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Seniorenwohnanlage St. Pauli: Das „Herzstück“ fehlt

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Seit Jahresbeginn ist die Pförtnerloge der Seniorenwohnanlage St. Pauli am Elbpark nicht mehr besetzt. Die Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich von der SAGA GWG im Stich gelassen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Pförtnerloge durch Ein-Euro-Jobber besetzt gewesen. Nach dem Auslaufen der Fördergelder hat die SAGA GWG die Mitarbeiter nicht in ein festes Beschäftigungsverhältnis übernommen.

Ende 2012 wurden die Bewohnerinnen und Bewohner der Seniorenwohnanlage St. Pauli am Elbpark darüber informiert, dass die Pförtnerloge ab 2013 nicht mehr besetzt sein wird. In einem zweiten Schreiben kündigte die SAGA GWG bereits an, dass die Kosten für einen möglichen zukünftigen Betrieb der Pförtnerloge auf die Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt werden sollen. Die Senioren vermuten einen Aufschlag von etwa 20 bis 30 Euro monatlich auf ihre bisherige Miete. „Viele Bewohnerinnen und Bewohner leben von der Grundsicherung, sie können sich das nicht leisten“, sagt Ina Hanke, Tochter eines Bewohners. Sollte die SAGA GWG die Beträge über die Extra-Kosten abrechnen, so würden diese voraussichtlich nicht vom Grundsicherungsamt übernommen werden.

„Die Eingangshalle mit der integrierten Pförtnerloge war das Herz der Seniorenwohnanlage, der jetzt einfach wegfällt“, sagt Pamela Leske-Westphal, die sich gemeinsam mit ihrer Schwester Ina Hanke dafür einsetzt, dass die aktuelle Situation in der Wohnanlage öffentlich wird. Die Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich von der SAGA GWG betrogen. „Die SAGA spielt hier mit den Menschen. Mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und den Mitarbeitern“, sagt Pamela Leske-Westphal. „Das soziale Feigenblatt der Genossenschaft fällt“, so Leske-Westphal weiter.  Viele Bewohnerinnen und Bewohner hätten ihr Leben lang auf St. Pauli gelebt und seien hier gerade einzogen, weil ihnen eine Pförtnerloge ein Gefühl der Sicherheit gebe. Sie seien verunsichert und mit der aktuellen Situation überfordert. Bisher hatte die feste Pförtner-Crew es diplomatisch gelöst, wenn beispielsweise Wohnungslose in der Eingangshalle der Wohnanlage Schutz suchten. Die beiden Schwestern sehen diese Situation im Kontext des Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten und Maßnahmen wie die des Vertrags der Stadt mit der Deutschen Bahn am Hauptbahnhof (Mittendrin berichtete). „Natürlich suchen sich die Menschen bei dieser Kälte einen Ort zum Schlafen. Aus ihrem „Wohnzimmer“ am Hauptbahnhof werden sie verdrängt“, sagt Pamela Leske-Westphal.

„Der Skandal ist doch, dass die Wohnungsbaugenossenschaft mit der Pförtnerloge in ihren Broschüren wirbt. Folglich also auch mit der Arbeitskraft von Niedriglohnkräften und somit prekären Arbeitsverhältnissen“, sagt Pamela Leske-Westphal. Die Pförtner hätten sich weit über ihr eigentliches Arbeitsfeld hinaus engagiert und die Bewohnerinnen und Bewohner nach allen Möglichkeiten unterstützt. Beispielsweise mit Fahrten zur Post und ähnlichen Diensten. Fast rund um die Uhr waren die Pförtner für die Bewohnerinnen und Bewohner ansprechbar. Am Anfang sei die Pförtnerloge von 8 bis 23 Uhr geöffnet gewesen, später dann von 10 bis 20 Uhr. Die Senioren berichten, dass sich die Atmosphäre in der Anlage verändert habe. Die Pförtner hätten den Mieterinnen und Mietern Sicherheit und Kontaktmöglichkeiten gegeben. Viele von ihnen haben selbst keine Familie oder Angehörige, die sie hier besuchen. Die Pförtner haben bei ihrer Arbeit eine wichtige Kontaktfunktion übernommen.

Wie bei vielen Menschen, die im Niedriglohnsektor in sozialen Einrichtungen arbeiten sind auch hier die Grenzen zwischen ihrem eigentlichen Tätigkeitsbereich und der Arbeitsrealität verwischt. „Die Pförtner haben sich über das normale Maß heraus in dieser Anlage engagiert“, sagt Ina Hanke, „wohl auch, weil man ihnen eine feste Anstellung in Aussicht gestellt hat“. Seit zehn Jahren waren die Pförtner als Ein-Euro-Kräfte in der Seniorenwohnanlage beschäftigt. Dementsprechend eng sei auch die Bindung zu den Bewohnerinnen und Bewohnern gewesen. Gleichzeitig war dieses Arbeitsverhältnis jedoch von ständiger Unsicherheit geprägt. „Bereits vor zwei Jahren sollten die Fördermittel gestrichen und die Pförtner entlassen werden“, sagt Pamela Leske-Westphal. Dies wurde im letzten Moment durch eine Verlängerung der Fördergelder verhindert. Statt einer erhofften festen Anstellung wurde die Pförtnerloge geschlossen, weil die Fördergelder dieses Mal nicht verlängert worden sind. Die Bewohnerinnen und Bewohner berichten, dass ihre Pförtner nun in einem nahegelegenen Hochhaus arbeiten würden. Die SAGA GWG nahm dazu bisher keine Stellung, schloss jedoch auch nicht aus, das die Mitarbeiter nun an anderer Stelle eingesetzt würden. Unklar bleibt, ob die Beschäftigung weiterhin in einem Arbeitsverhältnis als Ein-Euro-Jobber erfolgt.

Auch in der aktuellen Broschüre der SAGA GWG wird die Seniorenwohnanlage noch mit der Leistung „Hausbetreuerloge“ beworben. Die SAGA GWG spricht dabei von einem Versehen. „Das Herzstück der Seniorenanlage muss auf verantwortungsvolle, sichere Beine gestellt werden. Das gilt für die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner sowie für die Arbeitsverhältnisse der Pförtner“, fordern die beiden Schwestern. Wichtig hierbei sei, dass dies nicht durch eine Umlage auf die Bewohnerinnen und Bewohner finanziert werden solle. Die SAGA-GWG gibt gegenüber Mittendrin an, sich in Verhandlungen über eine mögliche zukünftige Besetzung der Pförtnerloge zu befinden. Unklar bleibt jedoch, mit wem die SAGA verhandelt und wie die Art der Beschäftigung in Zukunft aussehen soll.  „Bei uns verstärkt sich der Eindruck, dass die SAGA das Problem aussitzen will“, sagt Ina Hanke.

 

Kommentare anzeigen (3)

3 Kommentare

  1. Brit

    22. Februar 2013 at 22:38

    Liebe Isabella,

    vielen Dank für den Artikel.

    Ich habe einen klitzekleinen Kritikpunkt:

    Unklar bleibt, ob die Beschäftigung weiterhin in einem Arbeitsverhältnis als Ein-Euro-Jobber erfolgt.

    Ich persönlich finde, ein 1-€-Job ist kein Arbeitsverhältnis. Das ist ja im Prinzip ein H4-Empfänger, der sich diese 165,00 € dazu verdienen darf. Ich kenne die genauen Sätze momentan nicht, auf jeden Fall arbeitet dann dieser Mensch für sehr wenig Geld trotzdem „ganz normal“ und der Steuerzahler zahlt das.

    Wenn es ein Arbeitsverhältnis wäre, wäre der entsprechende Pförtner ja irgendwo angestellt. Ist er aber nicht, er ist vom Jobcenter zur Verfügung gestellt worden.

    Liebe Grüße

    Brit

  2. Dr.med. Thomas Leske

    24. Februar 2013 at 08:19

    Noch unmissverständlicher wäre folgende Formulierung des oben angeführten Satzes aus dem Artikel: „Unklar bleibt, ob die Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis oder weiterhin als Ein.Euro-Jobber erfolgt“. So hatte ich den Satz im Kopfauch „gelesen“, obwohl es dort garnicht so stand. Und deshalb war mir das garnicht aufgefallen.

  3. Sabine Leuschner

    2. März 2013 at 15:27

    Danke für den Artikel!

    Wenn man, wie die SAGA GwG eine seniorenwohnanlage betreibt dann geht es hier nicht mehr allein nur um sozialen wohnungsbau. Hier wird um ein ganz spezielles klientel geworben (s.broschüre!).

    http://www.saga-gwg.de/opencms/export/sites/default/saga/download_gallery/DownloadBereichService/SG_Senioren_1210_nA.pdf

    Es wir in der broschüre mit dem wort ZUHAUSE geworben. Dieses soll sicherheit und ein sich aufgehoben fühlen assoziieren.Wenn ich mir dann ansehe, was dort angeboten wird, dann könnte man tatsächlich glauben, dass die SAGA GWG sich auch den alten menschen moralisch verpflichtet fühlen würde. Das steht aber im krassen gegensatz zu ihrem wirklichen tun. Die SAGA GWG hat ein „herzstück“ (so wie sie, Frau David, es treffend formuliert haben) mit fragwürdigen mitteln aufgebaut, die mich asozial anmuten. Sie bereichert sich hier ganz klar auf kosten anderer, indem sie die Personalkosten für die „Hausbetreuer-Loge“ gar nicht einmal selbst trägt. Sie bietet und wirbt mit etwas, wofür sie keinen Cent zu zahlen bereit war. Und auch jetzt nicht (so wie es aussieht) bereit ist, die menschen, die jahrelang zwangsarbeit für die SAGA GWG (einem knallharten wirtschaftsunternehmen) geleistet haben, nun in ein reguläres und anständiges arbeitsverhältnis zu übernehmen!

    1 Euro Job – Ein Euro Job – Hartz IV
    Der Ein-Euro Job ist eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Eingliederungsmaßnahme für Empfänger von Arbeitslosengeld II. Die gesetzliche Regelung findet sich in § 16 d SGB II. Die offizielle Bezeichnung des Ein-Euro Job lautet “Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung”.
    Quelle: http://www.hartz-iv.info/ratgeber/ein-euro-job.html

    -Euro-Job Pflicht und Sanktionen / Kürzungen bei Verweigerung Verpflichtung zur Arbeitsübernahme
    Der Bezieher von ALG II ist grundsätzlich verpflichtet, die ihm zumutbare Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung zu verrichten. Diese Pflicht kann sich entweder aus der mit der Arbeitsagentur abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung ergeben. Sie ist in § 15 SGB II vorgesehen und wird in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages begründet, der für den Arbeitslosen erzwingbare Pflichten erzeugt.
    Die Agentur für Arbeit kann aber auch einen Heranziehungsbescheid erlassen, der den ALG II-Empfänger zur Übernahme des Ein-Euro Job verpflichtet. Der Heranziehungsbescheid ist ein Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, mittels dessen mit bindender Wirkung die Verpflichtung zur Tätigkeit festgelegt wird.
    Quelle: http://www.hartz-iv.info/ratgeber/ein-euro-job/pflicht-sanktionen.html

    Danke dir und schönes Wochenenende!

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