Hunderte Flüchtlinge kommen zurzeit täglich nach Hamburg. Die Stadt reagiert mit provisorischen Unterbringungen in Zelten und Containern. Bezirk und Anwohner kritisieren, dass der Senat sie nicht an der Entscheidung beteiligt habe. Gleichzeitig stoßen die ehrenamtlichen Helfer in den Stadtteilen an ihre Grenzen.
Den Menschen hier fehlt es an den einfachsten Dingen: Bettzeug, Damenbinden, Babynahrung. In Etagenbetten schlafen je 16 Personen in einem Zelt, darunter Kinder und schwangere Frauen. Die meisten sind aus ihrem Heimatland Syrien geflohen und gerade erst in Deutschland, in Hamburg angekommen. Die Zelt-und Containerstadt ist die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Dratelnstraße in Wilhelmsburg. Über Nacht hat die Innenbehörde die dringend benötigten Plätze für weitere Geflüchtete aufgestockt. Statt 560 sollen auf dem Parkplatz nun 1200 Menschen untergebracht werden.
Bezirksamtsleiter Andy Grote und SPD-Fraktionsvorsitzender Falko Droßmann (SPD) kritisieren, dass die Entscheidung ohne Rücksprache mit dem Bezirk erfolgt sei. Nur mit einer Email sollen Verwaltung und Bezirkspolitik informiert worden sein. Laut Innenbehörde blieb für Kommunikation keine Zeit. In den ersten Juli Tagen sollen hunderte Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung vorstellig geworden sein. Eine schnelle Reaktion wie in Wilhelmsburg und auch in Jenfeld seien deshalb die einzige Option gewesen. „Es ist nicht gut für die Flüchtlinge, nicht gut für die Menschen in den Stadtteilen und nicht gut für die Stadt, die meisten Flüchtlinge in den ärmsten Stadtteilen unterzubringen“, kritisiert Droßmann. Es bestehe die Gefahr, hier „Ghettos“ zu schaffen.
Solidarität statt Protest
Während der Zeltaufbau in Jenfeld Proteste von Anwohnern auslöst und die Aufbauarbeiten sogar zeitweise unterbrochen werden müssen, reagieren die Wilhelmsburger solidarisch. Bereits seit November 2014 setzt sich der Verein „Die Insel hilft“ mit einer Kleiderkammer, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten für die Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung ein. So konnten auch am vergangenen Samstag innerhalb von zweieinhalb Stunden dringend benötigte Bettdecken für 30 Menschen gesammelt werden. Innerhalb von vier Stunden sind insgesamt acht Kubikmeter Spendenmaterial in der Dratelnstraße eingetroffen.
Trotz solcher Erfolge jagt in der Unterbringung in der Dratelnstraße ein Problem das nächste. Schon am Montag werden dringend Hygieneartikel wie Damenbinden, Tampons, Babyöl, Haarbürsten und auch Babynahrung benötigt. Ein Sozialarbeiter muss sich hier um 75 Menschen kümmern. Umso wichtiger sind die ehrenamtlichen Helfer. Doch auch die sind langsam überfordert. „Uns laufen die Ehrenamtlichen weg“, sagt Diana Ennet Vorsitzende von „Die Insel hilft“. Bereits vor der Aufstockung der Erstaufnahmeeinrichtung stieß die Flüchtlingshilfe auf den Elbinseln an ihre Grenzen. Viele Helfer fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen, die wenigen Sozialarbeiter können die dringend fehlenden Stellen nicht ausgleichen. Besonders kritisch sehen die Ehrenamtlichen, dass überhaupt Menschen in Zelten schlafen müssen.
Das ist kein Pfadfinderurlaub
Auch Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider (Die Linke) kritisiert, dass Menschen, die eine lange und beschwerliche Flucht hinter sich haben in Hamburg nun in Zelten untergebracht werden. Den Begriff „Zeltlager“ findet die Abgeordnete verniedlichend, es gehe hier schließlich nicht um Pfadfinderurlaub. Am Samstag hat sie sich in der Unterbringung im Jenfelder Moorpark umgesehen, in einem Facebook-Post fasst sie die Erlebnisse zusammen: „Bei heute 24 Grad im Schatten ist es im Zelt drückend heiß. Privatsphäre gibt es für die 16 Menschen, die in einem Zelt auf engstem Raum unterkommen, nicht. Was ist, wenn es tagelang regnet? Nirgendwo können die Menschen dann hin“, schreibt Schneider. Auf dem umzäunten Platz gibt es keine Gemeinschaftsräume, keine soziale Infrastruktur. „So etwas wie dieses Lager war für Hamburg für mich bisher unvorstellbar. Es ist eine absolute Notlösung. Wir dürfen uns daran nicht gewöhnen“, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion weiter.
Zeitgleich hat sich auch die SPD bei einer Klausurtagung in Boltenhagen mit dem Thema beschäftigt: Hilfsorganisationen sollen stärker unterstützt und Flüchtlingsunterkünfte in Zukunft auch in Gewerbegebieten eingerichtet werden. Gleichzeitig sollten abgelehnte Bewerber in Hamburg nun aber auch schneller abgeschoben werden, darauf haben sich die Sozialdemokraten geeinigt.
Keine Unterbringung auf Zeit
Wie lange die Unterbringung in Zelten geplant ist, ist völlig unklar. Bei Bedarf will die Innenbehörde weitere Zeltstädte aufbauen. Wie die Menschen im Herbst und Winter untergebracht werden sollen bliebt ungewiss. Umso wichtiger bleibt für die hunderten Menschen, die nach einer langen Flucht in Hamburg angekommen sind, die Solidarität und Unterstützung der Hamburger in den Stadtteilen. „Ehrenamtliches Engagement für die Menschen, die hier unsere Hilfe suchen kann man besonders in der aktuellen Situation gar nicht hoch genug schätzen. Wer helfen will kann sich an die Initiativen wenden, die vor Ort schon jetzt großartige Arbeit leisten. Eine weitere wichtige Stütze ist es, auch die eigenen Vereine für Flüchtlinge zu öffnen und ihnen hier Anschluss zu geben“, sagt Christiane Schneider gegenüber Mittendrin. Wer selbst mithelfen oder etwas spenden möchte, kann sich an die einzelnen Initiativen in den Stadtteilen wenden.
Akuteller Hinweis vom 14. Juli: Ab sofort können Hygiene-und Baby-Artikel für die Flüchtlingsunterkunft in der Dratelnstraße direkt bei Budni im Vogelhüttendeich gekauft und gespendet werden. Die Spenden werden täglich von der Initiative abgeholt und zeitnah in die Dratelnstraße gebracht.
Fotos: Christine Schneider, Unterbringung im Jenfelder Moorpark
janice
15. Juli 2015 at 02:53
Ich finde die Flüchtlingspolitik sollte dringend überarbeitet werden. 16 Personen in einem Zelt?- und wer garantiert,dass da dann nicht verfeindete Personen zusammen untergebracht werden??
Hamburg hat schon zu wenig mietobjekte für unsereins,wie sollen wir dann die ganzen Flüchtlinge unterbringen? Warum wird nicht einfach viel mehr gebaut? Fragen über Fragen