Jahrelang haben Bewohner für den Erhalt der Wohnanlage „Am Elisabethgehölz“ in Hamm gekämpft – vergebens. Am Dienstag hat die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft mit dem Abriss begonnen. Ehemalige Mieter und Unterstützer trauern um um „Elisa“.
„Das sieht aus wie nach dem Krieg“, sagt Winfried Prehn. Er muss schlucken. Seine Augen sind auf eine Wohnanlage gerichtet. „Elisa“ wird der Backsteinbau in Hamm von seinen Bewohnern liebevoll genannt. Auch Winfried Prehn hat hier gewohnt, „Elisa“ war sein Zuhause. War, denn nun klafft in dem Bau aus den 1920er Jahren ein großes Loch. Ausgeschlagene Backsteine und kiloweise Schutt sind über den ehemaligen Innenhof verteilt. Mittendrin der Übeltäter – ein großer, grüner Bagger. Die Schaufel des schweren Geräts hat am Dienstag tiefe Furchen in die Wohnanlage gerissen – und damit auch die letzte Hoffnung der ehemaligen Bewohner und Unterstützer auf einen Erhalt zunichte gemacht.
Ein Trauermarsch um „Elisa“
Viele von ihnen versammeln sich am frühen Dienstagabend Am Elisabethgehölz. Nicht nur ehemalige Bewohner und Nachbarn sind gekommen, sondern auch viele, die einen ähnlichen Kampf wie die Initiative „Rettet Elisa“ hinter sich haben – beispielsweise Aktivisten, die sich für einen Erhalt der Essohäuser auf St. Pauli eingesetzt haben. Unter den Augen von Polizeibeamten und den Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, die für die VHW die Baustelle bewacht, dürfen die Unterstüzer „Elisa“ umrunden. Vor dem Bauzaun herrscht betretenes Schweigen. Zuletzt wollte ein Mäzen das Gebäude kaufen und erhalten. Zu spät für „Elisa“, fürchtet auch Corinna Gülzow. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ein halb abgerissenes Gebäude für den Käufer noch infrage kommt“, sagt sie. Gemeinsam mit der Initiative hat sich Gülzow für einen Erhalt der Wohnanlage aus der Schumacher-Zeit eingesetzt. Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) hat trotz aller Bemühungen am Dienstag mit dem Abriss des unbewohnten Gebäudeteils begonnen.
Schon lange hatte sich angekündigt, dass die Genossenschaft keine Alternativen mehr diskutieren wird. Dennoch sind die verbliebenen Bewohner von den ersten Abrissarbeiten tief getroffen. Eine von ihnen ist Janina Hegemeister. Die Trauergesellschaft darf aus ihrem Küchenfenster einen Blick auf die aufgerissene Fassade des Backsteinbaus werfen, die „Puppenstube“, wie Winfried Prehn es nennt.
Gekämpft und doch verloren
Keiner hatte damit gerechnet, dass die Genossenschaft direkt ein so großes Loch in die Fassade von „Elisa“ reißt. „Ich habe mich richtig erschrocken als der Bagger angerückt ist“, sagt Hegemeister. 15 Jahre hat sie hier gelebt, viel an ihrer Wohnung in eigener Arbeit renoviert – nun muss auch sie in eine Ersatzwohnung ziehen. Sie berichtet von dem langen Kampf um „Elisa“, den sie gemeinsam mit ihren Nachbarn hinter sich hat. Ein kräftezehrender Kampf, weshalb viele früher oder später nachgegeben haben und ausgezogen sind. Nur wenige haben es bis auf die Räumungsklage angekommen lassen. „Viele Freundschaften sind daran zebrochen“, sagt Hegemeister. Nicht jeder habe den Weg ganz bis zum Ende gehen wollen. „Wir sind keine Blockierer“, sagt Corinna Gülzow. Es ist ihr sehr wichtig, dass am Ende noch einmal zu betonen. „Es ist war unser Recht, den juristischen Weg durch alle Instanzen zu gehen“, sagt sie.
Mit ihren Handys und Digitalkameras versuchen die Anwesenden ein paar letzte Eindrücke festzuhalten. Die Aussicht auf den Innenhof ist fast ein wenig gespenstisch. „Als hätte hier nie jemand gewohnt“, sagt Prehn. Bei genauerem Hinsehen sind jedoch nicht nur Schutt und Backsteine über den Hof verteilt, sondern auch die Habseligkeiten ehemaliger Bewohner: Ein Bügeleisen, Blumentöpfe, Gartenutensilien. Ein schrilles Piepen hallt über den Hof in die Wohnung von Janina Hegemeister. Wahrscheinlich ein Rauchmelder in einer verlassenen Wohnung. Ein Polizist will dem Piepen nachgehen. Dass er wirklich etwas findet, glaubt er nicht.
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