Akteure und Akteurinnen des Grandhotel Cosmopolis fanden den weiten Weg von Augsburg nach Hamburg um von ihrem Projekt des gemeinsamen Zusammenlebens mit und ohne Asyl zu berichten.
Als eine Gruppe von Künstlern Ende 2011 das leerstehende Pflegeheim im Stadtkern von Augsburg entdeckte, war schnelle die Idee von einer Verbindung von Kunst und Flüchtlingsarbeit geboren. Die Nutzung des Objekts als Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge war bereits länger im Gespräch zwischen der Regierung von Schwaben und dem Eigentümer, der Diakonie Augsburg. Doch bis zur Eröffnung des „Grandhotel Cosmopolis“ war es noch ein langer Weg.
Von diesem und aktuellen Herausforderungen berichteten sieben Akteure und Akteurinnen des Grandhotel Cosmopolis am vergangenen Donnerstagabend im gut gefüllten Centro Sociale in Hamburg bei der gemeinsamen Veranstaltung „Tor zur Welt? Hafen für alle!“ mit S.O.S. St. Pauli und der GWA St. Pauli. Von Anfang an war den Gründern klar – der Begriff „Migrant“ soll neu gedacht werden, durch das Konzept einer Begegnungsstädte für Reisende jeglicher Herkunft. Damit wird die Idee einer Sozialen Subkultur von Joseph Beuys aufgegriffen, ist in einem Flyer zu lesen. Die Ausdehnung des Wirkungsfeldes der Kunst auf alle menschlichen Tätigkeitsbereiche verfolge das Ziel eines kreativen Mitwirkens eines jeden an einer sozial gestalteten Gesellschaft.
Die Lobby und ein Café waren das erste, was vom Grandhotel fertig war. So entstand ein offener Raum für Konzerte, Hausführungen und den Austausch mit Anwohnern – auch mit dem Ziel, Skepsis gegenüber dem Projekt von vorherein abzubauen. „Mit Klaviermusik und Wein konnten wir die Nachbarn schnell von unseren Ideen überzeugen“, erzählte eine Akteurin. Gleichzeitig begann die die Vernetzung mit der Augsburger Künstlerszene und Verhandlungen mit den Augsburger Behörden. Ein Umbau im größeren Stil begann Ende 2012. Die Diakonie stellte das Objekt mietfrei zur Verfügung; anliegende Läden und Privatpersonen spendeten Möbel und Einrichtungsgegenstände, was dem Grandhotel ein besonderes Flair verleiht. Irgendwann stieß der Bildhauer und Kaligraph Adi zu den Akteuren. Er hatte eine eineinhalbjährige Reise von Kabul nach Deutschland hinter sich, inklusive mehrerer Gefängnisaufenthalte wegen illegalen Aufenthaltes. Es entstanden Kontakte zu anderen ausländischen Künstlern und eine Ideenagentur wurde gegründet.
Am 17. Juli dieses Jahres wurde die Asylbewerberunterkunft im Grandhotel eröffnet. Prompt kamen rund 60 Asylbewerber, die Hälfte von Ihnen Kinder. Die ausländischen Hotelgäste können beim Kochen in der Gemeinschaftsküche helfen, Ausstellungen und Theaterveranstaltungen besuchen und mit Künstlern, Anwohnern und anderen Interessierten zusammenkommen. Anteilige Mieter sind die Regierung von Schwaben und der Verein Grandhotel Cosmopolis e.V. Neben den Zimmern für die Flüchtlinge gibt es Hotelzimmer für Gäste ohne Asylverfahren und mehrere Ateliers. Das Konzept ging auf – Das Grandhotel wird von den Medien als positives Beispiel für Integration gelobt und erhielt die Auszeichnung als Bundessieger 2013/14 im Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“.
Doch ganz so rosig ist die Welt im Grandhotel dann doch nicht. Bereits wenige Tage nach Ankunft der ersten Asylbewerber kam der erste Abschiebungsbescheid für eine tschetschenische Familie, die über Polen nach Deutschland gekommen ist und somit, laut Dublin-II-Verordnung, dort ihren Antrag auf Asyl stellen muss. Asylunterkünfte in Polen glichen Gefängnissen, berichteten viele tschetschenische Augenzeugen. Die Helfer und Helferinnen des Grandhotels brachten Petitionen auf den Weg, ließen sich Gutachten ausstellen, die die Reiseunfähigkeit wegen Traumatisierung des gefolterten Vaters, seiner Frau und der beiden Kindern darlegten – doch vergeblich. Die Gutachten wurden als Gefälligkeiten abgetan, die Abschiebung nach Polen stand fest. Nun will die Familie „freiwillig“ in ihre russische Heimat zurückkehren, da das für sie das geringere Über darstelle. Die Ausstellung der entsprechenden Reiseunterlagen verschafft der Familie noch einige Wochen Zeit im Grandhotel. Bis dato folgten sechs weitere Bescheide.
Ein Raunen geht durchs Publikum. Unterstützt das Grandhotel Cosmopolis unfreiwillig die von ihm kritisierten Aspekte der Asylpolitik Deutschlands? „Ich glaube jede einzelne Stunde bei Euch ist für viele Asylbewerber, die Schlimmes durchgemacht haben, sehr viele wert“, merkt schließlich jemand an. Die sieben Augsburger nicken „Unser Ziel ist es vor allem, die Familien so gut es geht zu stärken“ sagen sie.
Dran bleiben, nach Rückschlägen nicht aufgeben, das ist eine Lektion, die die Akteure und Akteurinnen des Grandhotel Cosmopolis früh lernen mussten und heute als Stärke nutzen können. Für die Zukunft wünschen sie sich eine breite Vernetzung mit vielen anderen kreativen Akteuren in Deutschland. Für Hamburg, wo Asylbewerber in der abgelegenen Unterkunft in Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern und in Containern untergebracht sind, ist das Konzept auf jeden Fall ein spannender Denkansatz.
Titelbild: Ramona Gastl
Adam
22. Dezember 2013 at 19:49
„Asylunterkünfte in Polen glichen Gefängnissen, berichteten viele tschetschenische Augenzeugen. “ Das ist eine infame Unterstellung und Beleidigung Polens , wem die Asylunterkünfte in Polen wie Gefängnisse vorkommen, der soll uns nichts von der angeblich so schlimmen Verfolgung in Tschetschenien vorlügen, denn ihm geht es nicht um Asyl sondern nur um die Sozialleistungen in Deutschland die er selbstverständlich in Polen in dieser Höhe nicht bekommt. Solche Storys kann man wirklich nur dem naiven westliche Publikum erzählen.
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