Politik

Gefahrengebiet: Vom Federkissen zum Pfefferspray

Politik
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Freitag wurde am sechsten Tag in Folge gegen die weiterhin bestehenden Gefahrengebiete auf St. Pauli, in der Sternschanze und in Altona demonstriert. Nachdem der Abend zunächst friedlich verlaufen war, wurde in der Nacht deutlich, dass die Situation noch immer sehr angespannt ist.

Seit Donnerstag hat die Polizei das Gefahrengebiet auf St. Pauli, in der Sternschanze und in Altona auf drei kleinere Bereiche rund um Polizeiwachen beschränkt. Der Protest gegen die Maßnahme hält dennoch weiter an. Bereits am sechsten Tag in Folge demonstrierten bis zu 1500 Menschen gegen die Gefahrengebiete. Im Internet war zunächst zu einer „Kissenschlacht statt Ordungsmacht“ aufgerufen worden. Die Aktion auf dem Spielbudenplatz verlief friedlich, wie unser Video zeigt:


Später versammelten sich erneut rund 1000 Menschen auf dem Paulinenplatz. Unter dem Motto: „Reclaim the Street“ war hier ebenfalls im Internet zu einer Party gegen die Gefahrengebiete aufgerufen worden. Lange glich hier alles einem Straßenfest: Neben Musik und Gesang, wurde auch Glühwein aus einer kleinen Bude ausgeschenkt. Viele TeilnehmerInnen hatten sich mit Luftballons, Luftschlangen oder Leuchtröhren geschmückt. AnwohnerInnen stellten Boxen an ihre Fenster, um den Platz mit Musik zu beschallen. Die Polizei blieb die ganze Zeit über im Hintergrund und griff nicht in das Geschehen ein.

Erst, als sich gegen 21 Uhr eine Spontandemonstration in Richtung Reeperbahn in Bewegung setzt, handeln die Beamten. An der Talstraße/Ecke Clemens-Schultz-Straße versucht die Polizei den Aufzug zu stoppen und einzukesseln. Das gelingt den Einsatzkräften jedoch nicht, da der Großteil der DemonstrantInnen über offene Flächen und Seitenstraßen flüchtet. Auf der Reeperbahn sammeln sich die kleinen Gruppen wieder und ziehen vor die Davidwache. Hier sind gegen 22 Uhr rund 1000 Menschen versammelt. Die Polizei beschränkt sich darauf, sich vor der Davidwache zu positionieren, nachdem einige DemonstrantInnen zuvor Beamten aus den Hein-Hoyer-Straße mit lauten „Haut ab“-Rufen zurückgedrängt hatten.

Kurz darauf wird eine Versammlung angemeldet. Eine Demonstration soll von der Davidwache über die Hein-Hoyer-Straße bis zum Paulinenplatz ziehen. Kurz nachdem der Aufzug losgelaufen ist, kommt es jedoch zu einem Stopp, da rund 200 TeilnehmerInnen sich weigern die Reeperbahn zu verlassen und der Demonstration zu folgen. Die Demonstration teilt sich daraufhin in mehrere Gruppen auf, die auf verschiedenen Wegen in Richtung Sternschanze ziehen. Die Polizei versucht nicht die Gruppen aufzuhalten, sondern hält sich deeskalierend zurück und lässt die Demonstrationen ziehen. Im Bereich der Roten Flora löst sich der Großteil der Demonstrationen dann auf. Auch an der Reeperbahn ziehen die DemonstrantInnen nach übereinstimmenden Angaben von Polizei und TeilnehmerInnen friedlich ab. Das Geschehen verlagert sich wieder auf den Paulinenplatz.

Hier haben sich erneut rund 1000 Menschen versammelt. Auf der Straße ist ein großes Feuer entzündet worden, in das die Umherstehenden immer wieder herumliegenden Unrat, wie weggeworfenen Tannenbäume werfen. Die Polizei ist lange nicht zu sehen. Bis auf die lodernden Feuer ist die Stimmung friedlich. Die Situation gleich jetzt wieder einem Straßenfest.

Gegen 00:30 Uhr spitzt sich die Situation dann zu: Als Polizei und Feuerwehr sich dem brennenden Unrat nähern, werden die Beamten mit wüsten Beschimpfungen von rund 200 Personen empfangen. Der Großteil der Anwesenden auf dem Paulinenplatz lässt sich von der Anwesenheit der Polizei nicht stören. Auch die Beamten reagieren nicht auf die Anfeindungen – auch dann nicht, als aus der Menge Flaschen auf die Einsatzkräfte fliegen. Nach Angaben der Polizei wird eine Beamtin leicht an der Hand verletzt. Nachdem das Feuer gelöscht ist, zieht sich die Polizei wieder zurück, beobachtet die Situation immer weiter. Die Anfeindungen gegen die Beamten halten an, die Stimmung in einigen Gruppen heizt sich immer mehr an. „Bullenstaat“ und „Haut ab“, schreien einige DemonstrantInnen der Polizei entgegen.

Gegen 1 Uhr wird auf der anderen Seite des Paulinenplatzes ein weiteres Feuer entzündet. Nach Berichten der Polizei versuchen ein paar DemonstrantInnen ein Fahrzeug der Stadtreinigung zu entladen. Diesmal greifen die Einsatzkräfte schneller ein, als zuvor und versuchen das Feuer zu löschen. Erneut werden sie mit Flaschen beworfen, ein Beamter bekommt laut Polizeibericht einen Fußtritt ab. Nach übereinstimmenden Angaben von Polizei und Zeugen vor Ort setzten die BeamtInnen jetzt Pfefferspray ein. Die Versammlung auf dem Paulinenplatz wird aufgelöst. Gegen 03:15 Uhr beendet die Polizei ihren Einsatz. Die weitere Nacht über bleibt es ruhig.

Auch für Sonnabend sind weitere Proteste gegen das Gefahrengebiet angekündigt. Am Nachmittag soll es auf dem Paulinenplatz einen „Brushmob“ mit Klobürsten geben. Die Klobürste ist, nachdem sie bei einer Kontrolle von der Polizei beschlagnahmt wurde, inzwischen zum Symbol des Widerstands gegen das Gefahrengebiet geworden.

Kommentare anzeigen (11)

11 Kommentare

  1. Horst

    11. Januar 2014 at 10:46

    Eine Kissenschlacht mit Feder und Daunenkissen ist scheiße. Tieren werden die Dauenen bei lebendigem Leibe ausgerissen und extreme Schmerzen zugefügt (macht euch schlau bei PETA). Außerdem finde ich die Aktion zu unpolitisch und lächerlich. Ging es nicht mal um Flüchtlinge? Bis zu 19000 Flüchtling sind seit 1988 auf dem Weg nach Europa gestorben (http://vergessene-kriege.blogspot.de/2013/10/opferzahlen-bis-zu-40000-fluchtlinge.html). Ging es nicht mal um den Erhalt der Roten Flora, ohne die das Schanzenviertel Eppendorf leisten würde und die ein Ort für Planung politischer Aktionen und wichtiger Solidaritätsparties ist? Macht es Sinn auf dem Paulinenplatz ein großes Feuer zu entzünden? Ich wünschte mir mehr Inhalt und weniger Klamauk. Das Symbol der Klobürste für den Widerstand gegen die Allmachtsphantasien der Hamburger Polizei ist gut, aber muss man den der Polizei freiwillig Argumente liefern, auch dann wenn es anscheinend mit keiner politischen Forderung verbunden ist? Ein Feuer in der Stadt ist nicht wirklich eine gute Idee und lässt an der Intelligenz zweifeln.

  2. babra

    11. Januar 2014 at 12:25

    …darfs auch meine Zahnbürtste sein, die führe ich sowieso immer als Schutz mit, weil ich sooo viel brechen muss (ihr wißt schon!) , und ich nicht stinken will, wenns mir doch schon so stinkt!!!!! Übrigens finde ich es super, wie kreativ die Menschen ihren Protest ausdrücken…Stark und ohne Gewalt RESPECT!!!!!

  3. Pingback: Hamburg: Von Gefahreninseln und Klobürsten | Mädchen für alle Fälle

  4. Anon

    12. Januar 2014 at 01:41

    So schwer ist es doch nicht.. Die Polizei hat dazugelernt und kennt jetzt offenbar doch das Wort Deeskalation. Diesmal gibt es nicht 100 verletzte Polizisten, Glückwunsch.
    Jetzt noch weg mit dem Gefahrengebiet, dann müssen auch die Demonstranten nicht jeden Tag auf die Straße, denen ich im Geiste verbunden bin.

  5. Pingback: Diskussionsrunde zu den Gefahrengebieten | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

  6. Ermittlungsausschuss

    12. Januar 2014 at 23:54

    Zeug_innenaufruf: Schwerverletzte bei Gefahrengebiets-Protest in der Nacht von Freitag auf Samstag

    In der Nacht von Freitag (10.1.2014) auf Samstag sind im Rahmen der Gefahrengebietsdemonstrations/-feierlichkeiten zwei Personen von der Polizei schwer verletzt worden. Die beiden wurden so erheblich verletzt, dass sie von der Polizei bzw. den Sanitäter_innen des Krankenwagens vom Verletzungsort weggetragen werden mussten.

    „Beim Stadtteilspaziergang am Freitagabend gab es einen Polizeiübergriff der zu einer schweren Kopfverletzung führte.

    Der Betroffene stand in der Menge vor der Davidswache. Von hinten näherten sich Beamte und er wurde umgestoßen. Ein nachfolgender Beamter trat ihm gegen den Kopf.“
    http://florableibt.blogsport.de/2014/01/11/schwerverletzter-bei-protest-vor-der-davdwache/

    Gegen 2 Uhr wurde eine weitere Person am Paulinenplatz verletzt. Der Betroffene wurde gezielt von Beamt_innen niedergeprügelt. Nach der Attacke blieb er liegen bis er weggetragen wurde.

    Wir bitten alle Zeug_innen der Vorfälle sich schnell bei uns zu melden und möglichst schnell ein Gedächnisprotokoll zu schreiben. Die Erinnerung wird schnell ungenau, ein Gedächtnisprotokoll sollte darum zeitnah verfasst werden. Bitte teilt das ganze nicht in aller Breite über facebook und co. Auch Aufnahmen, sofern es welche gibt, bitte nicht im Internet veröffentlichen. Eine Kopie der Aufnahmen bitte an uns.

    Wir gehen mit den Informationen vertraulich um & geben nur nach Absprache Kontakte weiter.

    Wenn ihr uns eine Mail schickt, tut dies bitte ausschließlich verschlüsselt! Daten über 5mb bitte auf eine CD brennen und im Infoladen Schwarzmarkt (Kleiner Schäferkamp 46) abgeben.

    Wir können auch Briefe bekommen. Wenn ihr könnt gebt diese zur Sicherheit möglichst direkt im Infoladen Schwarzmarkt ab.

    Wir wünschen den Verletzten viel Kraft und schnelles Gesund werden! Wenn euer Gesundheitszustand es zulässt meldet euch bitte ebenfalls bei uns!

  7. Pingback: Rundgang durchs Gefahrengebiet | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

  8. holger

    13. Januar 2014 at 19:53

    Warum ist es nicht möglich in den jeweiligen Reihen die Chaoten auszusortieren? (ausdrücklich auf beiden Seiten)

    Da verhält sich die Polizei endlich mal wieder korrekt und dann kommen irgendwelche Deppen daher und versuchen das Klima wieder zu verändern.
    Entweder recht wenig Hirn und nur auf Krawall gebürstet, oder was noch schlimmer wäre gewollt gesteuert aufgetaucht.
    Inzwischen weiß man nicht mehr was man glauben soll, zumal wenn man mit eigenen Augen einmal gesehen hat, dass auch Eskalation auch staatlich gesteuert wird.
    Es wird sich erst ändern, wenn beide Seiten ihre Chaoten an den Pranger stellt und aus den Gruppen hinausbefördert.

    Gewalt war nie eine Lösung, deshalb verlasse ich auch eine Demo, wenn eine Einheit mit der 53 aufn Helm auftaucht, ein paar Einheiten haben scheinbar recht seltsame Typen dabei, traurig, dass sie gedeckt werden.

    Lieber eine „lächerliche“ Art der Demo, als eine mit Gewalt.

  9. Timmi

    18. Januar 2014 at 14:37

    ECHT LUSTIG ! PASSIERT WAS AUF DEM KITZ ! DANN HEIST ES WO WAR DIE POLIZEI
    DIE TROTZ MEHRFACHER VERSPRECHUNGEN VON DEM SENAT JA NICHT AUFGESTOCKT SONDERN ABGEBAUT UND BESCHNITTEN WIRD OHNE ENDE ! DANN TUN SIE WAS FÜR DIE SICHERHEIT UND DA KOMMEN DIE FÖLLIG VERBLÖDETEN LINKEN DEREN EINWENDE ICH NICHT ALLE!!!! TEILEN KANN UND MACHEN ALLES KAPUTT ES IST EGAL WAS DIE POLIZEI MACHT SIE IST IMMER SCHULD UND DAS LANGT FÜR DIE SPINNER GLEICH ALARM ZU MACHEN

  10. Timmi

    18. Januar 2014 at 14:46

    DEMMO OK ABER DAS HAB UND GUT ANDERER ANZÜNDEN UND KRAWALLE MACHEN
    FÜR EIN ALTES PISS GEBÄUDE NE DANKE !! ABER KEIN ARSCH GEHT AUF DIE STRASSE WEGEN ZU HOHER MIETPREISE ZU HOHE STROM PREISE ODER GAMMELFLEISCH ODER VIELEN ANDEREN SACHEN WIE „BEZAHLTE POLITIKER “ !!! DA SOLLTE MAN MAL DRÜBER NACHDENKEN WAS WICHTIGER IST!!!
    DIE ARME POLIZEI MACHT NUR IHREN JOB UND ES SIND AUCH MENSCHEN WIE DU UND ICH UND VERTRETEN DIE GESETZE DIE UNSERE POLITIKER UNS VORDIKTIERT HABEN ALSO WAS SOLL DER GANZE SCHEISS !! DIE ZECHE DAFÜR ZAHLT DIE ALGEMEINHEIT ALSO DER STEUERZAHLER!!

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