Neues im Fall Erichstraße: Eigentümer und Bezirk haben sich auf einen Kündigungsschutz für die MieterInnen geeinigt. Daneben werden Fehler bei der Prüfung des Kaufvertrages sichtbar.
Die etwa 50 MieterInnen in der Erichstraße 29 und 35 können aufatmen: Der Bezirk und der Eigentümer haben sich auf einen Kündigungsschutz geeinigt. Die Vereinbarung sieht vor, dass alle MieterInnen, die älter als 50 Jahre sind, einen lebenslangen Kündigungsschutz erhalten. Zudem sollen alle übrigen MieterInnen einen Kündigungsschutz bis mindestens zum 1. Januar 2030, also für 15 Jahre bekommen. Darüber hinaus sollen jeweils Nachträge zu einzelnen Mietverträgen abgeschlossen werden, um auch mögliche neue Eigentümer nach dem Kauf an diese zu binden.
Laut dem Bezirk soll zudem nur dann eine Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen genehmigt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass dies geschehen ist. Besonders die Verpflichtung des Eigentümers, die Wohnungen in den kommenden sieben Jahren nur an die BestandsmieterInnen zu verkaufen, will der Bezirk überprüfen und kontrollieren. Jeder beabsichtige Verkauf muss dann durch den Bezirk genehmigt werden. Die MieterInnen sollen kurzfristig vom Eigentümer informiert werden.
„Mit dem ausgehandelten mindestens 15-jährigen Kündigungsschutz konnten wir für die Mieter weit mehr erreichen, als nach dem Gesetz durchsetzbar war. Das ist ein wichtiger Erfolg nicht nur für die Mieterinnen und Mieter in der Erichstraße sondern auch für unseren Kampf gegen die Verdrängung der Wohnbevölkerung auf St. Pauli insgesamt. Das Instrument der Sozialen Erhaltungsverordnung wirkt und wir werden es weiter konsequent Anwenden“, sagte Bezirksamtsleiter Andy Grote, SPD.
Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen dem Eigentümer und den MieterInnen, die sich zur Initiative „Kämpferich“ zusammengeschlossen haben, war die befürchtete Verdrängung der BewohnerInnen aufgrund eines Schlupflochs in der sozialen Erhaltungsverordnung. Die Initiative „Kämpferich“ kritisiert, dass der Verkauf unter den Kriterien der Erhaltungsverordnung möglicherweise gar nicht hätte stattfinden dürfen. „Im Geltungsbereich einer Sozialen Erhaltungsverordnung muss das Bezirksamt den Kaufvorgang prüfen und gegebenenfalls den Verkauf an einen bekannten ‚Umwandler‘ durch Vorkauf abwenden oder zumindest unter Auflagen stellen“, heißt es in einer Stellungnahme der Initiative. „Dafür muss die Finanzbehörde den Kaufvertrag an das Bezirksamt zur Prüfung weiterleiten. Die Nicht-Durchführung dieses Prüfverfahrens ist nicht zulässig.“
Die Linke wirft dem Senat währenddessen Verfahrensfehler bei der Prüfung des Kaufvertrages vor: Wie eine Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Partei bestätige, sei der Verkauf der Mietshäuser 29 und 35 nicht wie vorgeschrieben dem Bezirksamt Mitte gemeldet worden, welches weitere Prüfungen des Vertrages hätte vornehmen müssen. Stattdessen habe die Finanzbehörde dem Käufer binnen einer Woche ungeprüft bescheinigt, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht wahrnehme. Als Grund nennt der Senat ein „Büroversehen“, zu den Gründen könnten mangels Archivierung keine Angaben mehr gemacht werden. Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken, sagt dazu: „Es ist ungeheuerlich, dass der Senat dem Verkauf ohne Prüfung zugestimmt hat. Jetzt ist es offiziell: Die MieterInnen der Erichstraße hat der Senat schlicht und einfach verkauft.“ Die Initiative „Kämpferich“ fordert nun Aufklärung: „Wir wollen genau wissen, was in der Finanzbehörde schief gelaufen ist. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Umwandlung durchgewunken wird, obwohl die Behörden im Vorfeld kapitale Fehler gemacht haben“, hieß es am Freitag in einer Stellungnahme der Initiative.
Foto: Dominik Brück
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