Der endgültige Auszug der Esso-Mieter wurde mit erneutem Protest begleitet: Am Samstagnachmittag fand auf dem Spielbudenplatz eine künstlerische Aktion gegen den geplanten Abriss der Häuer statt.
Seit der Evakuierung der einsturzgefährdeten Esso-Häuser im Dezember – Grund hierfür waren von Mietern gemeldete Erschütterungen in einem der Wohngebäude – halten Empörung und Protest im Stadtteil weiter an. Der Vermietergesellschaft Bayerische Hausbau wird vorgeworfen, das Gebäude mit Absicht jahrzehntelang vernachlässigt zu haben, um es schließlich abreißen und durch einen größeren Neubau ersetzen zu können.
Unter dem Titel „Verschöner your local Bauzaun“ hatte nun das Bündnis SOS St. Pauli zu einer kreativen Protestaktion aufgerufen. Das Bündnis besteht seit dem Jahr 2011 und setzt sich aus mehreren Stadtteilinitiativen zusammen. Die AktivistInnen setzen sich für eine stärkere Partizipation von AnwohnerInnen in der Stadtplanung ein.
Im Rahmen der Aktion werden Fotografien ehemaliger BewohnerInnen an den Bauzaun angebracht, ein Kind hängt gemeinsam mit seiner Mutter ein buntes, selbst gemaltes Bild in die so entstandene Galerie. Auf einem der Bilder ist ein sympathisch aussehender älterer Herr zu sehen, gemeinsam mit seiner Frau sitzt er auf einem Sofa in einem gemütlichen Wohnzimmer. In der Bildunterschrift heißt es: „Unser Herz schlägt auf St. Pauli“. Eine Aktivistin erzählt, dass dieser Mann 50 Jahre in den Esso-Häusern gelebt habe und er vergangene Woche 99 Jahre alt geworden sei – diesen Geburtstag könne er nun nicht zuhause feiern. Daneben stapeln AktivistInnen Kartons zu einer Mauer vor dem Bauzaun übereinander – „ESSO AREAL in öffentliche genossenschaftliche Hände“ und andere politische Forderungen sind auf den Kisten zu lesen.
Die Stimmung bleibt friedlich, lediglich ein Streifenwagen ist vor Ort. Einige Polizisten mahnen zwar an, dass dies eine öffentliche Versammlung sei, die AktivistInnen lassen sich jedoch nicht beirren und beharren auf einer Fortsetzung der künstlerischen Aktion – schließlich lassen sie die BeamtInnen gewähren.
Niels Boeing, einem der Aktivisten des Bündnisses SOS St.Pauli und selbst Bewohner des Stadtteils, ist dieser kreative Protest jedoch noch nicht genug: „Eigentlich müsste man rund um die Uhr im Einsatz sein, um gegen diesen ganzen Wahnsinn der städtischen Politik anzugehen – denn der ganze Stadtteil brennt.“ Eine weitere Anwohnerin bemerkt: „Wenigstens bleiben nun die Touristen weg und es ist ruhiger auf den Straßen St. Paulis“ – dies sei ein schöner Nebeneffekt der andauernden Demonstrationen und Aktionen auf den Straßen, sagt sie.
Dieser Samstagnachmittag macht erneut deutlich, dass friedlicher Protest möglich ist: Nach der künstlerischen Aktion räumen AktivistInnen sämtliche Überreste weg, die Pappkartons werden wieder eingepackt, das Transparent eingerollt. Einer der anwesenden Polizisten äußert sich wohlwollend: „Das ist gut so – wäre ja schön, wenn das alle so machen würden“.
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