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Rundgang durchs Gefahrengebiet

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Seit einer Woche hat die Polizei in Hamburg St. Pauli, Altona und die Sternschanze zum Gefahrengebiet erklärt. Die Maßnahme erregt inzwischen weit über die Grenzen der Stadt hinaus Interesse. Bei einem Rundgang haben sich Politiker aus Hamburg und anderen Bundesländern selbst einen Eindruck verschafft.

Hamburg ist im Ausnahmezustand: Seit einer Woche patroulieren in den Stadtteilen St. Pauli, Sternschanze und Altona verstärkt PolizistInnen, kontrollieren Personen und verteilen Platzverweise. Obwohl das Gefahrengebiet inzwischen auf das Umfeld von drei Polizeiwachen beschränkt wurde, halten die Proteste gegen das Vorgehen der Polizei unverändert an. Das Gefahrengebiet sorgt inzwischen weit über Hamburg hinaus für Diskussionen: Überregionale Medien berichten ausführlich über die Ereignisse in Hamburg und selbst im Ausland erfährt die Hansestadt zunehmende Aufmerksamkeit. Für die Piratenpartei ist das Anlass genug, Politiker aus Hamburg und anderen Bundesländern zu einem Rundgang durch das Gefahrengebiet einzuladen. Geführt von Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten in Hamburg-Mitte, verschafften sich die Abgeordneten aus Landtagen, Bürgerschaft und Bundestag selbst einen Eindruck des Gefahrengebietes.

„Auf St. Pauli ist die Stimmung schon länger angespannt“, erläutert Gerhold zu Beginn des Rundganges. Schuld daran sei unter anderem die zunehmende Gentrifizierung des Stadtteils, die ihren Ausdruck unter anderem in dem Konflikt um die Esso-Häuser finde. Die Proteste gegen das Gefahrengebiet sind auch eng mit diesen Themen verknüpft. Neben zahlreichen Vertretern der Piratenpartei aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen, sind auch Politiker anderer Parteien vertreten, darunter die Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider (Linke) und die ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel. Viele Gäste des Rundgangs tragen die Klobürste, die inzwischen zum Symbol des Widerstands gegen das Gefahrengebiet geworden ist, mit sich. Gerhold erklärt den BesucherInnen zunächst welche Ereignisse zur Einrichtung des Gefahrengebiets geführt haben und kritisiert dabei die Informationspolitik der Polizei. „Es besteht der Verdacht, dass die Polizei den Vorfall am 28. Dezember in einen falschen Kontext gebracht hat, um das Gefahrengebiet zu ermöglichen“, sagt Gerhold. Am Paulinenplatz, von dem in den vergangenen Tagen viele spontane Demonstrationen gestartet sind, lobt der Piratenpolitiker jedoch das Vorgehen der Polizei an diesem Wochenende. „Ich habe zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass die Polizei bemüht ist zu deeskalieren“, sagt Gerhold. Dennoch habe es wohl neben einer verletzten Beamtin auch Verletzungen bei DemonstrantInnen gegeben.

Während die Piraten, die nur in der Bezirkspolitik vertreten sind, kaum Einfluss auf die Maßnahmen der Polizei nehmen können, wollen Linke und FDP das Gefahrengebiet zu einem Kernthema der nächsten Bürgerschaftssitzung am 22. Januar machen. „Es gibt keine ausreichende Kontrolle der Polizei, die Gewaltenteilung ist hier aufgehoben, da die Polizei sich selbst Befugnisse geben kann“, sagt Christiane Schneider. Die Linke fordert daher einen Parlamentsvorbehalt oder zumindest einen Gerichtsvorbehalt für die Einrichtung von Gefahrengebieten. „Generell sind wir gegen das Instrument, aber solange es besteht muss es klare Kriterien dafür geben“, sagt Schneider. Hamburg ist das einzige Bundesland, dass der Polizei so weitreichende Befugnisse einräumt. Bereits vor dem umstrittenen Gefahrengebiet, das vor einer Woche ausgerufen wurde, gab es in der Stadt derartige Bereiche. Unter anderem in St. Georg, auf der Reeperbahn und in der Sternschanze. Dabei ging es im Schwerpunkt um die Bekämpfung von Drogenkriminalität. „Für die Bevölkerung sind Gefahrengebiete aber immer eine Belastung“, sagt Gerhold.

Auch die FDP kritisiert die Politik des SPD-Senats: „Was hier auf der Straße ausgetragen wird, sind die Fehler der Vergangenheit. Ich verstehe nicht, warum der Senat nicht das Gespräch sucht“, sagt Sylvia Canel. Es gebe Situationen, in denen derartige Kontrollen Sinn machen, das sei bei der aktuellen Situation aber nicht der Fall. „Hier geht es um ein unangemessenes Machtspiel“, sagt Canel.

Am Sonntag kam es erneut zu einer spontanen Demonstration gegen das Gefahrengebiet. Rund 50 Personen versammelten sich am Astraturm und zogen friedlich durch St. Pauli. Die Polizei hielt mehrere TeilnehmerInnen an und stellte die Personalien fest. Platzverweise oder Ingewahrsamnahmen gab es nicht. Auch für die kommenden Tage sind Proteste gegen das Gefahrengebiet angekündigt. Am Montag soll um 16 Uhr eine Demonstration von Studierenden der Uni-Hamburg starten. Am Donnerstag wollen Juristen über die rechtlichen Hintergründe des Gefahrengebiets informieren.

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