Am Sonnabend haben zwischen 9.000 und 15. 000 Menschen in der Hamburger Innenstadt gegen die europäische Flüchtlingspolitik und den Umgang des Hamburger Senats mit der Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“ protestiert. Die Demonstration spiegelt die breite Solidaritätsbewegung wider, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten entwickelt hat. Die friedlichen DemonstrantInnen setzen wiederholt ein deutliches Zeichen für ein Bleiberecht für die Flüchtlinge.
Die Solidarität mit den Lampedusa-Flüchtlingen reißt nicht ab. Auch an diesem Wochenende sind es laut Veranstalter wieder mehr als 15. 000 DemonstrantInnen die in der Hamburger Innenstadt ein lautes und buntes Zeichen für ein Bleiberecht der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ setzen. Laut Polizei waren es 9.000 TeilnehmerInnen. Was vor einigen Wochen mit spontanen Demonstrationen anlässlich von Personenkontrollen der Flüchtlinge durch die Polizei begann, hat sich zu einer breiten Solidaritätsbewegung weiterentwickelt. Auch auf der Großdemonstration am Sonnabend wird diese widergespiegelt. Zahlreiche politische und gesellschaftliche Gruppen und Initiativen, Gewerkschaften und Parteien sind auf der Demonstration vertreten. Viele sind aus anderen Bundesländern extra für die Demonstration angereist. Darunter auch viele Flüchtlinge, die außerhalb von Hamburg in öffentlichen Unterbringungen leben. Auch in anderen deutschen Städten kommt es zu Solidaritätsdemonstrationen für die Flüchtlinge. Kulturelle Einrichtungen, wie beispielsweise das Schauspielhaus zeigen ebenfalls ihre Solidarität.
Schauspielhaus grüßt Olaf Scholz #lampedusahh pic.twitter.com/9FrhfQxhYR
— Fiete Stegers (@fiete_stegers) November 2, 2013
“Wir wollen heute ein Zeichen setzen. Ganz Europa schaut auf Hamburg. Wir beginnen hier einen historischen Prozess, um das Dublin II-Abkommen abzuschaffen. Lampedusa in Hamburg, we are here to stay!”, sagt einer der Sprecher der Flüchtlinge bei der Auftaktkundgebung am Hachmannplatz.
In der vergangenen Woche hatte es immer wieder Spekulationen um eine mögliche Spaltung der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ gegeben. Nachdem der Senat der Gruppe ein Gesprächsangebot unterbreitet hatte, jedoch weiterhin die Feststellung der Personalien fordert, um ein Asylverfahren einzuleiten, stellte die Gruppe Anfang der Woche eine Gegenforderung – die Bildung einer Kommission. Einige der Männer, die seit Monaten in der St. Pauli-Kirche untergebracht sind, haben bereits angekündigt das Angebot des Senats anzunehmen und ihre Identität preiszugeben, damit ein Asylverfahren beginnen kann. Ein Teil der Gruppe will jedoch weiterhin aus Angst vor einer sofortigen Abschiebung anonym bleiben und bittet um ein Bleiberecht aus humanitären Gründen. „Es stimmt nicht, dass alle dort schlafenden Menschen sich entschieden haben, das Angebot des Senats anzunehmen. Der Gruppe “Lampedusa in Hamburg” liegt die Information vor, dass weit weniger als ein Drittel der Geflüchteten in der Kirche die Bereitschaft signalisiert haben, etwaig eine Duldung zu akzeptieren“, heißt es in einer Erklärung der Flüchtlinge. Die Gruppe sei trotz des starken Drucks nicht gespalten. „In einer so traumatischen Situation muss jeder Einzelne Entscheidungen für seine eigene Zukunft treffen. Nach ausgiebiger Diskussion sehen wir in dem Angebot des Senats jedoch viele versteckte Gefahren, die einen weiteren Dialog mit dem Senat notwendig machen. Der Kampf der Gruppe wird weitergehen, wir stehen zusammen und fordern gemeinsam unsere Rechte ein“, sagt Asuquo Udo, ein Sprecher der Gruppe.
Im selben Boot. #LampedusaHH pic.twitter.com/zKy2feLyyd
— mic ρ (@eubulia) November 2, 2013
Immer wieder wird auch auf der Demonstration Kritik am Senat, vor allem aber an Bürgermeister Olaf Scholz und der Hamburger SPD laut. Überall finden sich Spruchbanner und Plakate die Scholz zum Einlenken auffordern. Ein großes „FCK SPD“-Banner und zahlreiche Sprechchöre, wie „Olaf Scholz genug gehetzt, Bleiberecht wird durchgesetzt!“ verdeutlichen die Wut der DemonstratInnen über das Vorgehen des SPD-Senats. „Das Angebot einer Duldung von Seiten des Senats ist eine Beleidigung”, sagt einer der Sprecher der Flüchtlinge bei der Zwischenkundgebung am Ida-Ehre-Platz. Die Flüchtlinge treten weiterhin für ihre Maximalforderung ein – Bleiberecht für die gesamte Gruppe „Lampedusa in Hamburg“.
Zahlreiche Redner bedanken sich bei den Zwischenkundgebungen und der Abschlusskundgebung für die breite Solidarität der HamburgInnen. Max, Vertreter der Gewerkschaft Ver.di sagt: “Das hier ist mehr als eine Demo, es ist ein unübersehbares Ausrufezeichen. Dieser Kampf endet nicht mit dem heutigen Tag”. Noch am späten Abend kommt es zu weiteren spontanen Solidaritätsdemonstrationen im Bereich St. Pauli und Sternschanze.
Die Ereignisse der kompletten Demonstration könnt ihr hier in unserem Live-Ticker nachlesen.
Beobachter
3. November 2013 at 13:57
Die in diesem Artikel wiederholte Tatsachenbehauptung es hätte rassistisch motivierte Polizeikontrollen in Hamburg gegeben ist mindestens umstritten. Denjenigen, die diese Behauptung erheben, wird vorgeworfen mit dieser Unterstellung den Senat und der Polizei als rassistisch zu diffamieren.
Die Zahlen, die über Demonstrationsteilnehmer veröffentlicht werden fallen in aller Regel auseinander. Wärend die Organisatoren einer Demonstration die Zahlen immer möglichst hoch schätzen, gibt es von Seiten der Polizei regelmäßig niedrigere Zahlen zu lesen.
Es wäre eine journalistische Pflicht darzustellen woher die Angabe von 15.000 Demonstranten stammt, denn andere Berichte sprechen von lediglich 9.000 Teilnehmern.
Es wäre schön , wenn HH-Mittendrin sich nicht nur „mittendrin“ statt nur dabei fühlen würde, sondern sich an den Grundsatz von Hanns Joachim Friedrichs halten würde: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
Mittendrin
3. November 2013 at 19:33
Wir müssen uns für die entsprechenden Stellen im Text entschuldigen. Diese sind uns bei der Korrektur des Artikels leider nicht aufgefallen. Wir haben im ersten Absatz die Behauptung es handele sich um rassistische Kontrollen der Polizei entfernt. Auch die Teilnehmerzahl wurde korrigiert, sodass jetzt sowohl die Angaben des Veranstalters, als auch der Polizei genannt werden, wie dies korrekt ist. Danke für die Hinweise. Wir werden uns in Zukunft bemühen solche Fehler zu vermeiden.
max
4. November 2013 at 10:20
Hmm ich verstehe es nicht ganz was es an dem Vorwurf der rassistischen Kontrolle aus zu setzen ist. Wenn man an bestimmten Orten Personen nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert was anderes als Rassismus soll das bitte sein? Das man sowohl die Zahlen der cops als auch der Veranstalter darstellt halte ich für vernünftig auch wenn jeder der vor Ort war sehen konnte das 9000 eine bewußte Lüge der Polizei war weil sie ja irgendwie noch im Rahmen ihrer erwarteten 3500 bleiben müssten. Weiterhin möchte ich ihrer Seite danken. Eine der wenigen Seiten die über die Flüchtlingsdemos ohne Schaum vor dem Mund berichtet und nicht alle Demonstranten als Chaoten darstellt( in anderen Medien sieht es ja fast immer so aus als ob schon eine Demo an sich ein Vergehen wäre).
An Beobachter: Also sich nicht mit einer Sache gemein machen gut und schön aber das sollten sie vielleicht mal lieber der Mopo, Bild oder dem Abendblatt sagen. Da wird nämlich in einer Art und Weise gehetzt und gelogen das es einfach nur widerlich ist. Da sieht man das diese Zeitungen nur für den Senat und die cops berichten und deren Ziele unterstützen.
Horst
5. November 2013 at 19:57
Und nach einem Banküberfall kontrolliert man auch nicht den mit Waffen und Geld in der Hand weil das gegen irgendein essenzielles Recht verstößt nehme ich an?
Ermittlungsausschuss Hamburg
4. November 2013 at 23:28
In den vergangenen Wochen gab es in Hamburg erfreulich viele Demonstrationen und Aktionen, die größte davon war die am vergangenen Samstag.
Dies nehmen wir zum Anlass für ein kleines Demo-ABC für Einsteiger_innen, aber auch als Auffrischung für alle die nach vielen Demos und Aktionen „eigentlich nichts vergessen haben, aber“.
Wie bereite ich mich am besten auf eine Demo vor? Was sind meine Rechte gegenüber der Polizei? Muss ich mich vor Platzverweisen fürchten? Augen spülen, aber wie? Was tun bei Festnahmen oder Gewahrsamnahmen? Was sind meine Handlungsspielräume auf der Polizeiwache? Was mache ich mit Post von Polizei oder Staatsanwaltschaft?
Außerdem könnt ihr gerne eure Fragen loswerden.
Wir freuen uns auf euch – Mittwoch 6.11. um 20 Uhr in der Roten Flora!
Euer Ermittlungsausschuss Hamburg
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