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Hamburger Initiativen für den Arabischen Frühling – „Liqa“

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Paul Steffen

*1967 | Leiter der Jungen Akademie für Zukunftsfragen in Hamburg | Politologe & Dozent: Politik, Gesellschaft, Kultur | Kontakt: paul.n.steffen@web.de

Workshop in Ägypten Foto: Jannik VeenhuisIn der Serie über Hamburger Initiativen und Vereine, die  jüngste Protestbewegungen weltweit unterstützen, führt Paul Steffen, Leiter der Jungen Akademie für Zukunftsfragen, Interviews mit den Mitgliedern der Initiativen. Im ersten Teil wurde die Initiative “Yalla – für Freiheit und Demokratie” vorgestellt. Im zweiten Teil der Serie Teil spricht Paul Steffen mit der 27-jährigen Hamida Behr, die Erziehungswissenschaften und Islamwissenschaften an der Universität Hamburg studiert. Sie ist eine Mitbegründerin der Initiative „Liqa”.

Paul Steffen: Was bedeutet eigentlich das Wort „Liqa“?

Hamida Behr: Liqa steht im Arabischen für Begegnung, Zusammenkunft, sich treffen.

Paul Steffen: Schön einfach. Wer seid ihr? Wie habt ihr angefangen?

Hamida Behr: Wir sind eine Gruppe von Studierenden, aus der Islamwissenschaft, Pädagogik und Religionswissenschaft. Entstanden ist die Initiative bei einer Studienreise nach Kairo unmittelbar nach dem Sturz des Präsidenten Hosni Mubarak. Die Reise war am 3. März 2011 angesetzt und nur einer der Begleiter hatte größere Bedenken.

Alle Studierenden wollten unbedingt dahin, haben gesagt „Ja!“. Es gab Kontakte und offizielle Stellen , die glaubhaft versicherten, das ist möglich. Am Ende dieser großartigen Reise saßen wir dann im Cafe und haben überlegt, jetzt haben wir das alles mit erleben dürfen, konnten Zeitzeugen von Weltgeschichte werden, wir wollen nicht einfach nach Hause fahren und zu unseren Alltagsgeschäften übergehen.

Paul Steffen: Ihr seid hauptsächlich Studierende? Wie finanziert ihr euch?

Hamida Behr: Ja, wir sind alle Studierende. Wir werden von der Universität Hamburg und vor allem Professor Eich gut unterstützt, was auch bei Finanzierungsanträgen, wie beim Deutschen Akademischen Austauschdienst wichtig ist. Wir sind also wirklich forschende Studierende.

Paul Steffen: Wie viele seid ihr?

Hamida Behr: Der harte Kern besteht so aus sieben Leuten. Dann gibt es noch welche, die lose mit uns verbunden sind, neugierig aber nicht so oft oder so aktiv dabei.

Paul Steffen: Was wollt ihr machen?

Hamida Behr: Wir wollen unbedingt in Kontakt mit den Menschen bleiben, die wir da kennen gelernt haben. Wir werden uns eh´ mit dem ganzen Prozess weiter befassen. Wir wollen das irgendwie unterstützen oder begleiten. ‚Dabei bleiben’ halt. Wir haben schnell gemerkt, dass das Ganze auch für uns sehr wichtig ist.

Und wir haben auch was einzubringen. Dadurch, dass wir in einer funktionierende Demokratie aufgewachsen sind, hier zur Schule gegangen sind und studieren, haben wir einiges zu vermitteln. Zudem sind wir auch alle außerhalb des Projekts gesellschaftspolitisch aktiv, was wir im Austausch mit Ägypten über politische Partizipation nutzen können.

Paul Steffen: Wie bringt ihr euch ein?

Hamida Behr: Unsere Idee war, für Ägypten einen Wahl-O-Mat für die ersten freien Parlamentswahlen zu machen (Der Wahl-O-Mat ist ein internetbasiertes Frage-Antwort-System, mit dem ei­ge­ne Stand­punkte zu wichtigen po­li­ti­schen The­men mit Partei-Pro­gram­men ver­gli­chen wer­den. Dabei kann man sich mit politischen Fragen beschäftigen und zugleich sehen, welche Partei einem nahe steht. – Anm. der Red.).

Es gab da ja plötzlich Unmengen von Parteien, wobei vielen gar nicht klar war was die eigentlich genau wollen. Die Berliner NGO Mict (mict-international.org) hatte schon Erfahrungen mit der Entwicklung. Mit ihnen gemeinsam haben wir dann an einem Wahl-O-Mat für die ägyptischen Parlamentswahlen gearbeitet. Das Resultat, auf Englisch und Arabisch, ist bis heute online.

 

Workshop in Ägypten Foto: Jannik Veenhuis

Paul Steffen: Was genau hat stattgefunden?

Hamida Behr: Insgesamt schon eine ganze Menge. Wir haben zum Beispiel mit ägyptischen Studenten wichtige politische Fragen diskutiert. Etwa ob das Verteidigungsministerium von Militärs oder Zivilen geleitet werden sollte. Oder ob es jetzt zivile oder immer noch nur religiöse Ehen geben soll. Ein Problem übrigens vor allem für koptische Paare, die nicht geschieden werden dürfen…

Wir haben Workshops entwickelt über politische Partizipation. Außerdem haben wir an Universitäten und Schulen in Kairo, Alexandira, aber auch auf dem Land, im Nildelta und im Süden, Workshops mit Schülern und Studenten abgehalten über Politische Teilhabe, Gewaltenteilung und die Rolle der Medien in der Demokratie.

Paul Steffen: Macht ihr für Ägypter politische Entwicklungshilfe?

Hamida Behr:  Nein eigentlich nicht, schon gar nicht als Einbahnstraße. Wir lernen da ja auch ganz viel. Wie man religiöse Fragen von Fragen um Tradition unterscheiden muss, wie unterschiedlich die Stadt- und die Landbevölkerung die Revolution wahrnimmt. Sehr wichtig ist auch den Unterschied zwischen Streitkulturen zu lernen. Die Studierenden dort waren immer sehr um Ausgleich bemüht, während wir ja eher konfrontativ diskutieren.

Die ägyptischen Studierenden haben uns überhaupt erst ermöglicht, eine Ausstellung zu machen an der Universität Hamburg, über deren Vorstellungen von Demokratie und ihre Hoffnungen für die Zukunft.

Paul Steffen: Ihr bekommt also mindestens genau so viel zurück?

Hamida Behr: Ja. Uns geht es ganz stark darum, einen interkulturellen Dialog voran zu bringen. Dialog wollen wir wirklich auf Augenhöhe führen, indem wir die deutsche Berichterstattung über die Ägyptische Revolution kritisch aufgreifen und Workshops in Ägyptischen Universitäten gemacht haben, wo wir gemeinsam die Artikel analysiert haben.

Und am liebsten würden wir diesen revolutionären Elan hierher bringen; und zwar einfach als Begeisterung für politische Fragen. In meiner Generation gibt es so viel Lethargie – und wenn man sieht mit wie viel Engagement und Opferbereitschaft junge Leute dort für Freiheit und Demokratie kämpfen, das ist echt inspirierend.

Paul Steffen: Gibt es schon weitere Pläne?

Hamida Behr: Ja klar, die nächsten Gespräche und Workshops sind vorbereitet und in ein paar Tagen fliegen wir wieder nach Ägypten. Wir planen Dialoge und Bildungsveranstaltungen auch für Hamburger Schulen zu konzipieren. Außerdem gibt es bald eine Ausstellung im Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg über Träume und Ängste junger Ägypter für die Zukunft ihres Landes.

Lesen Sie mehr auf der Website der Organisation: www.liqa-project.org.

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