Seit Freitag werden auf dem Gelände der Gewerbeschule in der Klaus-Groth-Straße rund 20 Bäume gefällt, darunter zwei 150 Jahre alte Spitzahornbäume. Auch Proteste von AnwohnerInnen konnten die Bäume nicht retten. Die zuständige Finanzbehörde beruft sich auf eine gültige Genehmigung, die erteilt wurde, ohne die politischen Gremien des Bezirks zu beteiligen.
Am Montagmittag heulen auf dem Gelände der Gewerbeschule an der Klaus-Groth-Straße erneut die Motoren der Kettensägen auf. Die Stämme zahlreicher Bäume liegen schon auf dem ganzen Grundstück verteilt. Die Äste wurden bereits zu Sägespänen verarbeitet und abtransportiert. Jetzt sollen zwei 150 Jahre alte Spitzahornbäume gefällt werden. Ralf Apelt beobachtet die ganze Szenerie von seinem Balkon aus. Der 60-Jährige hat seit er am Freitag von den Plänen zur Fällung der Bäume erfahren hat kaum geschlafen. Mit einer Einstweiligen Verfügung hatte Apelt versucht den Erhalt der Bäume zu erwirken. „Diese Bäume haben zwei Weltkriege und den Feuersturm von 1943 überstanden und sollen nun einfach abgeholzt werden“, sagt Apelt. Die Bäume seien unbedingt erhaltenswert und würden zudem einen wirkungsvollen Sicht und Schallschutz für die AnwohnerInnen darstellen. Der Grund für die Fällarbeiten ist der geplante Bau einer neuen Turnhalle und eines neuen Verwaltungstraktes der Schule.
Bereits um 7 Uhr hatten sich am Montag rund 20 AnwohnerInnen vor dem Eingang zur Schule versammelt, um den Fahrzeugen der Gartenarbeiter den Zugang zu dem Gelände zu erschweren. „Alles was wir brauchten war ein bisschen mehr Zeit für die Entscheidung des Richters über die Einstweilige Verfügung“, sagt Apelt. In der Zwischenzeit hat auch Anke Singer, der eine Wohnung neben dem Schulgelände gehört, eine Einstweilige Verfügung eingereicht. „Es dürfte wenige Bäume mit diesem Alter in Hamburg geben. Sie sind die grüne Lunge des Stadtteils und tragen wesentlich zur Lebensqualität hier bei“, begründet Singer ihren Einsatz für die Erhaltung der Bäume. Gegen 9 Uhr gibt das zuständige Gartenbauunternehmen Entwarnung. Für heute seien keine Fällarbeiten mehr auf dem Gelände geplant. Die Gruppe der AnwohnerInnen löst sich langsam auf. Ralf Apelt geht zum ersten Mal seit Tagen etwas entspannter frühstücken. „Jetzt haben wir erst mal etwas Luft für weitere juristische Schritte“, sagt Apelt.
Die Grundlage für die Fällung der Bäume ist eine Genehmigung des Bezirksamts Hamburg-Mitte, welche die für die Bauarbeiten zuständige Finanzbehörde beantragt hatte. Die Genehmigung wurde jedoch nicht dem Umweltausschuss der Bezirksversammlung vorgelegt, der über alle Baumfällungen im Bezirk informiert werden muss. Stattdessen teilte das Bezirksamt den Fraktionen am 30. September in einer Email mit, dass aufgrund des engen Zeitplans weder bis zur Erteilung der Baugenehmigung noch bis zur nächsten Sitzung des Umweltausschusses gewartet werden könne. Es werde daher eine vorgezogene Fällgenehmigung erteilt. Diese Information war somit für die AnwohnerInnen bis zum Beginn der Arbeiten nicht verfügbar. „Man lässt uns über die Arbeiten in unserer Nachbarschaft völlig im Dunkeln“, sagt ein Anwohner. Auch die Bezirkspolitik hatte nicht die Möglichkeit eventuelle Einwände öffentlich zu äußern. Aus der Email des Bezirksamtes geht zudem hervor, dass aufgrund von Platzmangel auf dem Gelände nur zehn Bäume als Ersatz gepflanzt werden können. Es werde daher eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 12.000 Euro gezahlt.
Für Ralf Apelt und die anderen AnwohnerInnen sind neue Bäume und eine Ausgleichszahlung jedoch kein Ersatz für die alten Spitzahornbäume. Gegen 13 Uhr sitzt Apelt am Montag zusammen mit Anke Singer und der Anwohnerin Lilian Haferkamp in seiner Wohnung und raucht nervös eine Zigarette nach der anderen. Selbst durch die geschlossenen Fenster dringt das Dröhnen der Kettensägen hinein. Vor wenigen Minuten waren die Arbeiter überraschend mit dem notwendigen Hubwagen erschienen und hatten damit begonnen die Krone des ersten Spitzahorns Stück für Stück abzusägen. Mit Anrufen bei Bezirksamtsleiter Andy Grote und dem zuständigen Verwaltungsgericht versucht die Gruppe die Arbeiten bis zur endgültigen Entscheidung über die Einstweilige Verfügung zu stoppen. Die Bemühungen bleiben ohne Erfolg. „Das schlimmste ist, dass man ohnmächtig daneben stehen muss“, sagt Lilian Haferkamp. Auch ein Anruf bei der Finanzbehörde bewirkt nichts. „Die Behörde hat gesagt, sollte der Richter die Fällung für unrechtmäßig erklären, würden die halt die Strafe zahlen“, berichtet Apelt von dem Gespräch. Die Gruppe hat das Gefühl, dass die Behörde hier Fakten schaffen will. „Eine Strafe bringt uns die Bäume auch nicht zurück“, sagt Haferkamp.
Um 14 Uhr erreicht ein Fax des Verwaltungsgerichts die AnwohnerInnen. Nervös liest Apelt das Schreiben. Während er gebannt auf das Papier starrt fällt Asche von der Zigarette in seinem Mund auf den Boden ohne dass er es bemerkt. „Die Verfügung wird abgewiesen“, sagt Appelt resigniert. Das Gericht begründet die Entscheidung damit, dass Apelt durch die Fällung nicht in seinen individuellen Rechten verletzt werde. „Der Drops ist gelutscht“, sagt Apelt, während draußen die ersten Äste in einen Schredder geworfen werden. Die Entscheidung über die Einstweilige Verfügung von Anke Singer steht derzeit noch aus. Auch die Bezirkspolitik hat sich bisher nicht geäußert. Die alten Spitzahornbäume werden jedoch wahrscheinlich in keinem Fall mehr gerettet werden können.
Der Beginn der Baumfällung im Video:
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Hans
7. Oktober 2013 at 21:54
Es ist nicht das erste Mal, dass so ein Unding hier im Stadtteil passiert. Derzeit habe ich das Gefühl, sämtliche Politiker, egal, ob im Bezirk, Stadt/Land oder Bund sind korrupt und tun nur etwas, wenn sie persönlich betroffen sind. Nur keine Verantwortung übernehmen – es könnte ja den eigenen Posten und die Stellung kosten!
Ich wünsche mir für die Zukunft ähnliche Mobilisierungen von Bürgern und Sympathisanten wie damals in der Hafenstraße bzw. zu den Anfängen der roten Flora oder zuletzt wie im Gängeviertel. Anders scheint der Staatsapparat seine Bürger und deren Rechte und Begehren nicht mehr zu begreifen.
Christina
8. Oktober 2013 at 16:58
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich protestiert und mich „MITTEN IN DER NACHT“ vor die Toreinfahrt der Schule gestellt. Das wir es letztendlich nicht verhindern konnten, dass die alten Bäume gefällt wurden, ist die eine Seite. Nur wie das ganze hier von den Behörden und der Politik gehändelt wurde, ist die andere peinliche Seite.
Wir haben hier in unserem kleinen Borgfelde eine Gesprächsrunde mit den Borgfelder Bürgern und unseren zuständigen Abgeordneten gegründet. Wenn ich mir die Internetauftritte der einzelnen Damen und Herren in der QUER BORGFELDE ansehe, dann frage ich mich wo die Herrschaften waren, als sie gebraucht wurden. Hat der Umweltausschuss nur eine Alibifunktion? Warum wurden die angrenzenden Grundstückeigentümer nicht über den Bau einer Sporthalle informiert? Haben wir hier eine Baubehörde, die selbstherrliche Entscheidungen treffen darf. Im Moment bin ich nur angewidert.
Jörg
9. Oktober 2013 at 18:10
Am 31.10.2013 ist wieder Umweltausschuss. Im öffentlichen Teil ist Gelegenheit, die handelnden und verantwortlichen Personen kennen zu lernen.
Als Politiker hatte man in diesem Fall kaum eine Chance zur Einflussnahme. Die Mitteilung des Bezirksamtes per Email am 30.09.2013 an die Fraktionen ließ keinen Rückschluss auf besonders schützenswerten Baumbestand zu.
Wir werden sicherlich die Form dieser Mitteilung des Amtes und die merkwürdige Eilbedürftigkeit der Fällung, weil man offensichtlich spontan gemerkt hat, dass dort eine Sporthalle gebaut wird, zur Sprache bringen und nach Klärung einen Antrag schreiben, der solche Vorfälle möglichst verhindert.
Die Unzufriedenheit zieht sich, soweit ich das erkennen kann, durch alle politischen Fraktionen.
Jörg Dürre als zugewählter Bürger der http://hamburg-mitte.bezirkspiraten.de/
Christina
9. Oktober 2013 at 22:28
Solange wollen wir nicht mehr warten! Bereits am Dienstag, den 15.10.13 ab 17:30 h tagt der Hauptausschuss. Hier werden wir uns sicher Gehör verschaffen. Heute hat mir Anke Singer gesagt, dass Schlimmste ist, dass wir als Bürger keine Chance haben, aus Unrecht Recht zu machen.
Anke
10. Oktober 2013 at 21:01
Hallo Jörg,
mit der Terminierung der Email (Feiertagswoche) und dem vermeintlichen Zeitdruck sind alle Fraktionen richtig schön ins offene Messer gelaufen. Bereits ab Freitag liefen die Fällungen auf Hochtouren, am Montag kam der Hubwagen und fällte die beiden ca. 150 jährigen Spitz-Ahorne.
Viele Fragen bleiben jedoch von außen betrachtet zunächst offen:
– weshalb kam NIEMAND auf die Idee, sich schützend vor die Existenz des Umweltausschusses zu stellen und darauf zu beharren? Der Antrag auf Fällung wurde im Juni gestellt, dann diese Eile, keine Zeit mehr bis zum nächsten Umweltausschuß (4Wochen)?
– weshalb kam NIEMAND auf die Idee, bestehende Kontakte in Borgfelde zu nutzen und nachzufragen?
– was ist eigentlich eine „vorgezogene Fällgenehmigung“ ? Es gab – und dies ist in meinen Augen wirklich ein Skandal – keinen Grund, eine Fällgenehmigung zu erteilen. Dies ist auch in der Mail ersichtlich. Denn eine Baugenehmigung ist (noch) nicht erteilt. Die Bäume waren gesund. Gebastelter Zeitdruck als Begründung für die Umgehung des Umweltausschusses, die Fraktionen und Ausschußmitglieder werden in Kenntnis gesetzt – und fressen die Kröte, anstatt ihre Rechte (Pflichten?) einzufordern.
Und diese politische Seite wäre die einzige gewesen, die das Baummassaker hätte verhindern können. Wie es mit den Rechten der Bürger aussieht, haben Ralf und ich im Rahmen der Einstweiligen Verfügungen gemerkt.
Somit gestehe ich Euch unbesehen zu, daß ihr auch gelinkt wurdet, trotzdem gehört in diesem Fall zum ordentlichen Aufräumen auch das an die eigene Nase fassen.
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