Die Bürgerschaft hat am Donnerstag einer Verfassungsänderung zugestimmt, die eine Sperrklausel von drei Prozent bei den Wahlen zur Bezirksversammlung vorschreibt. Bereits im Vorfeld der Abstimmung hat ein Bündnis aus verschiedenen Initiativen angekündigt, die Entscheidung per Referendum kippen zu wollen – auf die Wahlen 2014 wird das jedoch keinen Einfluss haben.
Die Abstimmung am Donnerstag war nur noch eine Formalität: Mit den Stimmen der SPD, CDU und Grünen hat die Bürgerschaft eine Drei-Prozent-Sperrklausel bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen beschlossen. Dies ist nun in der Hamburgischen Verfassung festgeschrieben. Bereits vor zwei Wochen hatte sich die Bürgerschaft in erster Lesung gegen die Stimmen der Linken und der FDP für diese Verfassungsänderung ausgesprochen. Eine Expertenanhörung im Verfassungsausschuss hatte die Meinung der Abgeordneten nicht ändern können – die Mehrheit der Experten hat keine rechtlichen Bedenken in Bezug auf die Verfassungsänderung.
Verfassungsänderung nach kurzer Debatte
Hintergrund der Verfassungsänderung ist ein Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichtes: Das Gericht erklärte damals, dass eine Drei-Prozent-Hürde bei Wahlen zu Bezirksversammlungen nicht verfassungskonform ist. Eine Drei-Prozent-Hürde widerspreche der Chancengleichheit der Parteien und der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen. SPD, CDU und Grüne sehen durch eine Abschaffung der Sperrklausel jedoch die Funktionsfähigkeit der Bezirksversammlungen maßgeblich beeinträchtigt und wollen die Drei-Prozent-Hürde deshalb in der Verfassung festschreiben. „Sperrklauseln sind ein Erfolgsmodell der deutschen Demokratie und garantieren die Arbeitsfähigkeit von Parlamenten“, sagt André Trepoll, Abgeordneter der CDU am Donnerstag.
Die Debatte in der Bürgerschaft dauert nicht lange: Bereits in der ersten Lesung waren die wesentlichen Argumente ausgetauscht worden. Nach der Anhörung der Experten ist klar: Rechtliche Bedenken gegen die Verfassungsänderung bestehen kaum – vielmehr ist es eine politische Frage, ob auf kommunaler Ebene eine Zugangshürde für Parlamente bestehen soll. „Wir hätten nach dem Urteil die Chance gehabt zu diskutieren, wie wir Demokratie und Beteiligung in Hamburg gestalten wollen. Diese Chance haben wir jetzt vertan“, sagt Tim Golke von der Linken. Ein Bündnis aus verschiedenen Initiativen will sich damit jedoch nicht abfinden und hat angekündigt bereits am Freitag ein Referendum gegen die Verfassungsänderung einzureichen. „Es ist das gute Recht der BürgerInnen ein Referendum anzustreben. Ob dieses zulässig ist, muss jedoch das Verfassungsgericht erst prüfen“, sagt Barbara Duden, Verfassungsexpertin der SPD.
Streit um Referendum
Am Freitag werden die Vertrauenspersonen des Bündnisses „Faires Wahlrecht – Jede Stimme zählt“, Angelika Gardiner und Manfred Brandt von Mehr Demokratie e.V. sowie Matthias Cantow von wahlrecht.de, ein fakultatives Referendum gegen den Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft zur Verfassungsänderung anmelden. Dies bedeutet, dass das Bündnis innerhalb von drei Monaten etwa 32. 000 Unterschriften sammeln muss, damit es zu einer Volksabstimmung über die Festschreibung einer Drei-Prozent-Sperrklausel kommt. Die Abstimmung würde jedoch erst am Tag der nächsten Bürgerschaftswahl im Februar 2015 stattfinden, und hätte daher keinen Einfluss auf die Wahlen zur Bezirksversammlung im Mai 2014 – die Sperrklausel wird hier auf jeden Fall Anwendung finden.
Das Bündnis besteht bisher aus Mehr Demokratie e.V., der Piratenpartei Hamburg, der FDP, der Linken, den Freien Wählern und der Bürgerinitiative Langenhorn 73. Die Vertrauenspersonen des Referendums gehen davon aus, dass sich auch noch weitere Bürgerinitiativen dem Bündnis anschließen werden. „Gerade die engagierten BürgerInnen sind es, die die Ohnmacht in der Kommunikation mit dem Senat, der Verwaltung und den Investoren immer wieder erleben. In Hamburg herrscht darüber gerade auf der Bezirksebene große Unzufriedenheit“, sagt Angelika Gardiner.
SPD, CDU und Grüne halten das angestrebte Referendum für unzulässig, da Volksbegehren aus Sicht der Parteien nur bei Änderungen von bereits beschlossenen Gesetzen und einfachen Wahlgesetzen möglich seien – eine Verfassungsänderung sei davon ausgenommen. Deshalb wird der Senat nach der Anmeldung des Referendums das Verfassungsgericht anrufen, um die Zulässigkeit prüfen zu lassen. „Es ist jetzt vor allem notwendig schnell Rechtsklarheit zu schaffen“, sagt Manfred Brandt. Das Bündnis wird dennoch bereits jetzt beginnen Unterschriften für das Referendum zu sammeln. „Wir werden dieses Risiko eingehen und das durchziehen, weil die Sache aus unserer Sicht eine erhebliche Bedeutung hat“, sagt Manfred Brandt.
Nicht nur die inhaltliche Dimension der Verfassungsänderung, sondern auch das Verfahren selbst führt zu Kritik. „Es macht hoffentlich keine Schule, dass Ergebnisse von Volksentscheiden oder Urteile von Gerichten mit Verfassungsänderungen umgangen werden“, sagt Manfred Brandt. Auch die FDP schließt sich in der Bürgerschaft der Kritik am Verfahren an. „Die Verfassungsänderung wurde im Schweinsgallopp durchgezogen. Es gab nicht genügend Zeit mit Initiativen oder Bezirksabgeordneten Rücksprache zu halten“, sagt Robert Bläsing, Abgeordneter der Liberalen.
Bereits im Januar war das Urteil des Verfassungsgerichtes in der Bezirksversammlung-Mitte auf ein geteiltes Echo gestoßen. Die Diskussionen im Bezirks dürften sich mit dem Beschluss der Bürgerschaft zunächst erledigt haben. Auf Landesebene geht der Streit mit der Anmeldung des Referendums jedoch in die nächste Runde – für den Bezirk Mitte bekommt das Thema erst 2018 wieder eine Bedeutung. Vorher können sich jedoch sowohl die Mehrheitsverhältnisse in der Bürgerschaft ändern, als auch ein möglicherweise erfolgreiches Referendum ein neues Wahlgesetz notwendig machen.
Kommentar zum Urteil des Verfassungsgerichtes
Kommentar zur Verfassungsänderung
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