Die Zukunft der Traditionsbuchhandlung Wohlers ist wieder offen. Laut Immobilienmakler Frank Jendrusch sind die Verhandlungen gescheitert, weil die Identität des „weißen Ritters“ zu früh an die Öffentlichkeit gekommen ist. Gegenseitige Schuldzuweisungen der Beteiligten finden den Weg in die Medien und die Bezirkspolitik.
„Wohlers bleibt“, berichtete auch Mittendrin am 19. Oktober 2012. Nach monatelangen Protesten der Bürgerinnen und Bürger St. Georgs für den Verbleib der Buchhandlung Wohlers in der Langen Reihe 68 atmete der ganze Stadtteil auf. Die genauen Umstände der plötzlichen Einigung mit Immobilienmakler Frank Jendrusch blieben zunächst im Dunkeln.
Am Montag den 22. Oktober meldete auch das Hamburger Abendblatt die große Sensation. Die anfängliche Berichterstattung stützte sich ganz offensichtlich in erster Linie auf die Pressemitteilung des Einwohnervereins St. Georg vom 21. Oktober 2012. Nicht so bei der Hamburger Morgenpost. Bereits am Montag präsentiert die MOPO ihren Lesern den Wohltäter des Stadtteils und titelt: „Felix Schlatter rettet Buchladen Wohlers“. Am Dienstag zieht schließlich auch das Abendblatt nach: „Schweizer Hotelier hilft Buchhandlung Wohlers“. Der Schweizer Felix Schlatter führt das Hotel Wedina in St. Georg und wäre für einen Teil der Miete des Traditionsgeschäfts Wohlers aufgekommen.
Gleichzeitig wirft das Hamburger Abendblatt dem Einwohnerverein St. Georg vor, sich in der besagten Pressemitteilung mit falschen Federn zu schmücken:
„Wir sind froh und stolz, St. Georgs Traditionsbuchhandlung gerettet zu haben“, hieß es gestern vom Einwohnerverein St. Georg (wir berichteten) über den Erhalt des Traditionsgeschäftes. Nun aber kommt heraus, dass es vielmehr die Liebe eines Hoteliers zur Literatur ist, die den Buchladen am Leben erhält.
(Hamburger Abendblatt am 23.10.2012)
Tatsächlich ist in der Pressemitteilung des Einwohnervereins jedoch nichts über den Urheber der Rettung zu lesen. Auch nicht also, dass der Einwohnerverein sich selbst dabei eine große Rolle zuschreibt. Einzig wird hier die große Freude über einen Erfolg der monatelangen Protestaktionen erwähnt. Dass diese es nicht allein gewesen sein können, die zum Einlenken von Jendrusch geführt haben steht außer Frage.
Auch die Bezirkspolitik meldet sich zu Wort. So wird Bezirksamtsleiter Grote im Hamburger Abendblatt wie folgt zitiert: „Da schreibt sich jemand einen Verdienst auf die Fahne, der nicht seiner ist. Ich hoffe, diese einzigartige Rettungsaktion kommt dennoch zustande“ (Abendblatt 23.10.2012). Zahlreiche Vertreter der Bezirkspolitik machen auch jetzt noch vor allem den Einwohnerverein für das Scheitern der Rettung verantwortlich.
Am 8. November 2012 dann der Schock: „Jetzt also doch: Aus für Buchhandlung Wohlers“ (Hamburger Abendblatt). Es wird klar, Immobilienmakler Frank Jendrusch hat den Deal platzen lassen. Jendrusch wirft Schlatter vor sich entgegen von Absprachen an die Presse gewandt zu haben. Dies bestreitet Schlatter. Die Verträge werden nie unterzeichnet und Schlatter sagt dem Abendblatt: „Mir scheint, als hatte Jendrusch nie ernste Absichten, Wohlers zu erhalten.“ Es zeigt sich, dass die mediale Aufmerksamkeit rund um die Buchhandlung Wohlers und den Retter Schlatter, dem Immobilienmakler Jendrusch eine einfach Gelegenheit bot, die Verhandlungen noch in letzter Sekunde platzen zu lassen und gleichzeitig die Einheit des Protests im Stadtteil durch gegenseitige Schuldzuweisungen zu spalten. Zu den Vorwürfen wollte sich Frank Jendrusch gegenüber Mittendrin bisher nicht äußern.
Die Zukunft der Buchhandlung Wohlers in der Langen Reihe ist wieder offen. Die Proteste und die Suche nach alternativen Lösungen gehen weiter. Die größte Hilfe, die Jürgen Wohlers jetzt zuteilwerden kann, ist ein geeintes St. Georg.
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