Am Sonnabend haben AktivistInnen des Anti-Atom-Plenum im Hafen gegen den Transport von radioaktiven Gefahrstoffen durch Hamburg demonstriert. Mit Booten brachten die DemonstrantInnen ein Transparent an dem Frachter „Atlantic Cartier“ an, der im Mai mit radioaktiven Stoffen beladen in Brand geraten war. Trotz der Gefahren boomt jedoch im Hafen das Geschäft mit der gefährlichen Fracht weiter.
Am frühen Sonnabend erwacht die HafenCity langsam zum Leben. Menschen sitzen vor einigen Cafés beim Frühstück in der Sonne, vereinzelt eilen MitarbeiterInnen von umliegenden Unternehmen zur Arbeit und viele Touristen schlendern am Ufer der Elbe entlang, um die Queen Mary 2, die derzeit zu Besuch in Hamburg ist, zu bestaunen. Niemand ahnt, dass nur wenige hundert Meter von der friedlichen Kulisse entfernt eine möglicherweise tödliche Gefahr schlummert. Nur zwei Boote, die an diesem Morgen die Elbe entlang fahren, weisen auf die gefährliche Fracht eines nahegelegenen Frachters hin. „Atomtransporte stoppen“ steht auf einem Transparent an einem der Kähne. Es ist eine Protestaktion des Anti-Atom-Plenums, die sich gegen den Umschlag von atomarem Material im Hamburger Hafen richtet.
Um 05:35 Uhr hat zuvor die „Atlantic Cartier“ der Reederei ACL am O´swaldkai festgemacht und wird für 12 bis 40 Stunden im Hafen bleiben. Das Schiff hatte am 1. Mai für Schlagzeilen gesorgt, da bei einem Brand an Bord radioaktive Stoffe entdeckt worden waren. Damals hatte der Frachter an genau der gleichen Stelle angelegt. Der Innenausschuss der Bürgerschaft stellte später fest, dass während des Brandes die Innenstadt und der dort zu diesem Zeitpunkt stattfindende Kirchentag zu keinem Zeitpunkt gefährdet waren. Die AktivistInnen an Bord der Boote sehen das anders. „Man hat Glück gehabt. Bei der Ladung des Schiffes waren sowohl die Innenstadt, als auch die HafenCity akut gefährdet“, sagt Mattis vom Anti-Atom-Plenum. Der Wind hätte zudem giftigen oder radioaktiven Rauch des brennenden Frachters bis nach Wilhelmsburg und auf die Veddel treiben können. Neben verschiedenen Gefahrstoffen, wie Ethanol und Uranoxid, hatte die „Atlantic Cartier“ Uranhexaflourid (UF6) geladen. Nach Angaben des Vereins „Internationale Ärzte zur Verhinderung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung“ (IPPNW) kann UF6, insbesondere bei Kontakt mit Wasser, der zur Entstehung von Flusssäure führt, Haut und Schleimhäute verätzen und somit zum Tod führen. Bei einer Explosion seien Menschen im Umkreis von 1000 Metern und je nach Windstärke darüber hinaus in Lebensgefahr.
Am Sonnabend näheren sich die Boote dem Frachter, der regelmäßig mit gefährlicher Fracht beladen Hamburg anläuft, und bringen ein Transparent mit der Aufschrift „Atomtransporte brandgefährlich“ an. „Der ist jetzt gebrandmarkt“, freut sich Mattis. Die AktivistInnen wollen auch zukünftig dafür kämpfen, Atomtransporte im Hamburger Hafen zu verbieten. „Die Bevölkerung wird nicht ausreichend über die Gefahren direkt vor ihrer Nase informiert“, sagt ein Aktivist. Aus Sicherheitsgründen wird der Inhalt derartiger Gefahrguttransporte nicht vor dem Festmachen der Schiffe bekanntgegeben. Das Anti-Atom-Plenum führt dennoch genau Buch über die Transporte mit radioaktivem Material durch Hamburg. 2012 fanden demnach 117 Atomtransporte durch den Hafen statt. In der Regel wird das gefährliche Material auch mit LKW über die Autobahn transportiert und stellt aus Sicht der Atomkraftgegner eine zusätzliche Gefahrenquelle dar.
Das Geschäft mit der gefährlichen Fracht brummt jedoch. „Wir wissen, dass überall im Hafen radioaktive Materialien verladen werden“, sagt Mattis. Viele Reedereien sind an dem lukrativen Geschäft beteiligt, auch die Hapag Lloyd, die zu einem großen Teil der Stadt gehört, betreibt einige der Gefahrgutfrachter. Aus Sicht des Anti-Atom-Plenums hat der Senat somit ein doppeltes Interesse an der Fortsetzung der Atomtransporte durch Hamburg. Nicht nur durch die Gewinne der Hapag Lloyd, sondern auch durch die Anlegegebühren verdiene die Stadt mit. „Im Fall des Brandes der Atlantic Cartier ist noch einmal alles gut gegangen, aber was passiert, wenn es einmal nicht gutgeht“, fragt sich einer der AktivistInnen. Tatsächlich wären die Möglichkeiten die Bevölkerung im Falle eines atomaren Unfalls zu schützen begrenzt. Vor dem Innenausschuss musste Senator Michael Neumann eingestehen, dass eine Evakuierung der Stadt, nicht einmal eines einzelnen Stadtteils, nicht rechtzeitig möglich wäre.
Das Anti-Atom-Plenum will sich weiter für den Stopp von Atomtransporten durch den Hafen einsetzen und plant weitere Aktionen, um der Öffentlichkeit die Gefahren zu verdeutlichen. „Unsere Recherchen gehen weiter und wir werden noch zu manchen Ergebnissen kommen“, sagt Mattis. Die Forderungen der Atomkraftgegner enden jedoch nicht an der Hafengrenze. Zukünftig sei nur eine Stilllegung aller Atomkraftwerke weltweit eine vernünftige Lösung. „Fukushima war keine Naturkatastrophe, sondern menschengemacht. Atomkraft ist ein Verbrechen“, sagt ein Aktivist beim Verlassen des Protest-Bootes.
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