Kultur

Kirchentag: Möglichkeiten «Soviel du brauchst»

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Mathias Birsens
@m3irsens

Redakteur | Student der Islamwissenschaft und der Philosophie an der Uni Hamburg | Kontakt: birsens@hh-mittendrin.de

Foto: Jonas Walzberg KirchentagÜberall sieht man sie: Menschen mit blauen Schals, die in der U-Bahn vor jeder Haltestelle panisch auf den Verkehrsplan schauen und meistens in Gruppen unterwegs sind. Seit Mittwoch wird Hamburg regelrecht von Besuchern des 34. Evangelischen Kirchentages (EKT), der vom 1. bis 5. Mai in der Hansestadt stattfindet, überflutet. Angesichts des reichhaltigen Programms ist es nicht verwunderlich, dass mehr als 117 000 Dauerteilnehmer zum Kirchentag gekommen sind.

 

Am Mittwochabend wurde der 34. evangelische Kirchentag (EKT) mit insgesamt vier parallel stattfindenden Gottesdiensten eröffnet. Um 17 Uhr erklärte EKT-Präsident Gerhard Robbers am Strandkai den Kirchentag für eröffnet. Gleichzeitig fanden Gottesdienste auf dem Rathausmarkt, auf der Reeperbahn und dem Fischmarkt statt. Bereits vor der Eröffnung hatte die evangelische Kirche gemeinsam mit den Gewerkschaften zum 1. Mai eine Brückenveranstaltung unter dem Titel «Soviel Gerechtigkeit du brauchst» durchgeführt, bei der unter anderem EKT-Präsident Gerhard Robbers, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Hamburgs DGB-Vorsitzender Uwe Grund auf der Bühne am Fischmarkt gemeinsam über Themen wie soziale Gerechtigkeit und Mindestlohn diskutierten. Beim Abend der Begegnung am Mittwoch hatten die Kirchentagsbesucher die Möglichkeit die Region Hamburg und Schleswig-Holstein kennenzulernen. Von der Hafen City bis zum Jungfernstieg war jede Region mit einem Stand vertreten, wo sie sich vorstellte und ein regionaltypisches Gericht anbot. „Da kann man sich einmal quer durch Norddeutschland futtern.“, erzählt Andreas Kritz begeistert. Der 34-Jährige ist bereits zum fünften Mal bei einem Kirchentag. Dieses Jahr ist der frischgebackene Vater allerdings zum ersten mal mit seiner Familie dabei. Besonders gefällt ihm an den Kirchentagen, dass man „schöne Diskusionen mit anderen interessanten Menschen mit ganz verschiedener sozialer und geistiger Herkunft und Einstellungen führen kann.“ Am Donnerstag begann die inhaltliche Arbeit auf dem Kirchentag. In Bibelkreisen, Podiumsdiskussionen und an Infoständen wird eifrig über die verschiedensten Themen diskutiert. An der Universität Hamburg können die Besucher sich mit anderen Weltreligionen und wissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigen. In Harburg gibt es unter dem Stichwort «Zentrum Jugend» verschiedene Angebote für Jugendliche. Kinder kommen im «Zentrum Kinder» in den großen Wallanlagen auf ihre Kosten. „Hamburg bietet tolle Veranstaltungsorte“ , teilte EKT-Geschäftsführerin Lena Schneider mit. „Wir freuen uns, dass auch viele weltliche Vermieter den Kirchentag unterstützen und uns finanziell entgegen gekommen sind.“

«Markt der Möglichkeiten»: Nichts ist unmöglich!

Eine der zentralen Veranstaltungen des Kirchentags – der sogenannten «Markt der Möglichkeiten» – findet dieses Jahr in den Hamburger Messehallen statt. Hier können die Kirchentagsbesucher mit unterschiedlichen Organisationen und Interessengruppen in Kontakt kommen. Das Spektrum von repräsentierten Gruppen reicht dabei von etablierten Organisationen wie den großen Parteien CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken bis zu exotischen Interessengruppen wie «Sadomachismus und Christsein», die für mehr Toleranz in der Kirche wirbt. Auch Verbände homosexueller Kirchenmitglieder sind zahlreich vertreten. Diese Vielfalt ist für Uli Kruse, der für die Diakonie traumatisierte Kinder aus Krisenregionen in Deutschland betreut und dieses Jahr auf dem «Markt der Möglichkeiten» für die Marktleitung zuständig ist, besonders toll: „Für mich ist der Kirchentag immer eine Welt, die im Alltag so nicht stattfindet in dieser Vielfalt“, erzählt der 67-Jährige. Zu dieser Vielfalt gehört für ihn auch der offene Umgang mit kritischen Themen und Fragen. „Es gibt hier auch relativ kritische Fragen und das ist auch wichtig und einen offenen Umgang mit diesen Fragen“, sagte der inzwischen pensionierte Psychiater, der nur noch ehrenamtlich für die Diakonie arbeitet. Dazu gehören auch angemeldete und von den anderen Teilnehmern tolerierte Demonstranten, die mit Plakaten und Transparenten über den «Markt der Möglichkeiten» ziehen und die Abschaffung der Militärseelsorge fordern. Dabei bleibt selbst direkt vor dem Stand der Militärseelsorge alles friedlich.

Dass sich auf dem «Markt der Möglichkeiten» nichts alles nur um kirchliche Angebote dreht, zeigt der Stand der «Deutschen Biodanza Gesellschaft e.V.». Biodanza ist eine in Südamerika entwickelte Form des gemeinsamen Tanzes. Ursprünglich vor mehr als 40 Jahren für psychisch Kranke entwickelt fand der «Tanz des Lebens» (portugiesisch Biodanza) seinen Weg nach Deutschland. Inzwischen gibt es örtliche Biodanza-Gruppen und jährliche Events wie das «Alegria Biodanza Festival» im Wendland. Suniti Borngräber, selbst seit fünf Jahren Biodanzerin erklärt, dass das Ganze auch viel mit Spiritualität zu tun hat: „Beim Biodanza hat man Raum zu sein wie man ist und das hat was Spirituelles.“ Weitere Highlights des Kirchentages waren die Besuche von zahlreichen Prominenten aus Politik und Gesellschaft. Am Donnerstag waren Bundespräsident Joachim Gauck und Bischöfin Margot Käßmann auf dem Kirchentag. Am Freitag waren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) da. Außerdem wurde am Donnerstag die eigens für den Kirchentag komponierte Oper «Vom Ende der Unschuld» uraufgeführt, die sich mit dem Leben des von Nationalsozialisten ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer beschäftigt. Sie reiht sich in ein umfangreiches Kunst- und Kulturprogramm ein. Mehr als 12 000 Künstler präsentieren auf dem Kirchentag ihre Werke. Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs freut sich vor allem über die anregenden Impulse des Kunst- und Kulturprogramms, dass dieses Jahr unter dem Motto «… und Hamburg, was glaubst du?» steht: „Aus allen dreien, Kunst, Kultur und Religion kann ich immer wieder die Kraft schöpfen, zu hinterfragen: Wie wollen wir leben?“

Noch bis Sonntag haben Interessierte und Besucher die Möglichkeit sich im Rahmen des Kirchentags mit Themen wie verantwortungsvolles Wirtschaften, interreligiösem Dialog und der Inklusion behinderter Menschen auseinander zu setzen. Dabei gibt es getreu dem Motto des Kirchentages «Soviel du brauchst» für jeden Teilnehmer die richtige Veranstaltung vom Abendgebet bis zum zentralen Abschlussgottesdienst unter freiem Himmel im Stadtpark mit dem der 34. evangelische Kirchentag am Sonntag zu Ende geht.

Kommentare anzeigen (1)

1 Kommentar

  1. Artur

    5. Mai 2013 at 21:34

    Wow, schon drei Floskeln nur im Einleiter! :-) Und dass es der DEKT und nicht der EKT und Evangelisch in diesem Fall dann auch groß geschrieben wird – weil Eigenname – dürfte jemandem, der für die DPA schreibt, eigentlich nicht durchgehen…

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