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Brand unter Kennedybrücke: Schutzlos in Hamburg

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Donnerstag rief das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot zu einer Solidaritätskundgebung an der Kennedybrücke auf. Rund 100 Menschen beteiligten sich an der Aktion, um auf die Schutzlosigkeit von Obdachlosen aufmerksam zu machen. Vergangene Woche waren die Zelte von Obdachlosen an der Alster in Brand gesteckt worden.

Der Tatort bietet auch eine Woche nach dem Brand ein Bild der Zerstörung. Die wenigen Habseligkeiten, die im Besitz der Obdachlosen hier waren, sind nur noch ein Haufen Asche. Überreste von Zelten, einige Lebensmittelkonserven und ein alter Ofen sind noch zu erkennen. Dazwischen flattern die verkohlten Überreste von zahlreichen Büchern im Wind. „Vom Ende einer Geschichte“ steht auf dem Buchrücken eines der Werke aus der kleinen Bibliothek unter der Brücke. Am Ende ist diese Geschichte noch lange nicht. „Von vielen Übergriffen auf Obdachlose bekommt man gar nichts mit“, sagt Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei Hinz&Kunzt. „Platte machen ist kein Camping. Auch im Sommer sind viele Obdachlose schutzlos, nicht nur im Winter, wenn es kalt ist“, sagt Karrenbauer weiter. Der Senat müsse Unterkünfte schaffen, die auch angenommen werden. Die überfüllten Massenunterkünfte seien keine Lösung.

Am vergangenen Wochenende hatte ein Brand unter der Kennedybrücke für Aufsehen gesorgt. Die Zelte mehrerer Obdachloser, die dort leben, waren angezündet worden. Ein tatverdächtiger 17-Jähriger, der selbst ohne Wohnung in Hamburg lebt, wurde inzwischen von der Polizei festgenommen und soll die Tat bereits gestanden haben. Für das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot ist die Gewalttat kein Einzelfall. „Wir fordern seit Jahren vom Senat viele kleine Einrichtungen für Obdachlose zu schaffen“, sagt Bettina Reuter vom Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot. Obdachlose seien überall Gewalt und Kriminalität schutzlos ausgeliefert. Dennoch zögen viele die Straße den bestehenden Massenunterkünften vor. Die Unterkünfte seien häufig nicht angemessen und böten kaum Schutz und Privatsphäre. „Zuhause kann jeder seine Tür schließen, wenn man seine Ruhe haben will. In den Unterbringungen ist das häufig nicht möglich“, sagt Reuter. Zudem seien die Einrichtungen regelmäßig überfüllt.

Foto: Jonas WalzbergAktuell sind in Hamburg rund 5.400 Menschen ohne eigene Wohnung. Nach Angaben des Aktionsbündnisses stehen 700 Obdachlose auf der Warteliste für einen Platz in einer öffentlichen Unterbringung. „Wir müssen ein anderes Klima in der Stadt schaffen, ein Klima der Solidarität und Empathie“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. „Auch die Ärmsten in unserer Stadt verdienen Schutz, Würde und Privatsphäre“, so Gerhold weiter. Das Hamburger Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot richtet daher einen klaren Appell an alle HamburgerInnen: „Begrüßen sie in ihrer Nachbarschaft neu geplante Einrichtungen zur Unterbringung obdachloser Menschen. Solche Unterkünfte bieten Schutz und ermöglichen etwas Privatsphäre“, sagt Bettina Reuter. Aktuell protestieren AnwohnerInnen auch in Hamburg-Mitte gegen die dringend benötigten öffentlichen Unterbringungen.  Auch das Bündnis Mahnwache gegen Bahnwache schloss sich der Kundgebung am Donnerstag an.

Mehr Hintergründe zum Thema bei Hinz&Kunzt.

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