Die Esso-Häuser 2.0: Sozialer, flexibler, mehr St. Pauli 

Politik
Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Aus Wünschen, Forderungen und Utopien des Beteiligungsprozesses für die Gestaltung des Essohäuser-Areals hat die Planbude Empfehlungen für den Architektenwettbewerb und die Verhandlungen mit Bezirk und Investor formuliert.

Zuerst veröffentlicht in der taz vom 13. April 2015 

Die Clubs am Spielbudenplatz, die berühmte Tankstelle, die Protestaktionen: Die Fotos, die auf der Leinwand in der Stadtteilschule St. Pauli anfangs zu sehen sind, gleichen einer kurzen Zeitreise in die Vergangenheit, als die Esso-Häuser in St. Pauli noch standen. Diese Präsentation ist kein Teil von Schulunterricht, an diesem Samstag tagt eine Stadtteilkonferenz. Dabei geht es vor allem um die Zukunft, um den Neubau, der an Stelle der abgerissenen Häuser entstehen soll. Die „Planbude“ hat dazu eingeladen – sie sammelte im Auftrag des Bezirks Mitte seit Oktober 2014 Ideen und Wünsche der Anwohner für dieses Bauprojekt.

Lokales Wissen statt Planung von oben

Die Nostalgie um die Esso-Häuser als Symbol für St. Pauli einerseits und der Gentrifizierung des Viertels andererseits, weicht nun einer neuen Vision: Ein neues Stück St. Pauli mitzugestalten. Der Vorstellung der Ergebnisse am Samstag ist die Auswertung hunderter Fragebögen, Zeichnungen und Modelle vorausgegangen. Mit der gleichen Intensität, mit der das Viertel sich für einen Erhalt der Häuser eingesetzt hat, wird über den Neubau diskutiert. „Partizipation muss weitergedacht werden, um mit diesem Schatz weiterzuarbeiten“, sagt Christoph Schäfer vom Planbude-Team, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den St. Pauli-Code zu knacken und hat dabei auf das lokale Wissen der Anwohner gesetzt. Dies soll die Grundlage für die Verhandlungen mit dem Bezirk und der Bayerischen Hausbau über den Inhalt der Ausschreibung für den Architektenwettbewerb bilden.

Die Gruppe hat die Forderungen der Anwohner jetzt zugespitzt – und in Vorschläge übersetzt, die in ihren Augen realisierbar sind. Sie will versuchen, möglichst viel davon in die Ausschreibung für den Architektenwettbewerb um den Neubau unterzubringen.

Wohnen: Günstig, flexibel und mit Raum für Gemeinschaft

Besonders wichtig war den Anwohnern, für wen der Wohnraum geschaffen werden soll. Der Bedarf an Sozialwohnungen ist aus Sicht der Befragten sehr hoch, sie wünschen sich einen Anteil von 75 Prozent. 50 Prozent der Wohnungen sollen unter acht Euro pro Quadratmeter kosten, fordern die Anwohner. Außerdem sollen zwei Drittel des Wohnraums genossenschaftlich organisiert sein – eine Vorstellung, die sich gegen die aktuellen Besitzverhältnisse mit der Bayerischen Hausbau als Eigentümerin richtet. In dem Neubau soll es auch Platz für kleinteiliges, kiez-affines Gewerbe sowie die Rückkehr bekannter Läden geben – zu niedrigen Gewerbemieten. Platz für Wohnungslose und Geflüchtete soll es auch geben. Groß ist auch der Wunsch nach Begegnungsräumen: eine Jugendpassage etwa oder ein überdachter Treffpunkt als Ersatz für die Esso-Tankstelle.

Die Anwohner haben vielfältige Ansprüche an die Wohnungen in dem Gebäude: Sie sollen Platz für Singles, große Wohngemeinschaften und Familien bieten. Um dies kostengünstig zu ermöglichen, sollen so viele Bereiche wie möglich als Gemeinschaftsbereiche gedacht werden, schlägt die Planbude vor. Die Wohnungen selbst könnten dann in unterschiedlichen Ausbaustufen angeboten werden, um eine flexible Anpassung an die Bedarfe der Bewohnerinnen zu ermöglichen, so das Konzept.

Zwischen Utopie und und Machbarkeit

Wie die Ausschreibung für den Architektenwettbewerb am Ende aussieht, entscheidet die Planbude allerdings nicht allein – sie muss mit der Bezirksverwaltung, der Lokalpolitik und dem Investor verhandeln. Sollten sich diese Akteure schnell einigen, beginnt die Ausschreibung noch im Juni.

„Die Frage ist, was davon fromme, leere Wünsche sind und was umsetzbar ist“, sagt Schäfer. Nun spielt dabei nicht nur Kreativität eine Rolle, sondern auch die finanziellen Mittel. Schäfer ist sich sicher: „Wenn vieles kleinteilig gestaltet und die Fläche voll ausgenutzt, von Proberäumen im Keller bis hin zu Café und Garten auf dem Dach, dann kann hier auch viel Geld verdient werden.“

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