Politik

Bürgerbeteiligung in Wilhelmsburg: Perspektiven aber keine Lösung

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Anfang der Woche startete in Wilhelmsburg ein neues Projekt zur BürgerInnenbeteiligung. Mit „PERSPEKTIVEN“ will der Bezirk den BürgerInnen ermöglichen eigene Themen auf die politische Agenda zu setzten. Trotz zahlreicher Impulse für die Bezirkspolitik, ist das Projekt jedoch kein Ersatz für die aktuell gefährdeten Beteiligungsgremien in Wilhelmsburg.

In Wilhelmsburg haben die BürgerInnen bereits einige Erfahrungen mit Beteiligungsprojekten gesammelt. 2002 begann mit dem „Leitbild wachsende Stadt“ eine Veränderung des Stadtteils, deren Ergebnis unter anderem die Internationale Bauaustellung (IBA) und die Internationale Gartenschau (igs) sind. Auch die BürgerInnen sollten in diesen Prozess eingebunden werden. Mit dem „Sprung über die Elbe“ wurde dieser Gedanke 2003 weiterentwickelt und resultierte 2012 in den „Planungswerkstätten Elbinsel 2013+“. In dieser Tradition steht das neue Beteiligungsprojekt „PERSPEKTIVEN“, dass gemeinsam von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), dem Bezirksamt Hamburg-Mitte und dem Bürgerhaus Wilhelmsburg durchgeführt wird. Besonders der Kritik an den Beteiligungsprojekten der Vergangenheit will sich „PERSPEKTIVEN“ stellen und verspricht BürgerInnenbeteiligung von unten nach oben, statt wie bisher von oben angeordnete Beteiligung umzusetzen. „Diese spezielle Art der Bürgerbeteiligung hat es in Hamburg noch nicht gegeben“, sagt Bettina Kiehn vom Bürgerhaus Wilhelmsburg.

Das Projektdesign sieht daher vor, dass ein Verfahrensrat, bestehend aus Vertretern der BSU, des Bezirksamtes, der Bezirksversammlung und des Bürgerhauses, auf die Einhaltung der Projektvorgaben achtet. Der Ablauf des Projektes sieht vor, dass ab Oktober Themengruppen zu den Themenbereichen tagen, die bei der Auftaktveranstaltung von den BürgerInnen vorgeschlagen wurden. Unter anderem sind das die großen Bereiche Bildung und Verkehr, aber auch kleinere Themen, wie der Bau einer Moschee oder das Fehlen von kleinen Geschäften kommen auf den Tisch. Die Themengruppen sind, wie die Auftaktveranstaltung, jederzeit für alle BürgerInnen offen. „Wir wollen möglichst viele Menschen beteiligen“, sagt Bettina Kiehn. Im April sollen die Ergebnisse dann veröffentlicht und an die Bezirkspolitik weitergegeben werden. „Die Bezirksversammlung hat bereits zugesagt sich mit den Ergebnissen zu befassen. Im Idealfall entscheiden die Abgeordneten nicht gegen die Vorschläge der BürgerInnen“, sagt Bettina Kiehn. Im Anschluss soll die Bezirkspolitik den Stadtteil regelmäßig darüber informieren, was aus den Ergebnissen der Beteiligung geworden ist und falls notwendig begründen, warum Vorschläge nicht umgesetzt werden. „Wir wollen so zu einem langfristigen Dialog über Stadtentwicklung kommen“, sagt Kiehn.

Dieser Dialog existiert jedoch bereits. Seit 1994 ist der Stadtteilbeirat Wilhelmsburg das Sprachrohr der BürgerInnen. Durch die langjährige Erfahrung des Beirats funktioniert die Kommunikation mit Politik und Behörden sehr gut. In der Vergangenheit hat der Stadtteilbeirat mehrfach die Interessen der WilhelmsburgerInnen gegenüber der Politik und der Verwaltung durchsetzen können. „Vorhandene, bereits gut funktionierende Strukturen werden bei diesem Projekt nicht mit eingebunden“, kritisiert der Vorsitzende des Stadtteilbeirats, Lutz Cassel. Die Idee möglichst viele Menschen zu beteiligen sei gut, jedoch habe das Konzept einige Stolpersteine. „Die Aufarbeitung solcher Themen muss durch ein legitimiertes Gremium gehen“, sagt Cassel. Zudem sei nur in Form eines Beirates garantiert, dass bei der Entscheidungsfindung nicht einzelne Interessengruppen einen Vorteil hätten. Der Beirat wird gezielt so zusammengesetzt, dass möglichst viele verschiedene Gruppen vertreten sind. Das ist bei einem offenen Verfahren nicht möglich.

Die Frage nach zukünftigen Konzepten der BürgerInnenbeteiligung erhält zusätzliche Brisanz, da die Fördermittel für den Stadtteilbeirat Wilhelmsburg Ende 2013 auslaufen. Ohne die Förderung wird die Arbeit des Beirats, wie in anderen Stadtteilen, nur noch schwer möglich sein. Die Kritik des Beirates ist für Bettina Kiehn nicht nachvollziehbar. „Es sollen möglichst viele Menschen zusammenkommen und Themen besprechen, die sonst vielleicht kein Gehör finden“, sagt Kiehn. Es sei ihr Ziel besonders jene BürgerInnen zu erreichen, die bisher noch nicht in den bestehenden Beiratsstrukturen eingebunden sind. Hier scheint Kiehn Erfolg zu haben. Rund 150 Menschen nehmen an der Veranstaltung am Montag teil. „Ich werde aber auch nach heute Abend weitermachen und noch mehr Menschen ansprechen“, sagt Kiehn.

Für die Vorsitzende des Bürgerhauses ist dabei klar, dass „PERSPEKTIVEN“ keinen Ersatz für den Stadtteilbeirat sein können. Vielmehr handele es sich um ein zeitlich befristetes Projekt, mit dem neue Wege der BürgerInnenbeteiligung ermöglicht werden sollen. „Das Konzept ist keine Lösung dafür, wie es zukünftig mit den Beteiligungsstrukturen in Wilhelmsburg weitergehen soll“, sagt Kiehn. Auch der Leiter des Fachamtes für Stadt- und Landschaftsplanung, Michael Mathe, ist bei der Frage nach zukünftigen Beteiligunsgstrukturen auf der Elbinsel zurückhaltend. „PERSPEKTIVEN ist ein guter Ansatz, der neue Impulse gibt“, sagt Mathe. Dennoch müsse man nach einer Auswertung schauen, ob sich das Konzept auch auf andere Stadtteile übertragen lasse. Eine langfristige Lösung für BürgerInnenbeteiligung nach dem Wegfall von Stadtteilbeiräten sieht Mathe auch nicht. „Beteiligungsstrukturen müssen vor allem mittelfristig finanziert sein, um die Menschen nicht zu enttäuschen“, sagt Mathe.

Das Thema Zukunft der Stadtteilbeiräte wird die Bezirkspolitik somit noch weiter beschäftigen. Für Donnerstag wird in der Bezirksversammlung eine Resolution erwartet, die den Senat auffordert, Haushaltsmittel für die zukünftige Finanzierung von Beiratsstrukturen bereitzustellen.

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