Unsere Redakteure sind im Hamburger Osten unterwegs und schauen sich vor Ort gemeinsam mit Bewohnern der Stadtteile an, was der geplante “Sprung nach Osten” des Senats für die verschiedenen Quartiere bringen könnte.
Die Stadt entdeckt den Osten Hamburgs als Entwicklungsraum. Was sind die Planungen für die einzelnen Stadtteile? Welche Chancen und Risiken entstehen? Was fehlt noch? Heute: Billbrook und der Tiefstackkanal
Industrie, Wohnen und Tradition
Wer an Billbrook denkt, der denkt an Industrie: Viele große Firmen haben hier ihre Niederlassungen. Die Still GmbH produziert hier Gabelstapler, Thyssen-Krupp hat ein Fahrtreppenwerk und auch Fritz-Kola hat in Billbrook seine Zentrale. Der Stadtteil ist aber auch Heimat für 1.452 Menschen, die vor allem im Nordosten und Osten wohnen. Billbrook heißt auch Tradition und Denkmäler der Industriekultur. Alte Polizeiwache, das Kaiserliche Postamt und das Alte Metallwalzwerk nahe der Gelben Brücke sind Beispiele für diese kaum wahrgenommene Tradition und Kultur. Die Kanäle und die Bille selbst prägen diesen Stadtteil. Wo einst die Transportschiffe die Kanäle beherrschten, so wird ihr Potenzial heute kaum noch genutzt. Der Tiefstackkanal zwischen den Stadtteilen Billbrook und Rothenburgsort wird ebenfalls durch die Industrie geprägt. Der Verkehrsübungsplatz und das gleichnamige Kraftwerk bestimmen dieses Areal, das als „Ort für produktive Welten“ für die Zukunft fit gemacht werden soll.
„Die Industrie von morgen“
Billbrook ist, nach dem Hafen, die größte Industriefläche Hamburgs. Hier soll die „Industrie von morgen“ entstehen und der Stadtteil „ein Magnet für die Industrieansiedlung werden“, so die Pläne des Senats. Gleichzeitig sollen bereits ansässige Unternehmen gesichert werden. Dies möchte man mit einer Aufwertung des Industriegebietes erreichen. An den Eingängen nach Billbrook, den Kanalköpfen und den Straßenräumen sollen „prägende Architekturen“ entstehen und als sogenannte „Industrieboulevards“ entwickelt werden. So soll im Gebiet „zukunftsorientierte Industrie sichtbar und global vermarktbar“ gemacht werden, wie es im Programm heißt. „Dabei sollten auch Altbauten als prägende Architekturen berücksichtigt werden“, sagt Hildegard Jürgens, SPD-Bürgerschaftsabgeordnete aus Billstedt. Die „Industrie von morgen“ lässt sich zwar schwer vorhersagen, aber vor allem die Themen Innovation, Ressourcenschutz und Mobilität werden als wichtig erachtet. Hier greift auch der Wunsch den Standort effizient zu nutzen. „Die effiziente Nutzung der Flächen ist positiv zu bewerten, da in Billbrook viele ungenutzte Brachflächen vorhanden sind“, berichtet Jürgens. „Jedoch müssen trotz der gewünschten effizienteren Nutzung historische Kulturdenkmäler, wie das alte Metallwalzwerk, gerettet und die Geschichte für die Bevölkerung erhalten bleiben“, so Jürgens weiter.
„Die historischen Kulturgüter sollten für temporäre Einrichtungen wie praxisnahe Nutzungen der Universitäten genutzt werden“, ergänzt Rolf Kellner, Geschäftsführer des Stadtentwicklungsunternehmens über Normal Null. „Die Profilierung des Industriestandortes Billbrook wird erst in einem Jahrzehnt erfolgen. Jedoch müssen schon jetzt Maßnahmen ergriffen werden“, so Kellner weiter. Das sei kein Pioniertum, wie es Billbrook eigentlich bräuchte. Hamburg müsse mehr Mut zur Improvisation zeigen.
An den zahlreichen Kanäle, die nicht mehr genutzt werden, soll die „öffentliche Nutzung der Wasserlagen das Industriegebiet als Stadtraum erlebbar“ machen, plant der Senat. „Auch hier kann man mutiger sein und die Kanäle und andere Flächen in Billbrook für den Breitensport öffnen.“, regt Kellner an. Des Weiteren solle besonders die Altlastensanierung wichtig werden, da manche Betriebe in der Vergangenheit es mit dem Umweltschutz nicht ganz so ernst genommen hätten.
„Der Ort für produktive Welten“
Das Gebiet des Tiefstackkanals ist ein kleines Areal, auf dem sich vor allem der Verkehrsübungsplatz befindet. Dieser soll auf die Fläche des Altspülfeldes Billstedt verlagert werden. „Das Altspülfeld sollte, genau wie die die Flächen in Billbrook, saniert werden, bevor das Altspülfeld einer anderen Nutzung zugeführt wird“, sagt Jürgens.Nach der Verlegung soll dann Platz für einen „Ort für produktive Welten“ entstehen. Von diesem Standort gehe dann eine „Signalwirkung für innovative Unternehmen aus, die Produktionsmöglichkeiten in Stadtnähe suchen“, so das Programm des Senats. „Das sind gute Ansätze, aber es müssen auch Verbindungen zwischen diesen ‘Oasen‘ geschaffen werden, um für Entdecker aus Hamburg und Außerhalb die Erkundung des Gebietes zu ermöglichen“, sagt Kellner.
Stromaufwärts an Elbe und Bille: Billstedt
Stromaufwärts an Elbe und Bille: Hamm
Reaktionen auf den „Sprung nach Osten“
Sozialverband warnt vor Gentrifizierung
Bild: BSU
Michael
9. August 2014 at 21:47
auch zu der Äußerung der Handelskammer (wer auch immer sich geäußert hat) in den Reaktionen auf den Sprung nach Osten.
Es mag ja sein, das Billbrook ein wichtiger Industriestandort ist, es gibt aber auch Menschen, die direkt durch diesen Standort belastet sind. Wir hier in der Steubensiedlung z. B.
Ich fange mal an: Altlasten durch Boehringer und andere Chemieunternehmen und die Müllverbrennungsanlage haben dafür gesorgt, dass wir Blei,Cadmium etc im Blut haben. Wir haben hier den Schwerlastverkehr, der unsere Häuser erschüttern lässt. Alles was geplant wird (Stadtentwicklungsbehörde), wird immer so geplant, das ja nicht die Anwohner geschützt werden. Man hätte schon längst den Ring 2 in einen Tunnel legen müssen, Thyssen Krupp hätte eine direkte Zufahrt auf die B 5 haben müssen. Sämtliche Schwertransporte, LKW von Speditionen, alle LKW die zum Güterumschlagbahnhof wollen fahren, wenn nicht über die A1 durch unser Wohngebiet. Anstatt eines Industrieboulevards sollte man die Horner Rampe in einen Tunnel verlegen, von mir aus kann der ja in Billbrook wieder ans Tageslicht kommen (vor dem Hotel Böttcherhof). Die Zufahrt zur A1 sollte nicht mehr über die Horner Rampe erfolgen, diese könnte auch in einen Tunnel verlegt werden und oben drauf ein Park errichtet werden. an der A7 und in Billstedt an der B5 soll das ja auch machbar sein. Wir haben jetzt fast 60 Jahre diesen Ring 2 ertragen müssen, vielleicht werden die Anwohner jetzt auch endlich mal gehört und von Lärm und Dreck geschützt.
Die Handelskammer Stellt sich übrigens mit Ihren Äusserungen jetzt schon seid 30/40 Jahren gegen die Einwohner der Stadt Hamburg,, so Bald es darum geht z. B. den Schwerlastverkehr innerhalb der Stadt einzudämmen. Horn, Hamm, Billstedt, Rothenburgsort sind sehr große Wohngebiete, die aber ein Problem haben, Sie liegen zu dicht am Industriegebiet. Aber warum sollen eigentlich die alt eingesessenen Anwohner immer Leiden, wenn die Handelskammer pieps sagt.
Bisher wurde hier nicht dafür gesorgt, das es einen vernünftigen ÖPNV gibt, dass am Ring 2 auch aktiver Lärmschutz erfolgt, dass es einen Billewanderweg gibt. Auch dass die Moorfleeter Straße aufgewertet werden soll (Industrieboulevard) und die Horner Rampe nicht, zeugt doch auch schon wieder davon, das weder die Handelskammer geschweige denn der Hamburger Senat auch nur irgend etwas tun möchte, dass die Bewohnern der Horner Rampe mal ruhiger schlafen können.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Lemke
Anwohner