Politik

Wer bestimmt, wo das nächste StadtRAD hinkommt?

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Henriette Bunde

Geboren am 26.10.1985 in Rostock | M.Sc. Politics, Economics and Philosophy | journalistische Praktika (Print, Radio)

Das StadtRAD in Hamburg ist eine Erfolgsgeschichte. Ein weiterer Ausbau der Leihrad-Stationen hingegen ist aufgrund des finanziellen Rahmens in den nächsten Jahren seitens des Senats erstmal nicht geplant. Statt dessen drängt die SPD dazu, die Finanzierung neuer Stationen durch Kooperationen mit Dritten zu prüfen.  Eine Idee, die mit Vorsicht zu genießen ist.

Die Erfolgsgeschichte von Fahrradverleihsystemen begann vor über vierzig Jahren in Amsterdam, wo 1968 weiß angestrichene Fahrräder – sogenannte „Witte Fietsen“ für die öffentliche Nutzung angeboten wurden. Leider wurden die Räder reihenweise gestohlen oder landeten in Kanälen, weshalb das Programm schon nach einigen Tagen eingestellt wurde. Seit dem wurde daran getüftelt, das System sicherer zu machen. Ende der 1990er Jahre etablierten sich die Leihräder, nun ausgestattet mit elektronischen Schlössern, weltweit. In Deutschland besteht der Anspruch Fahrradverleihsysteme baulich, räumlich, tariflich und informatorisch in den öffentlichen Personenverkehr einzubinden.

Seit Juli 2009 bewegt das StadtRAD Hamburg. Inzwischen sind die knallroten Räder mit dem Hamburger Wappen stadtbekannt. Das Fahrradleitsystem wird von der Bahntochter DB Rent im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg betrieben. Es ist mit über 2 Millionen Nutzungen pro Jahr deutschlandweit das erfolgreichste System. Ende 2013 gab es 129 Stationen und 1650 Räder. Nun wurde Ende Februar ein Antrag der Grünen zum Bau 50 neuer Stationen aus Mitteln des Busbeschleunigungsprogramms von der Hamburgischen Bürgerschaft mehrheitlich abgelehnt. Nach Informationen des NDR werden die vorgesehenen öffentlichen Mittel für das Hamburger Leihradsystem im Doppelhaushalts 2015/2016 für die Instandhaltung benötigt, neue Stationen könnten davon nicht finanziert werden. Die SPD hingegen forderte in einem Antrag den Senat dazu auf, zu prüfen, ob im Rahmen von Kooperationen mit Dritten in den kommenden Jahren weitere StadtRAD-Stationen finanziert werden können.

Erfolgreiche Kooperation mit Unilever

Ganz aus der Luft gegriffen ist diese Idee nicht. Die Station „Unilever Strandkai 1“ brachte das StadtRAD Ende 2010 in die HafenCity. Das Unternehmen Unilever, das dort seinen deutschen Sitz hat, hat sich an den Investitionskosten beteiligt. Weitere Kooperationen sind laut dem SPD-Antrag in der Troplowitzstraße in Lokstedt mit Firmen wie der Beiersdorf AG und in Altona mit dort ansässigen Bauherren geplant. Doch genau hier könnte sich ein Problem ergeben: „Wenn man diesen Weg geht, bestimmen die Standorte von Unternehmen mit darüber, wo Stationen in Frage kommen“, meint Jutta Kodrzynski, Bezirksabgeordnete der Grünen in Hamburg-Mitte. Ausschlaggebend können auch andere „externe“ Faktoren sein. So begrüßt die Politikerin ausdrücklich die Ausweitung des StadtRADs in den letzten Jahren über die Elbe nach Veddel und Wilhelmsbug, gibt aber auch zu bedenken: „Ohne igs und IBA hätten wir hier mit Sicherheit nicht so schnell Standorte für das StadtRAD bekommen“. Es bleibt ein Beigeschmack der Ungleichbehandlung von Stadtteilen ohne Unternehmen wie Unilever und attraktive Großveranstaltungen.

Kooparation mit Dritten ist keine Garantie für eine Win-Win-Situation für alle

Hier könnte ein typisches Problem sogenannter öffentlich-privater Partnerschaften zutage treten. Anhänger dieser Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen verweisen auf beidseitige Vorteile – eine Win-Win-Situation kann entstehen. Genau dieses „Win-Win“ für alle Beteiligten stellen Kritiker jedoch in Frage. Denn Unternehmen und politische Akteure stehen in einem Interessenkonflikt zueinander. Während Erstere vor allem daran interessiert sind, eigene Ideen durchzusetzen, ist es die Aufgabe der Politik, sich bei der Ressourcenverteilung am Wohle Aller zu orientieren. Ein Mix aus beidem kann zum Ausschluss von Bevölkerungsteilen führen. Übertragen auf das beliebte Hamburger StadtRAD bedeutet dies, dass von politischer Seite aus, wie bei jeder größeren Infrastrukturmaßnahme, die Planung  an den Bedürfnissen der Bürger angepasst erfolgen sollte: „Bedarfe gibt es beispielsweise in Wohngebieten in Hamm, Horn und Billstedt, auch Harburg ist vom StadtRAD-System isoliert“, so Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Hamburg-Mitte.

Eine weitere ökonomische Theorie besagt, dass mehr für die einen insgesamt nicht schlecht sein kann, solange niemand anderes dadurch weniger bekommt. Also doch lieber StadtRAD-Stationen in Kooperationen mit Unternehmen anstreben, als gar keine Ausweitung aufgrund knapper Mittel in Kauf nehmen? Öffentliche Gelder wären aber für den Ausbau des StadtRADs im Hamburger Osten durchaus vorhanden, meint Osterburg: „Zum Beispiel bei den Einnahmen der Stadt, die durch die Vermietung von Werbeflächen entstehen“.

Es gilt, alle Stadtteile im Auge zu behalten

Das Hamburger StadtRAD ist und bleibt also eine Erfolgsgeschichte. Doch Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen kosten Geld. Die Kooperation mit Dritten stellt deshalb ein attraktives Instrument dar, um die Erfolgsgeschichte noch erfolgreicher zu gestalten. Allerdings müssen es auch nicht zwingend private Unternehmen sein. In Lüneburg sind im letzten Jahr durch die Kooperation mit der Leuphana Universität fünf Leihrad-Stationen entstanden. Somit bleibt zu hoffen und zu erwarten, dass bei aller Planung für das StadtRAD die (noch) weniger angeschlossenen Stadtteile Hamburgs von politischer Seite aus auch in Zukunft angemessen berücksichtigt werden.

Foto: Stefan Klink

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