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Stadtteilbeirat St. Georg: Ende der Förderung – Ende der Beteiligung?

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Seit 34 Jahren ist BürgerInnenbeteiligung in St. Georg in einem Beirat organisiert. Mit dem Ende der Integrierten Stadtteilentwicklung soll auch der Stadtteilbeirat schrittweise aufgelöst werden. Die St. GeorgerInnen fordern eine Fortsetzung der Beiratsarbeit in bisheriger Form.

Vom Sanierungsbeirat Lange Reihe bis hin zur Gründung des Stadtteilbeirats – in St. Georg kann nunmehr auf 34 Jahre institutionell geförderte und organisierte BürgerInnenbeteilung zurückgeblickt werden. Mit dem Ende des Rahmenprogramms für Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) soll nun auch die Arbeit des Stadtteilbeirats beendet werden.

Verstetigung statt Abwicklung

Dafür soll in einem ersten Schritt soll die Anzahl der Sitzungen bereits 2014 von zehn auf fünf reduziert werden. Gleichzeitig werden die Mittel des Beirats gekürzt. Das Stadtentwicklungsbüro ASK, das den Beirat bisher begleitet und betreut hat, kann davon auf lange Sicht nicht mehr bezahlt werden. Bereits 2015 soll es den Stadtteilbeirat nur noch in Form selbsttragender Strukturen – ohne städtische Finanzierung – geben. 

„Es handelt sich nicht nur um den ältesten, sondern auch um einen der am besten besuchten Beiräte in Hamburg. Wir fordern daher die Verstetigung der Arbeit“, sagt Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg. Zwischen 70 und 100 interessierte BürgerInnen nehmen regelmäßig an den Beiratssitzungen teil.

„Der Stadtteilbeirat ist ein wichtiger Vermittler zwischen den BürgerInnen und der Verwaltung“, sagt Martin Streb, Vorsitzender des Bürgervereins St. Georg. Immer wieder seien es insbesondere Ideen, Anstöße und auch Beschwerden, die über den Beirat an die entsprechenden Ansprechpartner in Politik und Verwaltung herangetragen werden. Das Themenspektrum gehe dabei weit über die RISE-Projekte hinaus. „Die Organisation des Beirats lässt sich nicht einfach durch ehrenamtliche Arbeit ersetzen“, so Streb weiter.

BürgerInnenbeteiligung auf Raten

Besonders kritisch sehen die Beteiligten die zukünftige Verringerung der Sitzungstermine. „Eine Reduzierung auf vier bis fünf Treffen im Jahr bedeutet für uns als Beirat eine immense Einschränkung der Arbeitsfähigkeit“, erklärt Streb. Die Distanz zwischen den einzelnen Treffen sei zu groß, besonders für weniger involvierte BürgerInnen seien die politischen Vorgänge so noch schwieriger nachvollziehbar. Bereits jetzt dauere eine reguläre Sitzung des Beirats drei bis vier Stunden, die Tagesordnung und Liste an Beschwerden sei bei nur fünf Sitzungen im Jahr noch länger.

Ganz im Sinne des Netzwerks für Hamburger Stadtteilbeiräte, das in zwei Resolutionen die Verstetigung und Ausweitung der Beiratsarbeit in Hamburg fordert,  sind sich auch Einwohner- und Bürgerverein einig über die Forderung nach der Verstetigung des Beirats. Mehr noch: „Überall dort, wo BürgerInnen sich beteiligen wollen, sollte auch die Möglichkeit bestehen, Stadtteilbeiräte zu initiieren und vor allem auch bestehende Strukturen zu erhalten und zu stärken“, sagt Martin Streb.

Weniger Einigkeit herrscht in St. Georg über die zukünftige Finanzierung des Beirats. „Das Geld für den Beirat darf nicht länger aus den Projekten kommen, die Finanzierung der BürgeInnenbeteiligung in Form von Beiräten muss stadtweit geregelt werden“, sagt Martin Streb weiter. 

Aus Sicht des Bürgervereins bestünde jedoch die Möglichkeit die Arbeit des Beirats zu entzerren, beispielsweise durch kürzere Berichte aus dem Beirat, selbst organisierte Arbeitsgruppen sowie insbesondere durch den Verzicht auf einen Verfügungsfond. Auf diese finanzielle Ausstattung würde jedoch nicht alle Beiratsmitglieder verzichten wollen. „Wir wünschen uns hingegen auch in Zukunft eine vollständige Förderung des Beirats“, erklärt Michael Joho und fordert: „Im nächsten Haushalt muss in fester Posten für die Finanzierung der Stadtteilbeiräte geschaffen werden!“

Nicht mehr auf Augenhöhe

Mit der Abwicklung des Beirats verliert dieser auch die Möglichkeit Empfehlungen an die Bezirkspolitik abzugeben. Aktuell müssen alle Empfehlungen des Beirats durch den Ausschuss für Wohnen und Stadtteilentwicklung beraten werden. Aus Sicht der Beteiligten geht damit der Kontakt auf Augenhöhe, zwischen Beirat und dem Bezirk verloren. Die Befürchtung: Die Beiratsarbeit und die Möglichkeiten der tatsächlichen Einflussnahme werden eingeschränkt. Auch fürchten die Beiratsmitglieder, dass  die regelmäßigen Besuche von VertreterInnen der Fachämter und aus der Bezirkspolitik mit der Abwicklung nur noch sporadisch stattfinden werden.

„Die Vermittlerrolle zwischen BürgerInnen und Verwaltung geht verloren. Für viele BürgerInnen ist es eine größere Hemmschwelle ihr Anliegen in einem Parteibüro oder direkt in der Fragestunde eines Ausschusses vorzutragen, als im Stadtteilbeirat“, erklärt Michael Joho. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass der Beirat als Anlaufstelle im Stadtteil erhalten bleibe. „Die Arbeit des Beirats kann nicht mit dem Ende der RISE-Förderung einfach enden, während die Projekte sich noch im Prozess der Umsetzung befinden“, findet Andreas Pfadt, Geschäftsführer des Stadtentwicklerbüros ASK.

Am Dienstag, den 26. November findet die vorerst letzte Sitzung des Stadtteilbeirats St. Georg statt, die als „Bilanz- und Protestveranstaltung“ gestaltet werden soll. Eingeladen sind dazu auch die stadtentwicklungspolitischen SprecherInnen der Bürgerschaftsfraktionen, VertreterInnen des Netzwerks Hamburger Stadtteilbeiräte sowie des Stadtteilbeirats Wilhelmsburg, der ebenfalls zum Jahresende 2013 auslaufen könnte.

Auch in der BürgerInnenfragestunde in der Bezirksversammlung am 21. November 2013 wurde über die Zukunft des Stadtteilbeirats St. Georg diskutiert:

 

Bilanz- und Protestveranstaltung des Stadtteilbeirats St. Georg:

Dienstag, 26.11.2013, 18.30 Uhr, Heinrich-Wolgast-Schule, Carl-von-Ossietzky-Platz.

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