Am Dienstag hat der Stadtteilbeirat St. Georg zum letzten Mal als Teil der integrierten Stadtteilentwicklung getagt. Wie die BürgerInnenbeteiligung im Stadtteil zukünftig umgesetzt werden soll, ist zu weiten Teilen unklar – jetzt beschäftigt sich die SPD in der Bürgerschaft mit dem Thema.
Nein, es gibt hier nichts umsonst! Trotzdem drängt sich am Dienstag eine Menschenmasse in die Aula der Heinrich-Wolgast-Schule: Es ist die letzte Sitzung des Stadtteilbeirats St. Georg in der bisherigen Form – ab dem nächsten Jahr soll die Arbeit des Gremiums Stück für Stück verringert werden. Statt zehn soll es in 2014 nur fünf Sitzungen geben und der Verfügungsfond stark verringert werden. Ob es ab 2015 überhaupt noch BürgerInnenbeteiligung in dieser Form im Stadtteil geben wird, steht in den Sternen.
Für viele Beiratsmitglieder ist das eine Zäsur – ein historischer Moment. Mit 34 Jahren Dienstzeit ist der Beirat der älteste in Hamburg. Durchschnittlich 70 Gäste bei 24 gewählten Mitgliedern, machen ihn gleichzeitig zu einem der größten in der Hansestadt. „Wenn es uns nicht gelingt, diesen Beirat zu erhalten, ist das eine Niederlage für die BürgerInnenbeteiligung in ganz Hamburg“, sagt Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg und langjähriges Beiratsmitglied.
Thema in der ganzen Stadt
Das Bezirksamt versichert, dass die Arbeit des Beirates im kommenden Jahr fortgesetzt werden kann. Ob danach weiterhin Mittel für die Finanzierung der BürgerInnenbeteiligung bleiben werden, weiß niemand. 40.000 Euro stehen in St. Georg 2014 für die Arbeit des Beirates zur Verfügung. Das reicht für fünf Sitzungen und einen Verfügungsfond von 10.000 Euro. „Nächstes Jahr sind wir alle gefordert, um zu sehen wie der Beirat 2015 erhalten werden kann“, sagt Michael Mathe, Leiter des Fachamtes Stadt- und Landschaftsplanung. Den Beiratsmitgliedern ist das nicht genug: „Bürgerbeteiligung braucht eine Stetigkeit, die bei einer so geringen Sitzungszahl nicht gegeben ist“, sagt Martin Streb vom Bürgerverein St. Georg. Schon jetzt würden die Sitzungen mehrere Stunden dauern, damit alle Themen besprochen werden können. „Mit regelmäßiger BürgerInnenbeteiligung kann man auch die Politikverdrossenheit bei den BürgerInnen bekämpfen“, sagt Streb weiter.
Mit dieser Meinung stehen die St. GeorgerInnen nicht alleine da. Selbst als die Sitzung längst begonnen hat, strömen noch Menschen in die Aula. Es sind nicht nur BewohnerInnen von St. Georg: Zahlreiche Mitglieder anderer Beiräte sind gekommen, da in ihren Stadtteilen ähnliche Probleme bestehen. In ganz Hamburg fehlt es aus ihrer Sicht an der ausreichenden Verstetigung von Beteiligungsgremien. „Die Demokratie endet dort, wo der Senat von seinem Evokationsrecht Gebrauch macht und ohne die BürgerInnen regiert“, sagt Lutz Cassel, Vorsitzender des Beirates für Stadtteilentwicklung in Wilhelmsburg. Auch hier drohte nach 2013 das Ende des Gremiums. Durch eine Finanzspritze aus dem Quartiersfond der Bürgerschaft konnte dies jedoch vorerst abgewendet werden. Das Thema BürgerInnenbeteiligung in den Stadtteilen ist so bedeutsam, dass sich seit über einem Jahr das Netzwerk der Hamburger Stadtteilbeiräte für den Ausbau und die Verstetigung von Beiräten in ganz Hamburg einsetzt.
Ein Fall für die Bürgerschaft
Für die Stadt waren am Dienstag Bürgermeister Olaf Scholz und Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau in den Beirat eingeladen – beide sagten den Termin ab. Der Beirat will dennoch ein klares Zeichen an Bürgerschaft und Senat senden: „Von hier aus muss ein deutliches Signal ausgehen, dass BürgerInnenbeteiligung erhalten und verstetigt werden muss“, sagt Michael Joho. Auch die Bezirkspolitik unterstützt im Grunde dieses Anliegen. Die Bezirksversammlung hat bereits beschlossen beim Senat einen eigenen Haushaltstitel für Beiratsarbeit zu fordern. „Der Beirat wird nicht abgewickelt. Wir setzen uns für den Erhalt ein“, sagt Christoph Korndörfer von der SPD.
Der Bezirk hat tatsächlich alle möglichen Maßnahmen ergriffen, um die Stadtteilbeiräte zu verstetigen. Die Entscheidung liegt jetzt beim Senat und den regierenden Sozialdemokraten im Rathaus. „Wir dürfen nicht als Bittsteller gegenüber dem Senat auftreten, sondern müssen die SPD auffordern ihre Versprechen im Bezirk auch in der Bürgerschaft durchzusetzen“, sagt Bernhard Stietz-Leipnitz, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bezirk. Dieser Forderung scheinen die Sozialdemokraten jetzt nachzukommen: Nach Informationen von Mittendrin hat der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Kienscherf, einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich mit der Unterstützung von BürgerInnenbeteiligung in den Stadtteilen befassen soll. Zu der Arbeitsgruppe sollen auch Bezirksabgeordnete der SPD gehören. Wann mit den ersten Ergebnissen zu rechnen ist, kann bisher niemand sagen – in St. Georg hofft man, dass vor 2015 eine Lösung gefunden wird.
Video: Enno Heidtmann
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