Kultur

Hamburger Häusergruppen – eine fotografische Chronik

Kultur
Paul Steffen

*1967 | Leiter der Jungen Akademie für Zukunftsfragen in Hamburg | Politologe & Dozent: Politik, Gesellschaft, Kultur | Kontakt: paul.n.steffen@web.de

Foto: Paul Steffen„1987“ – Eine Fotoausstellung über Hausbesetzer, Demos und Häuserkämpfe in Hamburgs jüngerer Geschichte. Die Fotografien von Kai Peters sind noch bis zum 3. März im Gängeviertel zu sehen.

In der Kupferdiebe-Galerie im Gängeviertel werden Fotos von Kai Peters aus der Häuserbesetzerszene in den achtziger Jahren gezeigt. Wenige Bilder sind neueren Datums. Kai Peters war dabei, hat zumindest mitdemonstriert, Freunde in der Szene gehabt und fotografiert. Anfangs hat er ohne strategischen Plan einfach Bilder für sich gesammelt. Erst später studierte er an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg Reportage und Dokumentation.

Die Ausstellung erhält gerade durch das Charakter, was nicht gezeigt wird. Es gibt keine Fotos von heroischen Posen, martialischem Kampfgetümmel und ordentlich Aktion. Auf eigentümliche Weise wirken die Gruppenbilder von Polizei oder des schwarzen Blockes nicht nur so statisch, wie es die Konfrontation damals war, sie wirken auch angespannt spannender, als all die Hau-drauf-Szenen, die schon hinlänglich andernorts gezeigt wurden. Und das hat Methode. In der Zusammenstellung der Fotos kontrastieren Gruppen kampfbereiter Polizisten und Häuserbesetzer oder Autonomer in Erwartungshaltung mit ziemlich unspektakulären Szenen des Lebens um die besetzten Häuser.  Da werden Slogans an Wände gepinselt, da stehen Leute herum und spielen Kinder und ältere völlig entspannt Federball, alles an und neben heruntergekommenen Häusern, denen die Besetzer aus Wohnungsnot und politischer Überzeugung Leben einhauchen wollten. „Oft waren Besetzungen nur von kurzer Dauer und eher friedlich, Kampf war da die Ausnahme“, sagt Peters über die Hintergründe seiner Fotos. „Ich möchte hier keine Erklärung der geschichtlich politischen Situation liefern“, sagt Peters weiter. Auch ist keine eindeutige politische Gesinnung anhand der ausgestellten Bilder abzulesen. Hier sind die Bilder mit RAF-Parolen, freundlich lächelnden Hausbesetzern und gelangweilten Polizisten, die einem Hausabriss, wie einem trägen Fußballspiel zuschauen, in erster Linie Zeitdokumente. Ergänzt werden die Fotos durch einen Amateurfilm und einige Radiosendungen der Hafenstraßenbewohner aus dieser Zeit. Das bietet Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung einen Einblick in die Gedankenwelt der damaligen Hausbesetzer und ist eine charmante Art, die Bilder inhaltlich zu rahmen.

Angesichts bestehender Wohnungsnot und gegenwärtiger Initiativen, wie „Recht auf Stadt“ oder eben der um den Erhalt des Gängeviertels selbst, bleibt diese Ausstellung nicht nur historisch interessant und ästhetisch reizvoll. Hier sieht man ausschnitthaft Stadtgeschichte und manchmal – zwischen den Bildern – Geschichte der politisch-ökonomischen Produktion von Mangel und Miethöchstpreisen und daraus folgender gesellschaftlicher Gegenwehr.

Kommentare anzeigen (2)

2 Kommentare

  1. Erich Steffen

    24. Februar 2013 at 10:23

    Super! Danke! Wäre gut, solche Sichtweisen setzten sich breiter durch: wäre nötig für den Umgang miteinander

  2. Abdul

    1. März 2013 at 13:36

    Auch ich finde, das es gut wäre, das sich solche Sichtweisen breiter durchsetzten , weil das nötig für den Umgang miteinander wäre. Danke! Super!

Artikel kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Mehr in Kultur

Bothmer-Nosferatu+

Kulturtipp: Nosferatu zu Gast in der Laeiszhalle

Judith Behnk3. März 2016
Ausstellungsansicht "Geniale Dilletanten - Subkultur der 1980er Jahre in Deutschland"

„Geniale Dilletanten“: Experimente zwischen Lärm und Klang

Judith Behnk5. Februar 2016
moritz_neumeier_by_mathias_becker_02

Im Kern verrückt, die Hülle immer wieder neu – der Hamburger Comedy Pokal 2016

Felix Rasmus Willeke3. Februar 2016
Valerie Bayol

Künstlerporträt: Valérie Bayol – Von Hexen, Zauberern und Drachen in St. Georg

Judith Behnk28. Januar 2016
Gefahrengebiete und andere Hamburgensien

Tipp der Woche: „Gefahrengebiete und andere Hamburgensien“

Isabella David15. Dezember 2015
Asyland Hamburg

Tipp der Woche: Mit „Asyland“ die Perspektive wechseln

Isabella David8. Dezember 2015
Kraftwerk Bille - Hallen

Producers Artfair: „Ein Labor des Austausches“

Judith Behnk9. September 2015
Peotry Slam, Patrick Salmen, Foto: Jelena Malkowski

Weltrekord: Größenwahnsinniger Poetry Slam

Jelena Malkowski28. August 2015
"Kampf der Künste"-Moderator Michel Abdollahi im vollbesetzten Schauspielhaus (Foto: Jan Brandes).

Weltrekordversuch im Dichterwettstreit

Jelena Malkowski26. August 2015

Rund um Billstedt, Billbrook und Horn atmet die grüne Lunge der Stadt. In Hamm, Rothenburgsort, Borgfelde, Hammerbrook, St.Georg, der Alt- und Neustadt, und auf St. Pauli riecht und schmeckt man Hamburg an jeder Straßenecke. Die Hafencity glänzt und glitzert im Schatten der dicken Pötte und Kräne.

Die andere Seite der Elbe auf der Veddel, in Wilhelmsburg, auf dem Kleinen Grasbrook, in Steinwerder, Waltershof, Finkenwerder und auf der Insel Neuwerk lässt hanseatische Tradition spürbar werden.

Das ist Hamburg-Mitte, unser Bezirk inmitten einer lebhaften Stadt. So vielfältig wie seine Bewohner sind die Geschichten, die wir erzählen.

Mittendrin ist Name und Programm – täglich sind wir unterwegs und bringen euch spannende Reportagen, aktuelle Lokalnachrichten und ausdrucksstarke Bilder und Videos aus Hamburgs bunter Mitte.

Hamburger Geschichten

© 2012 - 2015 Mittendrin | Alle Rechte vorbehalten. Impressum - Umsetzung Politikwerft Designbüro.