Politik

Friedlicher Protest: Das Blumenmädchen und das Gefahrengebiet

Politik
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Die Proteste auf St. Pauli gehen weiter: Insgesamt 600 Menschen haben am Dienstag gegen das Gefahrengebiet demonstriert, das seit Sonnabend für den Stadtteil gilt. Die Demonstration verlief vollkommen friedlich.

Anneke hat möglich gemacht, worauf viele auf St. Pauli seit Tagen warten: Ein kraftvolles Zeichen gegen das Gefahrengebiet, das der Polizei seit Sonnabend erweiterte Befugnisse einräumt. Eigentlich wollte die junge Frau, die selbst im Stadtteil wohnt, nur ihren Protest gegen die Maßnahmen der Polizei ausdrücken – mitdemonstrieren eben, so wie 600 andere, die sich am Dienstag gegen 19 Uhr um Park Fiction nahe der Hafenstraße versammeln. Als die Menschenmasse von der Polizei, wie an den Abenden zuvor, aufgefordert wird durch einen Versammlungsleiter eine Demonstration anzumelden, will erneut niemand die Verantwortung übernehmen. Der Protestaktion droht die Auflösung – so wie es am Sonntag und Montag bereits geschehen ist.

Dann schlägt Annekes große Stunde: Die zierliche junge Frau tritt an den Einsatzleiter der Polizei heran und gibt bekannt eine Demonstration anmelden zu wollen – es ist ihre Premiere als Leiterin einer Versammlung. „Ich finde es wichtig ein Zeichen zu setzen und um das zu erreichen, müssen sich alle an die Gesetze halten“, begründet Anneke ihren Schritt. Sie will verhindern, dass eine unangemeldete Versammlung aufgelöst wird.

Nachdem alle Formalitäten mit der Polizei geklärt sind und eine Demoroute feststeht, die vom Park Fiction über die Reeperbahn und die Landungsbrücken durch die Bernhard-Nocht-Straße zum Startpunkt zurück führen soll, kann sich der Demonstrationszug gegen 20:30 Uhr in Bewegung setzen. „Ich will, dass wir eine friedliche Demonstration machen, um das Gefahrengebiet aufzulösen“, ruft Anneke „ihren“ Demonstranten über den Lautsprecherwagen der Polizei zu. Dann schreitet sie den 600 DemonstrantInnen voran. In der Hand trägt sie einen Blumenstrauß, einige Freundinnen neben ihr tragen ein Transparent auf dem „Make Love“ steht.

 

So wie es sich die Versammlungsleiterin gewünscht hat, geschieht es auch. Laut aber friedlich zieht die Demonstration durch St. Pauli, begleitet von einer Hundertschaft Polizisten, die sich sehr zurückhaltend verhalten. „Keinen ruhigen Tag dem Senat“ und „Gefahrengebiete abschaffen“, machen die DemonstrantInnen ihren Forderungen Luft. Vor der Davidwache bleiben alle kurz stehen und rufen „Lügner, Lügner“, in Richtung der Polizisten. Eine Anspielung auf die fehlerhafte Berichterstattung der Polizei über einen mutmaßlichen Angriff auf die Wache, der als Rechtfertigung für das Gefahrengebiet gilt.

Ohne Zwischenfälle erreicht die Demonstration gegen 21:30 Uhr wieder ihren Startpunkt. Anneke erklärt die Versammlung für beendet und bedankt sich für den friedlichen Verlauf. Mit Lautem Jubel danken die DemonstrantInnen ihrer Versammlungsleiterin. Im Anschluss verteilen sich die meisten Menschen auf den Stadtteil. Ein paar bleiben noch und genießen die Aussicht auf die friedlich fließende Elbe. Anneke hatte genug Aufregung für einen Tag und geht nach Hause. Mit ihrem Blumenstrauß in der Hand verschwindet die Frau um eine Hausecke, die den Forderungen von vielen im Stadtteil das Laufen beigebracht hat.     

Kommentare anzeigen (7)

7 Kommentare

  1. Jan

    8. Januar 2014 at 13:02

    Ich habe nichts gegen angemeldete Demonstrationen. Aber warum das Anmelden dieser Spontandemonstration in dem Artikel als heroischer Akt gepriesen wird, verstehe ich nicht. Erstens ist laut Versammlungsgesetzt eine Spontandemonstration OHNE VersammlungsleiterIn legal und MUSS von der Polizei gewährleistet werden. Das behindern dieser Demonstration ist somit illegal und würde von jedem Verwaltungsgericht – allerdings wohl erst in einigen Jahren – auch als solches festgestellt werden.
    Zweitens, gibt es spätestens seit Oktober in Hamburg wieder eine sehr erfolgreiche Praxis des nicht-anmeldens von Demonstrationen, so auch in den letzten Tagen in vielfacher Form. Warum wird diese angemeldete Demonstration von euch „höher“ gewertet als die zahlreichen unangemeldeten, auch die, die parallel gestern verliefen?
    Und drittens, und das ist mir eigentlich noch wichtiger, richtete sich die Demonstration gegen den von der Polizei aufgrund falscher Behauptungen ausgerufenen Notstand in St.Pauli, der Schanze und Altona. Durch diese Notstandsgesetzgebung agiert die Polizei in einem quasi rechtsfreien Raum, was sie dabei alles darf und was sie dabei alles macht muss ich hier wohl nicht erneut darlegen. Nun gibt es dagegen Protest und Demonstrationen und für diese sollen wir nun bei eben jener Polizei um Erlaubnis fragen?! Das ist doch absurd! Gerade auf die Ausrufung einer „Besatzungszone“ sollte die Antwort mehr denn je lauten: unangemeldeter, spontaner Protest, der sich eben nicht durch die Polizei kontrollieren lässt!

  2. Melanie

    8. Januar 2014 at 18:25

    @Jan – ich kann Deine Position verstehen, finde es aber grundsätzlich falsch, geltende Gesetze und Regeln zu ignorieren, nur weil andere das tun. Ja, die Polizei hat das Gefahrengebiet eingerichtet, um frei Schalten und Walten zu können. Wenn ich dagegen protestiere, mich aber genauso verhalte, in dem ich mich wiederum über die Regelung für Demonstrationen (u.a. Anmeldung derselbigen) hinweg setze, mache ich mich nicht nur strafbar, sondern zeige genau DAS Verhalten, gegen das ICH demonstriere.

    • Akrat

      8. Januar 2014 at 19:26

      @Melanie- Geltendes Gesetz bricht die Polizei, mit dem nichtanmelden einer spontandemonstration bricht mensch kein Gesetz.
      Die Polizei behauptet das zwar gerne, da es für die Polizei immer Rädelsführer geben muss, aber im Grundgesetz steht was anderes und eine spontandemonstration fällt auch unter das Demonstrationsrecht.
      Eigentlich ist eine Demonstration laut GG nichteinmal genehmigen zu lassen, da die Polizei lediglich informiert werden muss und dann, sprechen keine wichtigen Gründe dagegen die Demonstration durchsetzen.
      Jegliche Auflagen sind Einschränlungen der im GG festgelegten Demonstrationsfreiheit.

    • Jan

      8. Januar 2014 at 23:18

      Ich glaube ich weiß, was du meinst. Aber siehe z.B. hier: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_8.html oder auch:

      „[Gemäß Versammlungsgesetz] müssen Versammlungen unter freiem Himmel vom Veranstalter 48 Stunden vor Bekanntgabe angemeldet werden, es ist ferner für eine ausreichende Zahl von Ordnern zu sorgen. Eine Ausnahme hiervon gilt nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für sogenannte „Spontan-Demonstrationen“. Unter Spontanversammlungen versteht man Versammlungen, die sich aus aktuellem Anlass ohne vorherige Organisation bilden. In verfassungskonformer Auslegung des § 14 Abs. 1 VersG besteht für diese Versammlungen keine Anmeldepflicht, da es zum einen keinen „Leiter“ iSv. § 14 Abs. 2 VersG gibt, zum anderen das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG für Spontanversammlungen sonst leerliefe (BVerfGE 69, 315, 350 f. – Brokdorf). Daher ist auch eine Versammlungsauflösung wegen fehlender Anmeldung (§ 15 Abs. 2 VersG) bei Spontanversammlungen ermessensfehlerhaft.“

      Es ist eben NICHT illegal, eine Spontandemonstration NICHT anzumelden. Daher ignoriert die Polizei geltende Gesetze, wenn sie eine Spontandemonstration ohne LeiterIn nicht ziehen lässt. Und das in einem Gebiet, in dem sie eh schon macht was sie will. Ich finde es ok, dagegen zu protestieren, gerade auch und insbesondere mit unangemeldeten Protest.

  3. oh tempora oh mores

    8. Januar 2014 at 19:58

    Ich kann auch nicht erkennen, was jetzt nun so heldenhaft daran war, die Demo anzumelden. In jeder Diktatur gibt es Gesetze. Wenn man immer darauf wartet, dass Gesetze einen gewähren lassen, ändert sich nie etwas. Gerade in einem Gebiet, in dem Repression vollkommen willkürlich stattfindet und mit offensichtlichen Lügen begründet wird, gilt der Satz:“Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Zur Not auch unangemeldet.

  4. Dirk

    9. Januar 2014 at 00:06

    Auszug aus dem Grundgesetz :

    Art 20
    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

    Das müsste doch hier greifen, oder nicht ?

    Heißt : Widerstand gegen die CDU, die 2005 das Hamburger Polizeigesetz verschärfte, Widerstand gegen den Innensenator und die Polizeiführung Hamburgs, Widerstand gegen jeden Polizeibeamten, der kritiklos und mit Schafherdengehorsam ausgestattet den Gesetzesbrechern aus Politik und Polizeiführung seinen Knüppel reicht.

    EIGENTLICH sollen Polizisten ja unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen.

    Also erfolgt ein Aufruf an alle Polizeibeamten, die sich noch als Schützer der Demokratie verstehen :
    Beruft Euch auf §20 Abs 4 des Grundgesetzes und nehmt die Hamburger Polizeiführung sowie den Innensenator in Gewahrsam !!

    Stellt Euren guten Ruf wieder her.

    An die Betroffenen im Gefahrengebiet: Bitte denkt daran, daß der einzelne Beamte es eventuell einfach nicht besser weiß… der macht vielleicht nur seinen Job nach Vorschrift und hat sein Hirn abgestellt.

  5. Horatio

    11. Januar 2014 at 17:49

    Tja, wunderbar in den Kommentaren aufgeführt, inwieweit die Polizei in 90% der Fälle in denen ich persöhnlich mit ihnen zu tun habe das Grundgesetz bricht.
    Mit Auflösen von Demonstrationen, mit nicht genehmigen von Demonstrationen, mit Willkür um Demonstranten/ politisierte Menschen fernzuhalten &/oder zu schikanieren & mundtot zu machen. Hallelujah, es lebe die Deutsche Demokratie.
    Und währenddessen werden rechte Untergrundler, die Szenekonzerte veranstalten, zu Gewalt aufrufen und Spitzenpositionen in der Rangordnung der Braunen besetzen vom VS bezahlt, der wiederrum nur Linke Parteifunktionäre und andere „Extremisten“ ausspioniert um diese „Demokratie“ zu schützen.
    Mein Vorschlag, ganz gediegen Hors Seehoffer & Friederich abschieben, den Rest in die „Grundschule zurückschicken mit Schwerpunkten auf Staatsphilosophie sowie Menschenrechte und Gerechtigkeit“…
    Und nach dem Auflösen einer angemeldeten Demo nach Schusswaffen quengeln war bisher die beste Leistung der Polizeigewerkschaften…
    Ich habe immer mehr das Gefühl, das ich friedlicher Mensch hier untergebuttert werden soll, nachdem ich meine Stimme für 4 Jahre abtreten soll…
    Hurra Hurra, es lebe unsere Demokratie.
    Hauptsache wir jagen Al Quaida, die mit Deutschen Waffen, die sie vom CIA bekommen haben auf uns schießen, weil wir den Amis helfen müssen…
    Grundgesetze, ne?

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