St. Georg jubelte als vor wenigen Wochen die Rettung der Buchhandlung Wohlers an der langen Reihe bekannt gegeben wurde. Monatelang hatten die Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt des Traditionsgeschäftes gekämpft. Kurz darauf folgte die Schreckensmeldung. Vermieter Frank Jendrusch trat von den Verhandlungen zurück, da vertrauliche Informationen über den geplanten Mietvertrag an die Öffentlichkeit gelangt waren. Die Schuld daran wurde dem Einwohnerverein St. Georg zugeschoben (Mittendrin berichtete). Am Donnerstag rief der Verein zu einer erneuten Protestaktion für den Erhalt der Buchhandlung auf.
Wäre Frank Jendrusch in seinem Büro gewesen, ihm würden heute die Ohren klingeln. Nach Polizeiangaben hatten sich rund 200 Demonstranten vor dem Sitz des Immobilienhändlers am Hansaplatz in St. Georg versammelt. Der Schall von Glocken, Pfeifen, Rasseln und Trommeln dröhnte durch den Stadtteil. Wer kein Instrument zu Hand hatte, brachte kurzerhand Töpfe und Pfannen mit. Im Wechsel mit kurzen Ansprachen und dem Gesang des Chors „Drachengold“ wird die Geräuschkulisse erhalten. Ruhige Momente gibt es nicht an diesem Abend. Rund um den Platz halten die Menschen Plakate in die bitterkalte Novemberluft. „Wohlers bleibt“ steht dort. Immer wieder „Wohlers bleibt“. Der Stadtteil steht hinter seiner Buchhandlung. Und hinter dem in die Kritik geratenen Einwohnerverein.
„Es hat einen Stimmungswandel gegeben“, ruft Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins in das Mikrofon. „Man macht uns zu den Verantwortlichen des Scheiterns. Doch die Wahrheit ist, Frank Jendrusch hat alle wochenlang hinters Licht geführt.“ Jendrusch hatte sich Anfang der Woche im Hamburger Abendblatt geäußert. Dabei gab der Immobilienhändler an, sich bedroht gefühlt zu haben. Die Verhandlungen über einen neuen Mietvertrag seien abgebrochen worden, da er sich unter Druck gesetzt gefühlt habe. „Zu behaupten ein ehrlicher Kaufmann zu sein ist eine Frechheit. Jendrusch bietet nur Wohnungen für Mieten von 6, 40 Euro pro Quadratmeter an, da diese einer Mietpreisdeckelung der Stadt unterliegen“, sagt Michael Joho. „Sein Verhalten ist eines Hamburgers nicht würdig.“ Jendrusch gab in dem Bericht des Abendblattes zusätzlich an, weiter zu den von ihm zuvor geäußerten Antisemitismus-Vorwürfen gegen den Einwohnerverein zu stehen.
Die jüdischen Schauspieler Dominique Horwitz und Peter Maertens hatten sich gemeinsam mit der ebenfalls jüdischen Autorin Peggy Parnass in einem offenen Brief mit ihrem Ehrenwort für den Einwohnerverein verbürgt. Martens bekräftigte dies auf der Veranstaltung am Donnerstag: „Es ist traurig, dass das Abendblatt Herrn Jendrusch ein Forum für diese Behauptungen gibt. Die Vorwürfe sind blanker Unsinn.“ Auch der Schauspieler stellte sich hinter den Einwohnerverein. „Herr Joho spricht mir aus dem Herzen. Es ist ein grausames Spiel, das hier mit Jürgen Wohlers gespielt wurde.“ Nach Ansicht von Maertens hat sich Frank Jendrusch durch sein Verhalten in St. Georg als Legende unsterblich gemacht. „Wenn in vielen Jahren die Kinder abends nicht zu Bett gehen wollen, dann werden die Mütter sagen: Ins Bett, Husch Husch, sonst kommt der böse Jendrusch“, sagt Maertens.
Als Gabe an Frank Jendrusch hatten die Anwesenden einen Jutesack voller Denkzettel vorbereitet. „Lieber Herr J. auf das ihnen zuhause das dickste Buch auf den Kopf falle“ und „Ich bestelle nie wieder ein Buch im Internet, das ich auch bei Wohlers bekommen kann“ stand beispielsweise auf den kleinen Zetteln geschrieben. Zusätzlich zu den Denkzetteln hatten die Einwohner von St. Georg Wunschzettel für ihren Stadtteil und für Jürgen Wohlers gesammelt.
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Neben guten Wünschen hatten die Bewohner von St. Georg noch ein weiteres Geschenk für den Buchhändler dabei. „Wir haben Herrn Wohlers versprochen, dass der ganze Stadtteil beim Umzug helfen wird, wenn er einen neuen Laden gefunden hat.“ Ob es eine Möglichkeit gibt die Buchhandlung Wohlers an einem anderen Standort neu zu eröffnen, ist derzeit unklar.
Fotos: Jonas Walzberg
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