Im Rahmen des Off-Theater-Festivals 150% Made in Hamburg wurde Susis Show Bar auf der Reeperbahn an drei Abenden zur Theaterbühne. „Watch Me Strip“ heißt die Show des Schweizer Künstlerduos Thom Truong, die vor allem zeigte wie vielschichtig die Kunst des Entkleidens sein kann.
Susis Show Bar ist eine Institution auf der Reeperbahn. In dem Tanzlokal räkeln sich allabendlich Stripperinnen auf der Bühne, die in der Mitte der Örtlichkeit thront. Lasziv bewegen sie sich auf beängstigend hohen Absätzen und ziehen sich langsam aus.
Zuerst ist da Pina. Sie ist klein, kaum geschminkt und ihr nackter Oberkörper offenbart kleine Brüste. Pina sieht so gar nicht wie eine Stripperin aus, während sie barfuss, mit Knieschonern und einem Akkordeon auf die Bühne steigt und – singt. Sie trägt glänzend blaue Hotpants, die vorne ausgebeult sind, als habe sie einen Penis. „Ich mache jetzt einen Striptease“, sagt sie und zieht sich die Knieschoner aus. Dann kniet sie auf den Boden und macht Liegestütze – erstaunlich viele. Am Ende der Performance steht sie nackt da, nur den Akkordeon umgeschnallt und singt erneut diese melancholische Melodie. Pina spielt mit den Geschlechterrollen, die im Striptease doch eigentlich so klar vorgegeben scheinen. Sie bringt Elemente des Männerstriptease in ihre Performance ein, durch den nackten Oberkörper aber auch durch die Liegestütze, mit denen sie ihre Kraft demonstriert.
Die Theorie des Striptease
Für die nächste Performance springt Patrick auf die Bühne. Verlegen lächelnd blickt er ins Publikum und beginnt unbeholfen, sich auszuziehen. Im Hintergrund läuft „You can leave your hat on“ von Joe Cocker. Tanzend und im Versuch die Hüften zu schwingen, wirft Patrick Schuhe, Hose und schließlich auch die Unterwäsche vor das Publikum, um schließlich nackt und schweigend im hellen Scheinwerferlicht stehenzubleiben. „Ist Striptease nur Zerstreuung für Intellektuelle?“, fragt er in die Stille hinein. Und spricht weiter darüber, dass der Striptease in den USA und in England vor allem ein Volksvergnügen sei, während er auf dem alten Kontinent etwas ernster genommen werde. Patrick spricht über die Theorie des Striptease, zieht sich wieder an und geht.
Steven schließlich ist bereits nackt, trägt glitzernde Absatzschuhe und Hörner bei sich. Er beginnt, sich mit weißem Klebeband einzuwickeln. Erst Hoden und Penis, die Beine, den Oberkörper, die Arme. Das Publikum schaut fasziniert zu, unentschlossen, ob es schmunzeln oder irritiert das Gesicht verziehen soll. Schließlich streift sich Steven die High-Heels über und setzt sich die Hörner auf den Kopf. Wem es bis dahin nicht klar war, fällt es spätestens jetzt auf: sein schmaler androgyner Körper ist weder Frau noch Mann, er hat sich selbst zur Zwitterkreatur abgeklebt. Als er anfängt, sich auf der Bühne wie in Ekstase zu räkeln, reißt das Klebeband auf. Er zieht es sich nach und nach von der Haut und geht schließlich wieder nackt von der Bühne.
Die vierte und letzte Performance ist ein klassischer Striptease – nur ist es keine Frau, die tanzt, sondern Zihan. Er bewegt sich lasziv und dreht aufreizend die Hüften im Kreis. Das besondere an dieser Performance ist Marina, die am Ende der Nummer in Erscheinung tritt. Die Striptease-Tänzerin ist hochschwanger und hat die Darsteller von „Watch Me Strip“ während der Ausarbeitung der Show begleitet. Was beim Tanzen ihr liebster Moment sei, fragt Zihan. „Kurz bevor ich die Korsage ausziehe“, sagt Marina. „Ich mag es, mit dem Publikum zu spielen.“ Ums Spiel, darum geht es beim Striptease letztendlich auch. Darum, durch das langsame Ausziehen das Publikum zu necken und erotische Fantasien anzuregen.
Strippen steht nicht immer mit Frauen in Verbindung
Die vier Künstler kommen aus unterschiedlichen Disziplinen. Angela Pina Ganzoni macht Bewegungstheater, Patrick Balaraj Yogarajan ist Schauspieler, Steven Schoch bildender Künstler und Zihan Loo Tänzer. „Diese Vielfältigkeit war uns wichtig“, sagt Monika Truong, die Regisseurin. „Jede Performance zeigt eine andere Sicht auf das Nacktsein und Ausziehen.“
Thom Truong wollen den Striptease nicht nur als Tanz verstanden wissen und ihn vor allem nicht nur mit Frauen in Verbindung bringen. Aus diesem Grund sind auch drei der Darsteller Männer. „Eigentlich bei allen Nummern spielen wir mit den Geschlechterrollen“, sagt Monika Truong. „Letztlich sind alle Performances solidarisch mit Frauen. Weil sie in Kontrast stehen zum idealen Frauenbild.“
Höhepunkt des Abends ist zweifelsohne, als Marina kurz gemeinsam mit Zihan tanzt. Es ist erstaunlich, wie grazil und anmutig ihre Bewegungen trotz des dicken Bauches sind.„Watch Me Strip“ ist eine teilweise schön skurrile Show, die den Blick auf eine Welt verändert, über die es besonders viele Stereotype gibt.
Fotos: © Simone Scardovelli
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