Die Hamburger Bezirke müssen sich auf eine weitere Änderung des Wahlrechts vorbereiten. Vergangene Woche hatte das Hamburgische Verfassungsgericht entschieden die Drei-Prozent-Hürde bei den Wahlen zur Bezirksversammlung für ungültig zu erklären (Mittendrin berichtete). Am Donnerstag beschloss nun die Bürgerschaft eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Mit der Gesetzesänderung reagieren die Politiker auf eine Forderung, die von Jugendverbänden seit langem erhoben wird.
Tausende Jugendliche in Hamburg engagieren sich regelmäßig politisch für ihren Stadtteil. Ob Sitzungen des Jugendverbandes, Infostände der Partei auf dem Wochenmarkt oder die Organisation von Wahlpartys, junge Menschen sind in der Politik fast täglich aktiv. Engagieren dürfen sich Jugendliche, mitbestimmen bisher nicht. Trotz ihres politischen Engagements, dürfen Jugendliche weder bei Bezirks- noch bei Bürgerschaftswahlen mitentscheiden. Dies soll sich nun ändern.
„Ich freue mich sehr, dass wir die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 jetzt beschließen konnten. Es ist der richtige Schritt die frühe Partizipation von Jugendlichen an politischen Prozessen zu fördern und ihr Interesse zu wecken“, sagt Annkathrin Kammeyer. Die SPD-Politikerin und Juso-Kreisvorsitzende ist selbst seit ihrem 16 Lebensjahr politisch aktiv und derzeit mit 23 Jahren die jüngste Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. „In einer besonderen Verantwortung stehen jetzt aber vor allem Bildungseinrichtungen und der gesamte politische Apparat dieses Interesse der Jugendlichen frühzeitig zu wecken und über Politik zu informieren“, sagt Kammeyer weiter. Am Donnerstag beriet die Bürgerschaft über einen Gesetzesentwurf der Grünen aus dem Jahr 2011. Schon damals forderten die Abgeordneten das Wahlalter auf 16 herabzusetzen. Nach langen Debatten im Verfassungs- und Bezirksausschuss der Bürgerschaft stimmten nun die Fraktionen der SPD, der Grünen und die Linken für die Gesetzesänderung. Die CDU stimmte gegen die Änderung des Wahlgesetzes in dieser Form. Die FDP überließ ihren Abgeordneten die Entscheidung selbst und gab die Abstimmung vom Fraktionszwang frei.
„Die Grüne Jugend Hamburg fordert schon lange die Senkung des Wahlalters. Erst durch uns wurde diese Forderung überhaupt in das Wahlprogramm der Grünen aufgenommen. Wir begrüßen es daher sehr, dass das Wahlalter nun gesenkt wird“, sagt Tom Rickers, Sprecher der Grünen Jugend Hamburg. Die jungen Grünen fordern jedoch mehr als der Gesetzesentwurf in der Bürgerschaft: „Die Fähigkeit, sich in demokratische Prozesse einzubringen, hängt für uns nicht mit dem Alter von Menschen zusammen. Unsere Forderung geht daher weit über das Wahlalter mit 16 Jahren hinaus. Wir fordern, mittelfristig das Wahlalter komplett abzuschaffen und allen Menschen unabhängig von ihrem Alter das Wahlrecht zu gewähren“, sagt Rickers. Dies müsse jedoch mit zusätzlichen Angeboten an politischer Bildung verknüpft werden. Zusätzlich könnten kommunale Jugendparlamente mit konkreten Entscheidungskompetenzen das Interesse an Politik fördern.
Für die Bezirke und die Bürgerschaft bedeutet die Änderung des Wahlrechts ein zusätzliches Wählerpotenzial von rund 25.000 jungen Menschen. Der Gesetzesentwurf fordert daher den Senat auf ein umfangreiches Informations- und Bildungsprogramm für die Vorbereitung der jungen Wählerinnen und Wähler zu erstellen. Zusätzlich sollen die Wahlen zur Bezirksversammlung, bei denen das neue Wahlrecht erstmalig Anwendung findet, durch eine wissenschaftliche Studie begleitet werden, um die Wirkung der Änderungen überprüfen zu können. Insbesondere die Wahlbeteiligung sowie das Informationsverhalten der Jugendlichen werden dabei wahrscheinlich im Fokus stehen.
Für die Jungen Piraten ist bereits jetzt klar, dass die Absenkung des Wahlalters ein Schritt in die richtige Richtung ist, der jedoch nicht ausreicht. „Wahlrecht ist ein Menschenrecht und steht, wie alle anderen Menschenrechte, jedem Menschen zu. Daher fordern wir Junge Piraten das Wahlrecht ab Geburt“, sagt Raúl Truckenbrodt, Landessprecher der Jungen Piraten Hamburg. „Somit können alle über das politische Geschehen mitbestimmen, sobald sie sich selbst für reif genug erachten, denn eine willkürliche Grenze des Wahlalters geht nicht auf die individuelle Reife der Menschen ein. Die persönliche Erfahrung mit unseren Mitgliedern zeigt dass es Minderjährige gibt die sich differenzierter mit dem politischen Geschehen auseinander setzen als so mancher Erwachsener“, so Truckenbrodt weiter.
Die Linksjugend sieht die Wirkungen des neuen Wahlrechts skeptischer. Zwar begrüße man die Initiative für ein Wahlrecht mit 16 Jahren, doch sei dies nur eine kosmetische Korrektur der Demokratie. „Wenn die bürgerlichen Parteien von Grün bis Schwarz ihre neoliberale Politik im Bund und in den Ländern fortführen und damit junge Menschen weiter in Jugendarbeitslosigkeit und -armut stürzen, hilft auch kein neues Wahlrecht. Die Jugendlichen, die am meisten von dieser Politik betroffen sind, werden zu großen Teilen den Wahlurnen fernbleiben, weil sie wissen, dass auf diesem Wege ohnehin nichts Wesentliches politisch bewirkt werden kann“, sagt Christin Bernhold, Sprecherin der Linksjugend [’solid] Hamburg.
Neben der Debatte über das Wahlrecht entschied die Bürgerschaft bereits am Mittwoch in erster Lesung Wahlen nur noch alle fünf Jahre abzuhalten. Damit wäre die Länge einer Legislaturperiode der Bürgerschaft der in den Bezirksversammlungen angeglichen. Sowohl die Herabsetzung des Wahlalters, als auch die Verlängerung der Legislaturperioden müssen am 13. Februar noch in zweiter Lesung endgültig beschlossen werden. Da dies als wahrscheinlich gilt sind die Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren dann 2014 aufgerufen die Bezirksversammlung erstmalig mit einem veränderten Wahlrecht zu wählen. Die nächsten Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft finden 2015 statt und würden dann die Zusammensetzung des Parlamentes bis 2020 bestimmen.
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