Am Sonnabend trafen sich Mitglieder des Netzwerks Hamburger Stadtteilbeiräte, um über die Zukunft der Bürgerbeteiligung in Hamburg zu diskutieren. Die Teilnehmer fordern dabei insbesondere die langfristige finanzielle Unterstützung der Beiratsarbeit. In Hamburg-Mitte ist die Fortführung zahlreicher Beteiligungsgremien derzeit nicht gesichert.
In vielen Hamburger Stadtteilen haben die BürgerInnen die Möglichkeit durch die Mitarbeit in Stadtteilbeiräten auf die Gestaltung ihrer Nachbarschaft aktiv Einfluss zu nehmen. Unter dem Slogan „Demokratie im Stadtteil – nur mit uns“ erarbeiteten rund 100 Teilnehmer aus 27 Beiräten auf einem Kongress am Sonnabend Vorschläge für die Ausweitung und Verstetigung der Beiratsstrukturen in ganz Hamburg. Die Hälfte der derzeit bestehenden Beiräte wird spätestens 2014 die Arbeit einstellen müssen, da die Fördermittel der Stadt zu diesem Zeitpunkt auslaufen werden.
Auch in Hamburg-Mitte stehen zahlreiche Stadtteilbeiräte vor einer ungewissen Zukunft. Die Einrichtung von festen Beteiligungsstrukturen ist in der Regel an Förderprogramme der Stadt gebunden. Läuft die Förderung für einen Stadtteil aus, müssen auch die Beteiligungsgremien die Arbeit beenden. Durch dieses Verfahren bangen in einigen Stadtteilen die bestehenden Gremien um ihren Bestand, während in anderen Stadtteilen bisher keine Strukturen zur Beteiligung der BürgerInnen vorhanden sind. Durch das Auslaufen des aktuellen Förderprogramms wird auch der älteste Hamburger Stadtteilbeirat in St. Georg gefährdet. Der Beirat ist seit 1989 eine feste Institution im Stadtteil.
„Manche Stadtteile haben die Größe von Klein- und Mittelstädten, ohne dass es eine entsprechende Vertretung der BürgerInnen gibt“, sagt Ingolf Goritz, beigewählter Bürger der Grünen. Mit einer Resolution setzt sich das seit 2009 bestehende Netzwerk der Hamburger Stadtteilbeiräte für eine Ausweitung und Verstetigung der BürgerInnenbeteiligung in Hamburg ein. Alle Stadtteile, die den Wunsch nach Beteiligung durch Beiratststrukturen haben, sollen nach Ansicht des Netzwerks die Möglichkeit erhalten diese zu etablieren. Zudem soll das Bestehen von Beiräten von Förderprogrammen abgekoppelt und durch einen eigenen Etat finanziert werden. „Bei vielen Themen vor Ort spürt man nichts von der immer beschworenen Politikverdrossenheit. BürgerInnen sind nur dann Politikverdrossen, wenn sie nicht mitentscheiden dürfen“, sagt Martin Kersting aus dem Stadtteilbeirat Steilshoop. Die Teilnehmer des Kongresses am Sonnabend sind sich einig, dass BürgerInnenbeteiligung nur dann sinnvoll funktionieren kann, wenn die Politik für gesicherte Rahmenbedingungen sorgt. So benötigen Beiräte einen verbindlichen finanziellen Rahmen und die fachliche Unterstützung von Seiten der Verwaltung. Auch ein Verfügungsfond zur Förderung von Projekten im Stadtteil nach dem Ermessen des Beirats soll fester Bestandteil funktionierender Beiratsstrukturen sein. Die Stadtteilbeiräte sollen jedoch mehr sein, als Vergabegremium für Stadtteilmittel. Die Teilnehmer des Kongress fordern eine verbindliche Umsetzung der Beiratsbeschlüsse durch Politik und Verwaltung. Stadtteilbeiräte, politische Gremien und Behörden sollen sich jedoch nicht als Gegensatz verstehen, sondern als Ergänzung und Bereicherung. Dabei soll jeder Beirat frei entscheiden können, wie er sich zusammensetzen und seine Arbeit gestalten will. „Nicht alle Beiräte müssen gleich aussehen. Wichtig ist, dass man nicht von oben Strukturen diktiert, sondern Dialog und Beteiligung ermöglicht“, sagt Michael Joho vom Stadtteilbeirat St. Georg. „Auch die Politik muss ihr Selbstverständnis ändern. BürgerInnen sind keine Bittsteller“, so Joho weiter.
Die Mehrheit der am Sonnabend anwesenden Politiker spricht sich in einer Podiumsdiskussion jedoch gegen eine zu starke Stellung der BürgerInnengremien aus. „Politiker tragen eine Verantwortung, die BürgerInnen nicht haben. BürgerInnengremien sollten daher einen empfehlenden Charakter haben“, sagt Dirk Kiernscherf, Bürgerschaftsabgeordneter der SPD. Die Verstetigung der Beiratsarbeit sei wichtig, daher habe man einen Quartiersfond eingerichtet, um die Beiräte auch nach dem Auslaufen der Förderprogramme zu unterstützen. In Hamburg-Mitte sind die Gelder aus dem Quartiersfond jedoch nicht in die Beiratsarbeit geflossen, sondern wurden für andere Institutionen und Projekte verwendet. Auch eine Ausweitung der Beiratsstrukturen auf alle Hamburger Stadtteile sieht Kiernscherf als problematisch an: „Die Stadt kann auf diese Arbeit nicht verzichten. Aber in welchem Umfang man diese ermöglichen kann, wird man im Einzelnen sehen müssen“. Als einzige Politikerin spricht sich am Sonnabend Heike Sudmann, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, für eine Ausweitung der Beiratsstrukturen und die umfangreiche finanzielle Unterstützung der Beteiligungsgremien aus. „BürgerInnen sind die Experten vor Ort und sollten mitreden dürfen. Dafür müssen Politiker bereit sein, etwas von ihrer Macht abzugeben“, sagt Sudmann.
Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat sich bereits mehrfach mit der Zukunft der Stadtteilbeiräte beschäftigt. Bisher bestehen jedoch weder in der Bezirksversammlung noch in der Bürgerschaft verbindliche Zusagen für eine langfristige Finanzierung der BürgerInnenbeteiligung. Auch die Einrichtung neuer Beiräte ist derzeit nicht klar geregelt. So beschloss die Bezirksversammlung einen neuen Beirat für die HafenCity zu etablieren, lehnte jedoch ein Beteiligungsgremium für St. Pauli Süd ab. Die Politik wird spätestens Ende des Jahres, wenn die Förderprogramme für die ersten Beiräte auslaufen, Lösungen für die Zukunft der BürgerInnenbeteiligung finden müssen.
Jürgen Fiedler
6. Mai 2013 at 11:07
Hallo Dominik, ich bin einer der Mitorganisatoren der Veranstaltung und arbeite in der Quartiersentwicklung in Dulsberg. Für unsere Stadtteilzeitung würde ich mich gerne inhaltlich bedienen, da der Artikel ausgesprochen informativ und gut geschrieben ist. Hättest du da etwas dagegen?
LG
Jürgen Fiedler
Dominik Brueck
8. Mai 2013 at 21:17
Hallo,
freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Natürlich kannst du dich inhaltlich gerne bedienen.
LG