„Wie genau sehen die Verträge der Elbphilharmonie aus? Wie viel Steuergelder fließen wirklich in den Bau des Konzerthauses?“ Antworten auf genau diese Fragen will das Bündnis „Transparenz schafft Vertrauen“, das am Freitag die Offenlegung der Elbphilharmonieverträge beantragte. Dabei handelt es sich um die erste Anwendung des Transparenzgesetzes, das am Sonnabend in Kraft getreten ist. Damit ist in der Hansestadt eine deutschlandweit einmalige Regelung geschaffen worden, die politische Arbeit in dem Stadtstaat nachvollziehbar machen soll. Das Transparenzgesetz löst das bisher geltende Informationsfreiheitsgesetz ab und verpflichtet die Stadt dazu den Bürgerinnen und Bürgern Dokumente einfach, anonym und kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Der Weg von der ersten Idee zum Gesetz dauerte über ein Jahr. Nicht nur das Gesetz ist in dieser Art und Weise deutschlandweit einmalig, sondern gleichermaßen auch sein Entstehungsprozess. Die ersten Gedanken zum Gesetz und schließlich auch die ersten handfesten Entwürfe wurden in einem öffentlichen Wiki entworfen. Jeder konnte sich beteiligen, mitdiskutieren und gestalten. Die Initiatoren vom Verein „Mehr Demokratie“, „Transparency International Deutschland“, dem „Chaos Computer Club“ und der Initiative „Frag den Staat“ schlossen sich zu dem Bündnis „Transparenz schafft Vertrauen“ zusammen. Unterstützt wurde das Bündnis auch von politischer Seite durch die Piratenpartei, die Linke, sowie die Grünen. Schließlich wurden im Herbst 2011 innerhalb von sechs Wochen mehr als 15 000 Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt. Der Gesetzesentwurf schaffte es dann Anfang 2012 bis in den Justizausschuss der Bürgerschaft. Nach weiterer Überarbeitung wurde das Gesetz im Juni 2012 einstimmig in der Hamburgischen Bürgerschaft verabschiedet.
Anlässlich des Transparenzgesetzes fand am Sonnabend der „Aktionstag Transparenz“ im Kultwerk West statt. Die Initiatoren des Gesetzes präsentierten vielen interessierten Bürgerinnen und Bürgern den Entstehungsweg des Transparenzgesetzes und zeigten die neuen Möglichkeiten der Einsichtnahme auf. „Das Gesetz schafft vor allem mehr Möglichkeiten für die Opposition und die Medien, um die Regierung aus erster Hand zu kontrollieren“, sagte Gerd Leidlich von Transparency International. Durch das neue Gesetz können nun auch Bürgerinitiativen und Bündnisse Informationen und Dokumente verlangen. Bisher war dies nur Privatpersonen möglich. Darüber hinaus betonte Leidlich, dass die Ausnahmetatbestände in denen Informationen nicht veröffentlicht werden, enger und klarer gefasst sind. Dies beschränkt sich nunmehr auf Fälle in denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse tangiert oder das öffentliche Wohl gefährdet werden können.
Wichtig ist vor allem, dass nicht nur Informationen von Behörden offengelegt werden müssen, sondern auch von externen Unternehmen, die im Auftrag der Stadt agieren. Die Behörden und Institutionen sind von nun an verpflichtet Regierungsbeschlüsse, Gutachten und Verträge der Öffentlichkeit in einem zentralen Informationsregister zugänglich zu machen. Dieses Register soll im Internet jedem Bürger frei, anonym und kostenlos zur Verfügung stehen. Das Staatsarchiv ist der wesentliche Akteur bei der Bereitstellung des Registers, das innerhalb der nächsten zwei Jahre erarbeitet werden soll. „Das Transparenzgesetz ist vor allem auch ein wichtiger Schritt bei der Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung“, sagt Leidlich.
Datenjournalist Marco Maas betont auf dem Aktionstag vor allem die Möglichkeiten, die sich für Journalisten in Hamburg durch das neue Gesetz ergeben. „Das Transparenzgesetz erleichtert hyperlokale Angebote und auch den Servicejournalismus in der Hansestadt“, sagt Maas. Bisher fehle eine zentrale Sammelstelle für Daten. Oftmals seien Daten schwierig zu erhalten oder stünden schlichtweg nicht in einem geeigneten Datensatz zur Verfügung. In der Bundesrepublik befinde man sich, was eine Nutzung von Daten betreffe noch im „Kindergartenalter“.
Auch Stefan Wehrmeyer, Gründer von fragdenstaat.de, begrüßt das neue Transparenzgesetz und stellte auf dem Aktionstag die Plattform vor. Vorbild für fragdenstaat.de war ein britisches Projekt. „Wir wollen es den Menschen auch hier einfacher Machen sich zu informieren“, sagt Wehrmeyer, „das Transparenzgesetz ist ein riesiger Meilenstein, an dem andere Bundesländer sich erst einmal messen müssen.“ Auf fragdenstaat.de ist es jedem schnell und einfach möglich Anfragen direkt an die Behörden zu senden. Die gesamte Korrespondenz ist dann jedem User öffentlich zugänglich und für jedermann nachvollziehbar. So profitieren alle von den Anfragen Einzelner. Auf dem Aktionstag stand nach der theoretischen Betrachtung des neuen Gesetzes das Beantragen von Informationen auf dem Programm. Der Weg zum eigenen Antrag wurde den Anwesenden nicht nur erklärt. Vielmehr konnten im Laufe des Tages unter Anleitung selbst Anträge versandt werden. Die neuen Möglichkeiten des Transparenzgesetzes konnten die Anwesenden so erstmals hautnah erleben.
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