-Areal gesammelt. Am Samstag wurden bei einer Stadtteilkonferenz die ersten Tendenzen vorgestellt. Fazit: Hier soll St. Pauli im Mikroformat entstehen.
Monatelang wurde in der PlanBude am Spielbudenplatz gezeichnet, geknetet und gebaut. Auch in Fragebögen konnten die Bewohner St. Paulis festhalten, welche Wünsche und Ideen sie für den ehemaligen Platz der Esso-Häuser haben. Dabei sind mehr als 2000 Beiträge zusammen gekommen, die klare Vorstellungen und Forderungen, aber auch Utopien für das Viertel widerspiegeln. Drei Wochen hatte das Team der PlanBude bisher Zeit, die Vorschläge auszuwerten. Auf der Stadtteilkonferenz in der Stadtteilschule am Hafen wurden am Samstag die ersten Tendenzen vorgestellt.
Schmuddeliger Glamour statt Hochglanz
Als vor mehr als viereinhalb Monaten der Beteiligungsprozess mit der PlanBude begann, setzte sich das Team ein klares Ziel: Den St. Pauli Code knacken. In zahlreichen Veranstaltungen, Workshops und Haustürgesprächen sollte ein möglichst vielfältiges Bild davon entstehen, was sich die Bewohner des Stadtteils für das Grundstück am Spielbudenplatz wünschen.
Die Ergebnisse lassen sich bereits auf einige ganz grundsätzliche Forderungen zusammenfassen: Vielfalt statt Homogenität, günstig statt teuer, alt vor neu. Statt Hochglanzfassaden sollen schmuddeliger Glamour, persönlich geprägtes und Subkultur im Vordergrund stehen. Bei der Gestaltung des Platzes sind den Bewohnern Toleranz und Raum für alles gebe, was von der Norm abweicht, wichtig – ein St. Pauli im Mikroformat eben.
Dabei wissen die St. Paulianer genau, was sie nicht wollen: Hotelketten, Glasfassaden, Musicalhäuser. Zum Nachhören gibt es hier den „No go“-Rap für St. Pauli:
„Bei der Tanke du und ich“
52 Prozent der befragten Bewohner des Viertels wünschen sich mehr bezahlbaren Wohnraum. „Und der soll vor allem für die zur Verfügung stehen, die zu St. Pauli passen und den Stadtteil ausmachen“, sagt Christina Röthig von der PlanBude. Familienfreundlich, barrierefrei und offen für marginalisierte Gruppen sollen die Wohnungen sein. Dabei steht der auch Wunsch nach gemeinschaftlichem Wohnen mit Treffpunkten und Gemeinschaftsräumen im Fokus. „Viele ältere Menschen auf St. Pauli können sich ihre Wohnungen nicht mehr allein leisten und wohnen nun notgedrungen in WGs“, erklärt Margit Czenki. Doch während viele Ältere ihr Zimmer und Bad gern für sich hätten, wären sie durchaus aufgeschlossen sich die Gemeinschaftsräume zu teilen.
Gerade der Aspekt der Gemeinschaft und Nachbarschaft taucht immer wieder in den Statements auf, die die Anwohner bei der PlanBude hinterlassen haben. „Ich liebe mein Dörfli St.Pauli und habe Angst dass die nette Nachbarschaft zerbricht, weil die Mieten zu hoch sind“, heißt es dort beispielsweise. Als Begegnungsräume halten viele Orte wie Fahrradwerkstatt, Cafeteria, Waschküche und Sonnendach für denkbar. Viel diskutiert wird auch ein möglicher Ersatz für den Treffpunkt Esso-Tankstelle. Besonders wichtig bei der Gestaltung der Ecke, an der ehemals die Tankstelle stand, ist vielen ein großes Vordach, unter dem man auch bei Wind und Wetter Klönschnack halten kann.
Kleine Nischen, große Unterschiede
Der Dorfplatz des Viertels ist nicht das einzige Element aus dem früheren Bau, das in den Zeichnungen immer wieder auftaucht. Auch Molotow und Planet Pauli finden dort immer wieder ihren Weg zurück in die Ladenzeile. Die soll wie der gesamte Bau für die meisten vor allem kleinteilig und verschachtelt sein, um genügend Raum für Vielfalt zu schaffen.
Kinder und Jugendlichen wünschen sich hingegen einen eigenen Ort, eine Art Jugendpassage, in der sie sich auch noch bis 22 Uhr abseits der Erwachsenenwelt im Viertel aufhalten können. Ein weiterer Wunsch, der immer in den Vorschlägen auftaucht, ist ein Kino.
Wohnungen für Flüchtlinge reservieren
Vielfalt statt Einfalt – dieses Motto soll auch für die Gewerbe- und Freizeitangebote auf dem Grundstück gelten. Dabei werden an die Entwicklung besondere Anforderungen gestellt: „Auf dem Esso-Areal müsse mit einem „Heterogenisierungsmultiplikator“ der „Eigentumisierung“ des Stadtteils entgegengetreten werden“, liest Christina Röthig aus den ausgewerteten Kommentaren vor. Ein große Rolle spielt auch der soziale Aspekt. „Immer wieder taucht die Forderung auf, in einem Neubau 20 Prozent der Wohnungen für Flüchtlinge zu reservieren“, sagt Röthig. Auch habe es eine „unglaubliche Zahl“ an gezeichneten Obdachlosenhotels gegeben.
Auch über die Gestaltung der Dächer haben die St. Paulianer nachgedacht und die Ideen in Zeichnungen und Modellen festgehalten. Vom ‚Park Fiction 2‘ bis hin zu Dächern mit unterschiedlichen Funktionen und Spiellandschaften. „Ganz klar wird dabei, die Dächer müssen leben“, sagt Christoph Schäfer von der PlanBude.
Wie geht es weiter?
Gemeinsam mit dem PlanBude Team hat Schäfer nun Zeit bis zum 11. April, um die Ideen aus dem Beteiligungsprozess konkreter zusammenzufassen. Dann sollen die Wünsche für das Areal in einer erneuten Stadtteilkonferenz konkretisiert und im Anschluss mit dem Bezirk und dem Investor, der Bayerischen Hausbau, diskutiert und verhandelt werden. Die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses soll die Grundlage für den Architektenwettbewerb sein, der vor den Sommerferien starten soll. Ende des Jahres sollen die Ergebnisse des Wettbewerbs vorliegen und damit auch eine deutlichere Vorstellung davon, was auf dem zentralen Gelände entstehen soll.
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