Bereits seit zwei Jahren gibt es das Occupy-Camp in Hamburg: Nun hat das Bezirksamt Hamburg-Mitte die Bewohner des Camps dazu aufgefordert, es in seiner derzeitigen Form aufzulösen. Politik und Verwaltung sind sich jedoch einig, dass der Protest weiter ermöglicht werden soll.
„Für den weiteren Camp-Betrieb auf dem Gertrudenkirchhof wird schon aus baurechtlichen und gefahrenabwehrrechtlichen Gründen kein Spielraum mehr gesehen“, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD). In dem Schreiben hat das Bezirksamt dem Camp mitgeteilt, dass die für den Winter errichteten Holzbaracken in Verbindung mit dem offenen Feuer, das die Aktivisten nach Angaben des Bezirksamtes regelmäßig entfachen um Essen zuzubereiten oder sich zu wärmen, eine zu große Gefahr für das Camp und die umliegenden Häuser darstellen. Daher sollen die Aktivisten bis Ende des Jahres die Holzbaracken entfernen und das Lager auf insgesamt drei Zelte reduzieren, heißt es in einer Mitteilung des Fachamtes Bauprüfung vom 11. November. Das wäre das Aus für das – nach Angaben der Bewegung – am längsten bestehende Occupy-Camp, das sich erst auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz befand und seit ungefähr einem Jahr auf dem Gertrudenkirchhof steht. In dieser Zeit habe sich das Camp zu einer „befestigten Wohnanlage weiterentwickelt“, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote. Diese sei weder genehmigt, noch überhaupt genehmigungsfähig. Daher solle die Anlage bis Ende des Jahres verschwinden.
Problematisch ist in den Augen des Bezirksamtsleiters nicht nur das offene Feuer, das in Kombination mit den Holzbaracken eine Gefahr für die Bewohner des Lagers darstelle, sondern auch der herannahende Winter. „Das Camp bietet keinen ausreichenden Witterungsschutz“, sagt Grote. Da es keinen Stromanschluss gebe, bestände das Risiko, dass Bewohner unterkühlen oder gar erfrieren. Zudem seien die zweistöckigen Konstruktionen der Aktivisten instabil und würden den angekündigten Stürmen nicht standhalten, so der Bezirksamtsleiter weiter. In einer ersten Anhörung hätte die AktivistInnen sich geweigert die umstrittenen Holzbauten abzubauen.
Die Bewohner suchen nun ein klärendes Gespräch mit Bezirksamtsleiter Andy Grote – das teilte das Occupy-Camp auf seiner Internetseite mit. Die Aktivisten betonen jedoch, auch Alternativen in Erwägung zu ziehen. In einer E-Mail vom 18. November wiesen sie bereits einen Teil der Vorwürfe gegenüber dem Bezirksamtsleiter zurück. So sei bereits seit zwei Wochen kein offenes Feuer mehr entfacht worden und auch andere vom Bezirksamt kritisierte Mängel wären beseitigt worden, schreibt „Occupy Hamburg“. „In Fragen der Statik und des Gefahrenschutzes lassen wir uns gern beraten“, heißt es in der E-Mail. Andy Grote hingegen sagt, dass Vereinbarungen in der Vergangenheit mehrfach nicht eingehalten worden seien: „Auf diese Zusagen können wir leider nicht mehr vertrauen.“ Entgegen der getroffenen Vereinbarungen hätten in der Vergangenheit immer wieder Menschen in dem Lager übernachtet und offene Feuer entzündet, berichtet der Bezirksamtsleiter. „Wir sind traditionell mit dem Camp sehr großzügig mit dem Camp umgegangen, müssen aber jetzt handeln, um die Gefährdung von Menschenleben auszuschließen“, sagt Grote.
Falko Droßmann, SPD-Fraktionsvorsitzender in Hamburg-Mitte, bestätigt, dass sich die gute Zusammenarbeit zwischen dem Camp und dem Bezirksamt, das die AktivistInnen seit rund zwei Jahren duldet, in den letzten Monaten verschlechtert habe: Ansprechpartner seien nicht mehr zu erreichen und Vereinbarungen würden nicht eingehalten, sagt Droßmann. Daher sucht das Bezirksamt mit seinem Schreiben nun den Kontakt mit den Aktivisten, um den „zukünftigen Rahmen für die Aktivitäten von Occupy Hamburg“ zu besprechen. Von einer „Räumung“ des Camps ist in dem Brief keine Rede – in der Mitteilung des Fachamtes für Bauprüfung wird allerdings auch mit Zwangsmitteln gedroht, um die „ordnungsgemäßen Zustände“ wieder herzustellen. „Es geht nicht um eine Bewertung der politischen Aktivität, sondern um die Sicherheit des Camps“, betont Falko Droßmann.
Trotz der Unterstützung der SPD für das Occupy-Camp sieht Droßmann keine Möglichkeit, das Lager auf dem Gertrudenhof im Winter weiterzuführen. Dies sei nicht zuletzt auch dem Wetter geschuldet, erklärt er. So fehle es auf dem Platz an winterfesten Unterkünften und sanitären Anlagen. Das Bezirksamt habe den Occupy-Aktivisten in seinem Schreiben daher auch Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten zur Weiterführung der politischen Aktivität angeboten. „Es wäre schön, wenn man die Aktivisten irgendwo anders unterbringt, um die politische Arbeit weiterzuführen“, sagt Falko Droßmann.
Dass die Aktivisten das Camp als Ausgangsbasis für ihre politische Arbeit nicht brauchen, steht für Bezirksamtsleiter Andy Grote fest: „Die Occupy-Bewegung ist in ihren Aktivitäten nicht mehr auf das Camp angewiesen“, sagte er. Daher habe das Bezirksamt angeboten, die Aktivisten bei der Suche nach neuen Räumen zu unterstützen. „Wir sehen nach wie vor, dass es sich um ein legitimes politisches Anliegen handelt, das eine gesellschaftliche Relevanz besitzt“, so Grote weiter.
Andy Grote ist zuversichtlich, dass sich das Bezirksamt und die Bewegung einigen werden: „Bisher haben wir immer eine einvernehmliche Lösung mit Occupy erreicht“, sagt er und fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand Interesse an einer Eskalation hat und ich glaube, dass Occupy da auch verantwortlich handelt.“ Nun sei es an den Aktivisten sich beim Bezirksamt zu melden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Ansprechpartner seien alle bekannt. „Wir müssen da jetzt mal abwarten, was weiter passiert“, so Bezirksamtsleiter Grote.
Im Hauptausschuss der Bezirksversammlung erhält das Bezirksamt von allen Fraktionen Zustimmung für die Maßnahme. „Es muss aber auf jeden Fall sichergestellt werden, dass ein Schlafplatz für die Menschen gefunden wird und die Aktionen fortgesetzt werden können“, sagt Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Die Verwaltung garantiert, dass diesen Forderungen entsprochen werden wird.
Ob und wie die Aktivisten von „Occupy Hamburg“ auf den Brief des Bezirksamts reagieren ist noch unklar. Sie waren für eine Stellungnahme bisher nicht zu erreichen.
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