Kultur

Kulturpolitik: Dialog gleich Konsens?

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Sally Eshun
@sall_e

Redakteurin bei Hamburg Mittendrin und Freihafen | Email: eshun@hh-mittendrin.de

Am Mittwoch lud die Kulturpolitische Gesellschaft zur Podiumsdiskussion ein. Es wurden Kulturentwicklungsprozesse untersucht und die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung diskutiert. Vor allem aber musste sich Kultursenatorin Barbara Kisseler behaupten.

„An den Stellen, an denen sich etwas verändert, wird es meistens laut“, sagt Kultursenatorin Barbara Kisseler und kam somit auf das Gängeviertel zu sprechen. 2009 sollten die Gebäude, wovon einige unter Denkmalschutz stehen, zum größten Teil durch einen niederländischen Investor abgerissen oder saniert werden. Die Initiative „Komm in die Gänge“ wurde gegründet und setzt sich seitdem für den Erhalt des Gängeviertels ein. Sie fordert unter anderem auch die Selbstverwaltung des öffentlichen Viertels. Nun muss sich die Stadt fragen, ob dies denn möglich ist. Julin Petrin, Urbanist und Gründungsmitglied des Stadtentwicklungsprojekt „nexthamburg“, ist der Ansicht, dass direkte und repräsentative Demokratie auszutarieren sind. Seit der Situation im Gängeviertel, die er „Hamburgs Stuttgart 21“ nennt, sei die starke Motivation zur Beteiligung deutlich zu sehen.

„Hamburg ist eine merkantil orientierte Stadt“

Volker Kirchberg, Kultursoziologe am Institut für Soziologie und Kulturorganisation der Universität Lüneburg, kam auch auf die Esso-Häuser zu sprechen, die vor ein paar Wochen abgerissen wurden. Er sieht die Protestaktionen nicht als bloße Unzufriedenheit der Bewohner. Es symbolisiere das Unverständnis gegenüber der losgelöste Immobilienwirtschaft in Hamburg. „Der Investor muss lernen, dass Hamburg nicht München ist. Die Esso-Häuser sind ein kulturelles Symbol“, sagte er. Die Kultursenatorin verteidigte den Abriss, denn „die Sicherheit muss immer gewährleistet sein.“ Sie beobachte jedoch das Verhältnis zwischen der Stadt und ihren Künstlern sehr kritisch: „Die Stadt genießt Kultur, solange sie nicht stört.“ Darin sähe sie aber nicht die Aufgabe der Kultur. Es herrschte ein allgemeiner Konsens im Publikum als Kisseler sagte, dass Kultur „subversiv zum Denken anregen“ soll. Dies sei aber nicht mehr möglich, wenn Hamburg weiter so merkantil orientiert handele.

Kultur von unten oder Musicalmetropole?

Um „Kultur von unten“ bestehen zu lassen, müsse bezahlbarer Raum zur Verfügung stehen. Eine Zuhörerin traf damit einen empfindlichen Nerv. Das Thema Gentrifizierung wurde wieder angeschnitten, was unvermeidlich im Zusammenhang mit Kulturentwicklungsprozessen scheint. Keiner der drei Diskutanten widersprach ihr. Jedoch hatten sie auch keinen Lösungsansatz. Um freie Kreativität existieren zu lassen, müsse eine „merkantile Stadt wie Hamburg Mut beweisen“, sagt Petrin. Kirchberg schnitt das Thema „Hamburg als Musicalstadt Europas“ an. Er äußerte sich skeptisch zu diesem Konzept und fragte sich ob dieses überhaupt als Kultur bezeichnet werden kann. Die Kultursenatorin reagierte schnippisch und stellte klar, dass die Verwaltung und vor allem die Finanzierung solcher Projekte nicht in der Verantwortung der Stadt lägen.  Vielen Hamburgern ist die Entwicklung zur „Musicalstadt“ ein Dorn im Auge. So versucht der Musicalbetreiber Stage Entertainment eine Seilbahn von St. Pauli bis zum Musical-Theater im Hafen zu bauen. In diesem Fall ist die Resonanz der Bürger deutlich: Die Seilbahn ist ungewollt. In diesem Fall hat Bürgerbeteiligung in kulturpolitischen Fragen funktioniert.

Wie bereit ist die Stadt?

„Bürgerbeteiligung ist möglich“ sagt Petrin. Es müsse nur in kleinen Schritten erfolgen. Die Stadt hätte Angst vor „unkontrollierbaren Folgen“, wenn sie zu voreilig agiere. Auch Kisseler war der Meinung, dass es keinen Königsweg gäbe. Die Vorurteile und Berührungsängste beider Seiten müssten zuallererst abgelegt werden, denn Bürger und Bürokratie ständen sich antagonistisch gegenüber. „Beide Parteien sprechen eine andere Sprache, was es schwieriger macht aufeinander zuzugehen.“Das Publikum schien insgesamt ernüchtert. Besonders von der Kultursenatorin waren einige enttäuscht. Ein Zuschauer hatte den Eindruck, dass sich Kisseler wiederholt aus jeglicher Verantwortung zieht. Nach ihm beinhaltete die Podiumsdiskussion viele Floskeln und keine konkreten Lösungen für die Zukunft.

Kommentare anzeigen (2)

2 Kommentare

  1. Ralf

    15. Juni 2014 at 10:34

    Kultur, die sich verselbständigt, ist von Seiten der Politik nicht gewollt und wird umgehend unterdrückt. In den Augen der Pfeffersäcke, ist Kultur lediglich ein Mittel der Machtfestigung und der eigenen Denkmalsetzung, wie zum Beispiel die des Ole von Beust. Der hat doch Mühe, das Wort Kultur zu buchstabieren, geschweige denn, diesen Begriff inhaltlich zu füllen.
    Der demokratische wie soziale Wert und die Kraft der Kultur sind die Feinde des „Demokratieverständnisses“ dieser „humanistischen Vollpfosten“ und dann noch mit Bürgerbeteiligung ? Das hätte, für die Politik und die Wirtschaft zur Folge, dass es für sie ein massiver Anschlag auf ihre eigenen Egos, ihr undemokratisches, teils diktatorisches Handeln, sowie ihres „sozialen Verständnisses“ – falls überhaupt vorhanden – bedeuten würde.
    Veranstaltungen dieser Art sind somit lediglich Sandmännchen – Veranstaltungen,unnütze Zeit und Geldverschwendung und verpuffen im kreativen Off. Statt ihrer laberrabarber – Orgie, hätte der Ort, inclusive Materials, dieses Forums besser KünstlerInnen zur Verfügung gestellt werden sollen, um sicht – und begreifbare Ergebnisse produzieren zu können.
    Unterm Strich sind solche Veranstaltungen sinnlose, mit Baldriangestank verpestete Nutzlosigkeiten und
    diese sogenannte Kultursenatorin Kissler ist so unfähig, dass, jede Fissler Bratpfanne mehr sinnvolle Kultur in diese Welt setzt, als es diese Frau je vermögen könnte.

    Ralf H.P. Apelt

  2. Karl

    29. Juni 2014 at 10:48

    Der vorherige Kommentar lässt sich nur noch so beschreiben: „Ein Internetformum ist ein Ort in dem sich jeder so gut blamiert wie er kann.“ Es ist mitnichten so das „die Kultur“ die Speerspitze der Demokratie (oder der Revolution) gegen die „Vollpfosten“ ist.

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