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SchülerInnenforum: Forderungen für neue Flüchtlingspolitik

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Tobias Johanning
@tobiasjohanning

Redakteur | E-Mail: johanning@hh-mittendrin.de

„Kein Mensch ist illegal!?“ unter diesem Motto diskutieren Hamburger SchülerInnen das Thema Flüchtlingspolitik beim 30. SchülerInnenforum – dabei finden sie ihre ganz eigenen Lösungsansätze für die Flüchtlingsproblematik.

Am Montagmorgen qualmten beim 30. SchülerInnenforum die Köpfe von etwa 100 SchülerInnen: Es wurde eifrig diskutiert und zwar nicht in der Schule. Die Hamburger schülerInnenkammer hatte alle interessierten SchülerInnen eingeladen, an Workshops zum Thema Flüchtlingspolitik mitzumachen. Dem folgten vor allem Jugendliche ab der achten Klasse. Mina Zulal, stellvertretende Landesvorsitzende der schülerInnenkammer hamburg, war froh über die vielen TeilnehmerInnen von verschiedenen Schulen: „Wir haben hier Jugendliche von Stadtteilschulen, Gymnasien und Berufsschulen. Ich finde das toll, wie alle zusammenarbeiten und mit den anderen Schulen Ideen austauschen“. Das Forum bot die drei Workshops „NATO-Krieg und Ausbeutung – Sind wir Schuld an der Situation der Flüchtlinge?“, „Flüchtlinge unter uns – Hamburger SchülerInnen mit ungewisser Zukunft“ und „Lampedusa in Hamburg – Wie geht es weiter?“ an. Geleitet wurden diese Workshops nicht von Erwachsenen, sondern von engagierten SchülerInnen, die für den Einsatz als Gruppenleiter vom Projekt „SchülerInnen-Schule-Mitbestimmung“ geschult wurden.

NATO-Krieg und Ausbeutung – Sind wir Schuld an der Situation der Flüchtlinge?

Etwa 20 SchülerInnen saßen in der Aula des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung, wo das Forum stattfand. Diskutiert wurde, warum Flüchtlinge aus ihren Heimatländern überhaupt fliehen müssen. Die Gruppenleiter Hannah und Bosse verteilten an jeden Teilnehmer kleine Karten, auf die man diese Stichworte schreiben sollte. Am Ende wurden sie an eine Pinnwand geheftet, wo sich ein großer Haufen an Kärtchen um das Stichwort Krieg ansammelte. Aber auch Verfolgung und Armut wurden häufig genannt. „Wir haben als erstes einige grundlegende Fakten geklärt, damit die SchülerInnen in das Thema reinkommen. Zum Beispiel haben wir die Unterscheidung von Flüchtlingen und Migranten durchgenommen und was das Asylrecht aussagt“, erzählt Hannah. Schon in dieser Phase wollten die Jugendlichen so viel wissen, sodass ein Hauptthema des Workshops, die NATO, nur noch am Rande behandelt wurde.

Flüchtlinge unter uns – Hamburger SchülerInnen mit ungewisser Zukunft

Die 19-jährige Fabiola Cruz sollte vor etwa einem Jahr abgeschoben werden, nur dank des Engagements ihrer KlassenkameradInnen konnte sie in Hamburg bleiben. Solche und ähnliche Fälle gab es einige in Hamburg in den letzen Jahren. Deswegen wurde in diesem Workshop ganz pragmatisch daran gearbeitet, wie man zukünftig als SchülerIn bei diesen Härtefällen vorgehen könnte. So planten die SchülerInnen eine fiktive Demonstration gegen eine Abschiebung. Es wurde auch über die Frage diskutiert, was am Asylrecht unbedingt geändert werden sollte. Dabei waren viele der Meinung, dass besonders Familien bevorzugt behandelt werden müssten, genauso vielen fanden aber eine Gleichberechtigung der Asylsuchenden wichtig.

Lampedusa in Hamburg – Wie geht es weiter?

Der Sprecher der Lampedusaflüchtlinge Friday Emitola besuchte den Workshop, um sich den Fragen der SchülerInnen zu stellen – und die waren  zahlreich. Von einfachen Fragen wie „Warum bist du geflohen?“, „Wo kommst du her? oder „Bist du mit dem Boot geflohen?“ ging es bis zu „Wie funktioniert Asyl? oder „Was bringen eure Demonstrationen überhaupt?“ Friday beantwortete alles sehr schnell und einfach erklärt. Auch die Englischfähigkeiten einiger Jugendlichen wurden in Anspruch genommen. Da der Flüchtlingssprecher nur auf Englisch antwortete, hatte er einen eigenen Übersetzter zur Seite gestellt bekommen. Die 17-Jährige Anna, die den Workshop leitete, war begeistert von ihrer Gruppe: „Wir haben wirklich viele Leute dabei, die richtig viel Ahnung von der aktuellen Situation haben. Da kann ich auch noch etwas lernen.“ Bevor Friday vorbeischaute, machte die Gruppe noch ein Rollenspiel, bei dem es fünf Asylsuchende gab, aber nur ein Asylplatz zur Verfügung stand. Doch die Workshopteilnehmer waren sich nach einiger Diskussion einig, dass alle einen Platz verdient hätten.

Die Podiumsdiskussion mit Olaf Scholz

Das Highlight des Tages bildete eine Podiumsdiskussion mit Workshopteilnehmern und dem Senatssprecher Christoph Holstein. Als Überraschungsgast war auch Friday Emitola mit auf der Bühne. Dabei stellte jede Workshopgruppe eine zentrale Forderung auf. Die NATO-Gruppe sah die Schuld für die Flucht vieler Menschen in der Ausbeutung der Dritten Welt durch die Industrieländer wie Deutschland. Die Lampedusagruppe plädierte dafür, dass die Asylrichtlinien überarbeitet werden müssen: „Wir sollten die Einzelüberprüfung der jeweiligen Flüchtlinge überdenken.“ Der letzte Workshop forderte, dass Minderjährige nicht mehr abgeschoben werden dürfen. Plötzlich stand der Erste Bürgermeister Olaf Scholz in der Tür und nahm den Platz von Senatssprecher Holstein ein.

Wie berichtet war dies das erste, direkte Zusammentreffen zwischen Scholz und einem Lampedusaflüchtling. Die kritischen Fragen der SchülerInnen wurden nicht lange zurückgehalten: „Wie reagieren Sie auf 1.000 SchülerInnen, die beim Schulstreik Parolen gegen sie und ihre Partei riefen?“, „Nicht locker“, antwortete Scholz kurz. „Das Thema Flüchtlinge bewegt mich schon seit Jahren.“ Er erkannte aber auch: „Die Protestler haben ein gutes Herz, sonst würden sie sich nicht für solch ein Thema einsetzen.“ Nachfragen zur Lampedusagruppe wurden klar beantwortet: „Ich kann keine Zusage auf Asyl geben. Ich kann mich nur dafür einsetzen, dass es ein ehrliches Asylverfahren gibt, wie bei jedem Flüchtling.“ Dass der Bürgermeister aber auch Änderungsbedarf beim Asylrecht sieht erklärte er auf eine Nachfrage von Fabiola Cruz. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, dass wir bei gut integrierten Menschen andere Richtlinien anwenden können.“ Das würde bedeuten, wenn es sich zum Beispiel um engagierte SchülerInnen handelt, könnte es eine größere Wahrscheinlichkeit bei der Bewilligung des Asylantrages geben.

Vorschläge zur Flüchtlingspolitk werden überreicht

„Wir werden die Forderungen aus den Workshops im Landesvorstand ausarbeiten und dann an Olaf Scholz übergeben.“, erklärt Jan Sieveking, aus dem Landesvorstand der schülerInnenkammer hamburg, nach der Veranstaltung. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass sich viele Jugendliche auch mit politischen Themen auseinandersetzen, selbst wenn sie nicht direkt im Politikunterricht behandelt werden. Es war eine gelungene Veranstaltung, zum einen zur Aufklärung über die Flüchtlingsproblematik und zum anderen, um Ideen zu sammeln, wie zukünftig damit umgegangen werden kann.

Fotos: Tobias Johanning

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