Unter dem Motto „Europawahlen? Nicht ohne uns!“ haben sich VertreterInnen der Jugendorganisationen der Parteien in Hamburg den Fragen von SchülerInnen gestellt. Deutlich haben die Jugendlichen dabei gezeigt: Sie wollen Europa in Zukunft aktiv mitgestalten.
Flüchtlingspolitik, Freihandelsabkommen, Wahlen ohne Sperrklausel: Am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium wurden die VertreterInnen der Jugendorganisationen der Parteien in Hamburg – Julia Grauvogel (Grüne Jugend), Daniel Oetzel (Julis), Ronja Schmager (Jusos) und Carsten Ovens (Junge Union) – von den SchülerInnen Hilla Wali und Alexander Kartheiser zur anstehenden Europawahl am 25. Mai befragt. Obwohl die meisten der teilnehmenden etwa 120 SchülerInnen höchstens 16 Jahre alt sind und damit ihre Stimme im Mai bei zwar der Bezirks- nicht aber der Europawahl abgeben dürfen, sind sich alle einig: „Europawahlen? Nicht ohne uns!“
Europawahl ohne Drei-Prozent-Sperrklausel – gefährlich oder gerecht?
Im Februar hat das Bundesverfassungsgericht die geltende Sperrklausel bei den Europawahlen für verfassungswidrig erklärt, nachdem ein Zusammenschluss kleiner Parteien Klage gegen die Regelung eingereicht hatte. Der Wegfall der Hürde wurde vor allem von den großen, etablierten Parteien eher negativ aufgenommen. Auch für die Jugendorganisationen ein Streitthema. „Der Wegfall der Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen ist eine sinnvolle Entscheidung, jede Stimme sollte zählen“, sagt Daniel Oetzel, Landesvorsitzender der Jungen Liberalen. Ganz anders sieht das Ronja Schmager, Juso-Kreisvorsitzende in Harburg: „Es besteht die Gefahr, dass so anti-europäischen Parteien und Rechtspopulisten der Weg ins Parlament geebnet wird.“ Auf die Frage, ob eine Sperrklausel den großen Parteien nicht auch die Konkurrenz vom Leibe halte, entgegnet die junge Bezirkspolitikerin deutlich: „Rechtspopulisten sind keine Konkurrenz, sondern Idioten.“
Nach dem Ergebnis der Europawahl 2009 beispielsweise würden aus Deutschland die Freien Wähler zwei Sitze erhalten, die Republikaner einen, ebenso wie die Tierschutzpartei, die Familienpartei, die Piraten, die Rentnerpartei und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). Für Carsten Ovens, Landesvorsitzenden der Jungen Union, ein massives Problem. Das Urteil des Bundesverfassungsgericht beachte die zunehmenden Kompetenzen des Europäischen Parlaments nicht. Zusätzliche Kleinparteien im Parlament würde die Handlungsfähigkeit massiv einschränken. Tatsächlich haben schon jetzt 16 europäische Staaten, darunter Großbritannien keine Sperrklausel bei den Europawahlen. „Es ist zu befürchten, dass auch NPD und AfD ohne eine Sperrklausel Sitze im Europäischen Parlament erhalten. Welcher Fraktion werden die Kleinparteien sich zuordnen? Gibt es dann eine ‚Resterampe gegen Europa‘?“, sagt Ovens und entgegnet Oetzel von den Jungen Liberalen: „So zählt eben nicht jede Stimme, ohne eine Fraktion ist die Stimme für die Kleinen verschenkt. Entscheidet euch für die Etablierten.“ Dieser Appell ist für Julia Grauvogel von der Grünen Jugend nicht ausreichend, man müsse die WählerInnen wieder mehr für die europäische Idee begeistern.
Europäische Flüchtlingspolitik – her mit dem solidarischen System
„Das EU Asylrecht muss reformiert werden“, sagt Ronja Schmager (Jusos). Dafür müsse die Dublin-II-Verordnung durch einen fairen Schlüssel ersetzt werden. Darüber hinaus müssten gleiche Standards für sichere, gute und menschenwürdige Unterbringungen der Flüchtlinge in ganz Europa gelten, so Schmager weiter. Statt für Grenzsicherung solle die EU das Geld besser in eben diese Standards investieren, meint Julia Grauvogel (Grüne Jugend). Einer besseren Verteilung stimmt auch Carsten Ovens (Junge Union) zu, keinesfalls jedoch einer vollständigen Abschaffung der Sicherung der Europäischen Außengrenzen. Für Schmager (Jusos) ist klar, dass die Flüchtlingspolitik bereits vor der europäischen Grenze anfangen muss. „Wir müssen uns fragen: Wo gehen die Leute los? Was können wir tun, damit die Situation vor Ort gar nicht erst so schlimm ist, dass man diesen gefährlichen Fluchtweg auf sich nehmen muss?“, so Schmager weiter. Daniel Oetzel (Junge Liberale) weist die SPD-Bezirkspolitikerin darauf hin, dass der SPD-Senat bereits mehrfach dazu aufgefordert worden ist, einheitliche Standards für Öffentlichrechtliche Unterbringungen in Hamburg zu schaffen. „Momentan kommen sehr viele Flüchtlinge nach Hamburg, viele alte Schulen und Turnhalle werden zu Einrichtungen umfunktioniert. Aber ja, Mindeststandards müssen eingeführt werden“, entgegnet Schmager dem Vorwurf.
Debatte über neue Schulreform geht an der SchülerInnen vorbei
In der lebhaften Diskussion der SchülerInnen mit den jungen PolitikerInnen wird vor allem eines deutlich: Auch wenn sie am 25. Mai noch nicht mitwählen dürfen, so haben sie doch einen großen Gestaltungsanspruch für das zukünftige Europa. Zwischen Themen wie der aktuellen Situation in der Ukraine und den Handlungsmöglichkeiten der EU sowie der europäischen Finanzkrise rückt der Fokus am Ende dann doch zurück auf die Lebenswelt der SchülerInnen: „Wie stehen sie zur aktuellen Diskussion um G8 und G9? Soll das Hamburger Schulsystem erneut umgestellt werden?“ Ein Frage die deutliche Einigkeit auf dem Podium hervorruft – und gleichzeitig eine deutliche Forderung: Beim Thema Schulreform sollte vor allem mit und nicht über die SchülerInnen gesprochen werden. Gerade um darauf aufmerksam zu machen, hat die Junge Union in den vergangenen Wochen mehrere hundert Hamburger SchülerInnen dazu befragt, was sie über die erneute Debatte denken. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Debatte an den Bedürfnissen der Hamburger SchülerInnen vorbei geht. Ein Großteil der Befragten gibt nämlich an, dass das Abitur nach acht Jahren gut zu schaffen ist“, sagt Carsten Ovens und erntet dafür den Beifall der SchülerInnnen.
Fotos: Jonas Walzberg
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