Politik

Rindermarkthalle: Fünf Fragen zur Eröffnung

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Donnerstag, 18. September, wird ab 10 Uhr die Eröffnung der neuen Rindermarkthalle auf St. Pauli gefeiert. Der Bau des Einkaufszentrums mit Markthalle hatte im Stadtteil für zahlreiche Diskussionen gesorgt, bei denen insbesondere der Anteil der für Initiativen aus dem Stadtteil nutzbaren Flächen und der Umfang der Bürgerbeteiligung kritisiert wurden. Zur Eröffnung haben wir Projektentwicklern und Kritikern je fünf Fragen zur Rindermarkthalle gestellt.

Foto von Jo.Fruechtnicht (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

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Torsten Hönisch, Projektentwickler der Rindermarkthalle bei Maßmann und Co.

1. Entspricht die Rindermarkthalle in der Form wie sie jetzt eröffnet wird Ihren Vorstellungen?

Unbedingt. Wir wollten ein Konzept umsetzen, das zum Viertel passt. Das haben wir erreicht!
In der Rindermarkthalle finden sich keine Fastfood-Ketten, keine Mode-oder Schmuckshops. Stattdessen viele tolle individuelle Konzepte rund um das Thema „Lebensmittel und Frische“. Wir haben für den bunten und wachsenden Stadtteil St. Pauli einen idealen Mix gefunden aus Nahversorgung mit preiswerten Lebensmitteln und Angeboten, die Einkaufen zu einer sinnlichen Erfahrung machen. Die Rindermarkthalle wird die vielfältige internationale Kultur der umliegenden Viertel wunderbar widerspiegeln. Es wird Hamburgs erster richtiger überdachter Marktplatz. Wir haben traditionelles Schlachter- und Bäckerhandwerk und den Obsthändler aus dem Alten Land genauso wie den Händler orientalischer Spezialitäten. Das Einzige, was wir uns anders gewünscht hätten ist die Gestaltung der Außenflächen. Wir hätten gern Flächen für Urban Gardening und für einen großen Spielplatz zur Verfügung gestellt. Hier gab es aber leider unüberwindbare Hindernisse (v.a. Brandschutz und Denkmalschutz), sodass wir trotz intensiver Suche nach Lösungen am Ende das Außenflächenkonzept nicht so umsetzen konnten, wie wir es uns vorgestellt hatten.

2. Welchen Nutzen bringt die Rindermarkthalle dem Stadtteil und auf welche Belastungen müssen sich die Anwohner nach der Eröffnung einstellen?

An erster Stelle können die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Stadteile endlich wieder wie früher vor der Haustür einkaufen. Aus unseren vielen Gesprächen und den Reaktionen aus dem Viertel wissen wir, dass dies den Leuten am Allerwichtigsten ist. Die Menschen wünschen sich ein großes Sortiment und günstige Preise. Dieses Grundbedürfnis wurde seit der Schließung von Real einfach nicht mehr erfüllt. Zusätzlich haben wir in der Rindermarkthalle einige Mieter, die vorher in der Umgebung im Schanzenviertel und anderswo keine bezahlbaren Mietflächen mehr finden konnten. Wir haben einen Schlachter, einen Fischmann, wir haben Hamburgs ältestes Haushaltwarengeschäft, wir haben den kleinen Gewürzhändler usw… Daneben wird die Halle das neue Zuhause für viele Initiativen aus dem Stadtteil. Zum Beispiel die Street Art School, die Kung Fu Schule, das Theater Projekt Orange oder die Kultur Loge – eine Initiative, die sozial benachteiligten Bürgern frei Tickets für Kulturveranstaltungen zur Verfügung stellt. Das alles wird eine große Bereicherung für das Viertel!

3. Kann das gewählte Format der Bürgerbeteiligung rückblickend als Erfolg gewertet werden?

Ein klares „Ja, aber…“ Wir hatten eine Vielzahl wirklich gut besuchter Veranstaltungen und jede Menge lebendiger Diskussionen. Vieles von dem, was an Befürchtungen geäußert oder an Vorschlägen gemacht wurde, konnten wir berücksichtigen. Im Ergebnis haben wir eben keine sterile Shopping-Mall mit Standard-Filialisten, sondern eine lebendige Rindermarkthalle, die sich mit ihren Angeboten in den Stadtteil hinein vernetzen und immer eine große Offenheit für Neues haben wird. Natürlich muss sich ein Projekt auch immer wirtschaftlich darstellen lassen, aber die Rindermarkthalle ist ein sehr starkes Beispiel dafür, dass man gute Lösungen finden kann, wenn man sich gemeinsam an einen Tisch setzt. An dieser Stelle kommt das „aber“: Einige Initiativen, die sich am Anfang besonders intensiv mit Forderungen hervorgetan haben, haben sich leider relativ schnell aus den Beteiligungsformaten herausgezogen, weil sie ihre singulären Interessen nicht gewährleistet sahen. Hier hat mangelnde Kompromissfähigkeit leider dazu geführt, dass man sich gar nicht mehr im Prozess engagiert hat. Das fand ich schade. Das Beispiel des Container-Projekts „Ballsaal“ zeigt, dass es auch anders gehen kann: Da sind Menschen aus dem Viertel auf uns zugekommen mit ganz klaren Vorstellungen und realistischen Anforderungen. Gemeinsam haben wir einen Weg gefunden, das Projekt umzusetzen. Es handelt sich hier eben nicht um ein von der Stadt, sondern rein privatwirtschaftlich finanziertes Projekt. Da müssen alle Seiten auf einander zu gehen. Die Bürger Hamburgs kostet die Rindermarkthalle keinen Euro. Einige Initiativen haben das leider bis zum Ende nicht verstanden.

4. Entspricht die Belegung der soziokulturellen Flächen dem was Sie sich für diesen Ort gewünscht haben?

Auch hier wieder ein klares Ja! Ich habe mich wirklich gefreut zu sehen, welche Konzepte sich beworben haben und wer am Ende von der (aus Stadtteil-Vertreterinnen und Vertretern gebildeten) Vergabekommission ausgewählt wurde. Wir haben ein tollen Mix aus Kultur und Sozialem. Die Mieter sind alle unglaublich engagiert und brennen darauf, endlich einzuziehen und loszulegen.

5. Wie soll sich aus Ihrer Sicht das Areal der Rindermarkthalle bis 2025 entwickeln?

Die Halle soll und wird ein vielfältiger und integraler Bestandteil des Lebens im Viertel sein. Ein Ort zum sinnlichen Erleben, ein Ort zum Einkaufen, zum Genießen aber auch zum Gestalten. Wir wollen, dass hier viel passiert. Märkte, Flohmärkte, Ausstellungen, Veranstaltungen usw… Die Rindermarkthalle soll ein Ort zum Leben für alle sein. Im besten Sinne das Stadtteil-Zentrum auf, für und von St. Pauli!

Wunschproduktion Rindermarkthalle

1. Entspricht die Rindermarkthalle in der Form, wie sie jetzt eröffnet wird, Ihren Vorstellungen?

Nein. Die neue Rindermarkthalle ist ein reines Einkaufszentrum, wie es sich in Dutzenden Städten findet: überdimensioniert und fast ausschließlich auf Konsum ausgerichtet. Nur auf fünf Prozent der Gesamtfläche gibt es „stadtteilnahe Nutzungen“, die zudem auch noch im Obergeschoss versteckt sind. Ein Stadtteilgarten, wie von sehr vielen Anwohner*innen gewünscht, findet sich ebenso wenig wie frei gestaltbare, nicht-kommerzielle Räume, Stadtteilwerkstätten oder ein Indoor-Spielplatz, um nur einige weitere Anwohner-Wünsche zu nennen.

2. Welchen Nutzen bringt die Rindermarkthalle dem Stadtteil und auf welche Belastungen müssen sich die Anwohner nach der Eröffnung einstellen?

Der einzige Nutzen ist, dass das Karoviertel nun wieder die Möglichkeit hat, in einem großen Supermarkt einzukaufen. Der Autoverkehr an der Halle wird hingegen deutlich zunehmen und sich auf die umliegenden Straßen auswirken. Kleinen Einzelhändlern in den angrenzenden Quartieren, die Lebensmittel anbieten, könnte das Überangebot an Lebensmitteln in der Rindermarkthalle das Leben unnötig schwer machen. Wenn der Aldi in der Paul-Roosen-Straße schließt, weil er in die Rindermarkthalle umzieht, fällt für die Anwohner*innen drumherum außerdem eine wichtige Nahversorgung weg.

3. Kann das gewählte Format der Bürgerbeteiligung rückblickend als Erfolg gewertet werden?

Es hat keine Bürgerbeteiligung (von Anwohner*innen) stattgefunden. Was stattgefunden hat, war eine Beteiligung aus Vertretern von Parteien und einigen Einrichtungen im Stadtteil, um die Flächen für „stadtteilnahe Nutzungen“ zu vergeben – eine sogenannte „Stakeholder-Beteiligung“. Und auch die kam zu spät: Das Gesamtkonzept stand bereits fest, als die Stakeholder-Beteiligung Anfang 2013 startete. Von Edeka Nord entwickelt, wurde das Konzept im September 2011 von der Sprinkenhof AG und dem ehemaligen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber ohne Beteiligung von Anwohner*innen beschlossen und bekanntgegeben.

4. Entspricht die Belegung der soziokulturellen Flächen dem, was Sie sich für diesen Ort gewünscht haben?

Nein. Wir können zwar die Freude der Mieter*innen in den Flächen nachfühlen, dass sie im völlig überteuerten St. Pauli endlich einmal bezahlbare Räume gefunden haben. Aber die Belegung deckt nicht all die Wünsche ab, die die Anwohner*innen in der Wunschproduktion zusammengetragen haben. Und ein selbstverwalteter, frei nutzbarer Raum für den Stadtteil ist nicht dabei.

5. Wie soll sich aus Ihrer Sicht das Areal der Rindermarkthalle bis 2025 entwickeln?

Im Idealfall scheitert das Einkaufszentrum-Konzept schon frühzeitig, weil die enormen Rendite-Erwartungen von Edeka Nord nicht erfüllt werden. Dann bestünde die Chance, im dritten Anlauf aus dem Stadtteil heraus ein Nutzungskonzept für die Halle zu entwickeln, das tatsächlich die Wünsche der Anwohner*innen in ihrer Vielfalt widerspiegelt.

Kommentare anzeigen (2)

2 Kommentare

  1. Sankt Pauli

    17. September 2014 at 08:30

    Sozio-kulturelle Nutzung zum niedrigen Mietpreis – gut, aber was ist ausgewählt worden: Stricken, töpfern, langweilig… Der frei nutzbare Raum ist weg. Von der alten Moschee kein Wort, komisch. EIn Reinfall, und der ehemalige Bezirksamtsleiter Schreiber geht jetzt in die Bürgerschaft.

    • St.Paulianer

      21. Dezember 2014 at 23:23

      Von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie beim Thema.

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